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Tränen und Wut im "Kasperletheater"

Das deutsche Skisprung-Mixed-Team verpasst das Finale, weil Katharina Althaus wegen ihres Anzugs disqualifiziert wird.  

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Ihr Anzug war offenbar plötzlich zu groß: Katharina Althaus Foto: Daniel Karmann (dpa)

Die untröstliche Katharina Althaus weinte an der eiskalten Olympia-Schanze von Zhangjiakou, Bundestrainer Stefan Horngacher schimpfte voller Wut gegen die Regelhüter: Deutschlands Skisprung-Mixed hat nach einer vieldiskutierten Disqualifikation von Topspringerin Althaus die Mixed-Medaille bei den Winterspielen klar verpasst und im Anzug-Chaos einen schweren emotionalen Rückschlag erlitten.

"Für mich ist es ein Kasperletheater. Das ist nicht mehr im Sinne des Sports", sagte Männer-Coach Horngacher, der nach dem Wirrwarr sogar indirekt mit seinem Rückzug drohte. "Ich für mich muss mir überlegen, ob ich das Kasperletheater nächstes Jahr noch mitmache", sagte der in Titisee-Neustadt lebende Österreicher im ZDF. Er sei sehr enttäuscht, betonte der Chefcoach. Althaus’ Anzug war laut Jury nicht regelkonform, es war eine von fünf Disqualifikationen an diesem Tag.

Althaus selbst war außer sich: "Es war eine Premiere fürs Skispringen, für uns Frauen. Wir haben uns so darüber gefreut, dass wir einen zweiten Wettkampf bei Olympia haben. Die FIS hat das mit dieser Aktion zerstört. Sie haben damit das Frauen-Skispringen zerstört. Damit macht man Nationen kaputt, Förderungen und den ganzen Sport unfair." Die 25 Jahre alte Oberstdorferin sagte zudem: "Das war nicht fair. Ich wurde schon so oft kontrolliert und wurde noch kein einziges Mal disqualifiziert. Ich weiß, mein Anzug hat gepasst. Das war heute irgendwie ganz, ganz komisch. Ich weiß nicht, was sie damit bezwecken wollen." Karl Geiger sprach von "einer bodenlosen Frechheit". Außer Goldgewinner Slowenien waren alle Top-Nationen betroffen. "Das finde ich schon sehr fragwürdig, um nicht zu sagen skandalös. Das können wir alle nicht nachvollziehen", sagte Teammanager Horst Hüttel, der vor lauter Frust sein Funkgerät zerstörte.

Einzel-Silbergewinnerin Althaus, Selina Freitag, Constantin Schmid und Karl Geiger wurden nach einer deutschen Serie von vier WM-Titeln in dieser Disziplin Neunte und gingen bei der Olympia-Premiere leer aus. Schlussspringer Geiger hatte das emotionale Chaos innerhalb weniger Sekunden erlebt. Zunächst bejubelte Deutschlands Skisprung-Star seinen mit Abstand besten Sprung auf dieser Schanze, dann sah er auf dem großen Monitor die "Acht" aufleuchten und realisierte die folgenschwere Disqualifikation seiner Teamkollegin. "Ich habe es erst gar nicht mitbekommen. Boah, das ist echt eine harte Nummer. Das ist schon megaskurril, dass da drei rausgehauen werden", kommentierte der 28-Jährige, der im Einzel als 15. enttäuscht hatte. "Irgendwas ist komisch." Am Ende waren sogar fünf Athletinnen disqualifiziert worden, neben Althaus auch die Japanerin Sara Takanashi sowie Daniela Iraschko-Stolz aus Österreich und zwei Norwegerinnen. Favorit Slowenien siegte locker vor dem Team des Russischen Olympischen Komitees und Profiteur Kanada.

"Sie haben damit das

Frauen-Skispringen zerstört."

Katharina Althaus
Doch was war passiert? Das konnten zunächst weder Horngacher noch Hüttel oder Frauen-Bundestrainer Maximilian Mechler schlüssig erklären. "Es liegt in unserer Verantwortung, dass der Anzug auch passt. Vor zwei Tagen hat er noch gepasst und jetzt ist es extrem enttäuschend. Das ist extrem bitter für uns", sagte Mechler. Horngacher prangerte bei seiner Kritik auch den Ski-Weltverband (FIS) an: "Das ganze Prozedere mit Messung und Management von der FIS ist aus meiner Sicht nicht besser geworden, sondern eher schlechter." An eine solche Häufung an Disqualifikationen von Topathleten bei einem Großereignis konnte sich niemand erinnern.

Auch Hüttel war außer sich, dass es ausgerechnet vier große Nationen des Skispringens erwischte: "Wir sind ja nicht alle bescheuert, und wir wollen ja nicht alle manipulieren. So macht man die Sache ein Stück weit kaputt." Die Funktionäre waren sich einig, dass diesmal mit anderen Maßstäben und anderer Detailversessenheit gemessen wurde als sonst üblich.

"Das war jetzt natürlich echt bitter, das muss man echt sagen. Bei Olympia fangen sie dann an, anders oder mehr zu messen", sagte Horngacher. Leidtragende waren nicht nur die vier besiegten Nationen, sondern auch der Sport. In Erinnerung bleiben wird ein denkwürdiges Mixed ohne großen sportlichen Wettkampf um Gold, Silber und Bronze.

Ressort: Olympische Spiele

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 08. Februar 2022: PDF-Version herunterladen

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