Zum Frühstück Fisch und vor dem Volleyballturnier höfliche Verbeugungen: In Japan ist alles anders, höflicher und schneller fanden die Teilnehmer am 31. Simultanaustausch der Deutschen Sportjugend / Text und Fotos: Christian Mutter.
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K onnichiwa! Wataschi no namae wa Toshiki des. Anata no onamae wa nan to iimassuka?" Im ersten Moment schlackern mir die Ohren. Nach kurzem Nachdenken hole ich die nach zwei Wochen Japan schon deutlich abgenutzte Sprachfibel hervor und antworte etwas unsicher: "Wataschi no namae wa Christian des!" Das Strahlen in den Augen des Gegenübers lässt mich innerlich jubilieren - nicht zu fassen: ich spreche japanisch! Genug jedenfalls, damit Toshiki und ich uns einander vorstellen können. Zum Überlegen bleibt immer nur wenig Zeit, in diesem Land, in dem Geschwindigkeit alles ist. Und so eilen wir denn auch von einem großartigen Eindruck zum nächsten. Angefangen hat das ganze Abenteuer zwei Wochen zuvor in Frankfurt. Da trafen sich fast 110 jugendliche Sportler am Flughafen: Fußballer, Schwimmer, Turner, Fechter, Rugby-, Tennis- und Handball-Spieler, um für 23 einmalige Tage nach Japan zu reisen. Die deutsche Sportjugend hatte zum 31. Mal die Teilnahme am deutsch-japanischen Sportjugend-Simultanaustausch ausgeschrieben. Nach einigen Vortreffen - "Wir sind keine Touristen, sondern Vertreter unseres Landes" wurde uns da eingebläut - ging es endlich los. In Tokio stolperten wir nach elf Stunden Flug in die japanische Wirklichkeit. Um 18.00 Uhr Ortszeit herrschte völlige Dunkelheit, der Bus zum Hotel fuhr auf der falschen Straßenseite und alles blinkte. Leuchtreklamen, Werbetafeln, selbst die Ampeln schienen heller zu leuchten als in Deutschland. Wirklich zu begreifen war die ganze Szenerie erstmal nicht. Okay, auch Japaner im Schwarzwald sind irgendwie noch eine Sensation. Aber wir in Tokio? Wir wunderten uns über alles und kamen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Unsere Gegenüber auch. Die Menschen in der U-Bahn fingen an zu tuscheln, Leute auf der Straße schauten uns bis zur nächsten Ecke nach und junge Mädchen, vermutlich alle Beckham-Verehrerinnen, kicherten. Sie genossen ganz offensichtlich den Anblick eines ähnlichen "Westernstyle"-Jugendlichen aus dem fernen Europa. Wir brauchten einige Tage bis wir uns (fast) komplett eingelebt hatten. Was anfangs allerdings - trotz Üben in den Vorbereitungsseminaren! - kaum klappen wollte, war das Essen mit Stäbchen. Aber nach einigen Tagen lobten uns unsere Gastfamilien für den geschickten Umgang mit ihrem Werkzeug - und prompt schmeckte dann auch der Fisch, den wir zum Frühstück (!) serviert bekamen, viel besser. Da waren wir noch alle in Kyoto. In der zweiten Woche liefen die Regionalprogramme für die verschiedenen Gruppen in ihren Partnerregionen. Die letzte Woche verbrachten wir alle in Tokio - und jeder einzelne Tag unserer Reise würde ganze Bücher füllen. Besonders in Erinnerung blieb uns allen der Kontakt zu den japanischen Jugendlichen. Jeder von uns hatte so seine Vorstellungen von Tamagotchi über Handy bis "Ständig-am-knipsen". Und mit unseren Vorurteilen hatten wir auch nicht so ganz Unrecht. Den ersten "richtigen" Kontakt erlebten wir zwölf Südbadener in der zweiten Präfektur Ishikawa. Für eine Diskussion mit japanischen Oberschülern hatte deren Rektor seine Schützlinge extra aus dem Urlaub geholt, zum Teil waren die 15- bis 20-Jährigen sogar mehr als 200 Kilometer weit angereist - Beleg für das riesige Interesse der japanischen Jugendlichen und die magnetische Anziehungskraft eines Dutzends fremder Europäer. Mit Dolmetschern auf beiden Seiten ging es los, noch etwas stockend und verklemmt am Anfang, doch dann zusehends immer entspannter. Die Japaner erzählten uns von ihren Schulen und dem Schulsystem ("Schuluniformen sind bei uns Pflicht, aber man gewöhnt sich an alles!") - solange die erwachsenen Betreuer und Dolmetscher zur Seite standen. Und später, als "die Luft rein" war und die strenge Kontrolle der Erwachsenen hinter die Papierschiebetüren verbannt war, erzählten sie von ihren Freunden und Hobbys ("We all just love Karaoke!"). Das klappte auch ohne Dolmetscher gut - mit erstaunlich spärlichem Englisch seitens der Japaner, mit Sprachfibel und mit Händen und Füßen. B egeistert und erstaunt von der Höflichkeit und Freundlichkeit der Jugendlichen, ja, aller Japaner, reisten wir weiter. Ein besonderes Beispiel für diese über Jahrhunderte weitergegebenen Umgangsformen widerfuhr mir während eines Volleyball-Trainings, zu dem mich meine dritte Gastfamilie an einem Abend mitnahm. Zu Beginn stellten sich die Sportler in einem Kreis auf, verbeugten sich voreinander und besprachen die Trainingseinheit. Und auch als nach zwei Stunden der Schweiß in Strömen floss, stellte man sich zum Abschluss wieder zum Kreis zusammen, verbeugte sich, dankte einander für das schöne Spiel und verließ die Halle. Nicht jedoch, ohne sich vorher in der Tür vor der gesamten Halle erneut zu verbeugen. So manches durchaus bewundernde Kopfschütteln ging also durch unsere Gruppe, und immer wieder freuten wir uns auf die Möglichkeit, mit den einheimischen Jugendlichen Sport zu treiben. Natürlich auch japanischen Sport. "Kendoh" (Kendo, also Stockkampf) und "dschuh-doh" (Judo) standen beispielsweise auf dem Programm, doch eines der Highlights im sportlichen Sinne stellte sicher das Programm in der dritten Präfektur Toyama dar: An unserem Aufenthaltsort Asahi lernten wir, dass "Wasserball" nicht einfach nur Wasserball ist. Vor mehr als 20 Jahren, so erfuhren wir, wollten die Bewohner der Stadt eine neue Sportart erschaffen - eine, die von jedermann und jeder Frau gespielt werden konnte, egal ob groß oder klein, ob dick oder dünn. Also nahm man sich einen Wasserball, nannte ihn aber "Beachball", mischte die Regeln von Volleyball und Badminton und hatte flugs eine neue Sportart kreiert. Mit wachsender Begeisterung ging man zur Sache, richtete einige Jahre später die ersten landesweiten Titelkämpfe aus und trainiert noch heute emsig "Wasserball übers Badminton-Netz" - Beachball eben. Etwas befremdet standen wir in Vierergruppen auf dem Feld, ließen uns aber nichts anmerken und spielten freudig mit. Und siehe da: Es machte richtig Spaß. Großen Anteil daran hatten sicher auch die wiederum etwa gleichaltrigen, japanischen Oberschülerinnen und Oberschüler, die mit uns nach den Bällen hechteten und die wir im Anschluss am Strand des Japanischen Meers näher kennen lernen durften. Die Schüchternheit, die praktisch alle Japaner am Anfang befangen hält, schmolz schon während des Beachball-Trainings und folglich glühten im Anschluss am Strand die Fotofinger. Denn auch das lernten wir: Wenn japanische Teenager etwas besitzen müssen, so ist es ein knallbuntes Fotohandy (für alle Technikfreaks: 3 Megapixel Auflösung, Blitz und VGA-Videomodus), mit dem wild durch die Gegend geknipst und alles festgehalten wird, das nicht bei drei hinter einem Baum steht! So hatten wir unseren Spaß, vor allem wir Jungs genossen den Beckham-Bonus (ein tolles Gefühl, von kreischenden Mädels umlagert zu werden!) und beendeten die Rundtour durch unsere Partnerregion eine halbe Woche vor dem Rückflug. Die restliche Zeit, die wir wieder mit allen anderen Deutschen in Tokio verbrachten, bestand zu großen Teilen aus Staunen über die 34-Millionen-Metropole, Einkaufen im Elektronikviertel (wieder für die Technik-Begeisterten: fast 600 "Ich-bin-doch-nicht-blöd-Fachmärkte" in einem einzigen Viertel) und natürlich Sightseeing. E s gibt Reisen, die vergisst man nicht. Sie bleiben einem für alle Zeiten im Gedächtnis, man kann wochenlang davon erzählen, Bilder herumreichen und den Daheimgebliebenen von Tagen berichten, die einmalig waren. Der Japan-Trip war so eine Reise. Doch auch sie ging nach drei Wochen zu Ende. Große Abschiedsfeier, Rückflug und "Sayonara" am Frankfurter Flughafen, wo 23 Tage zuvor alles begonnen hatte. Sayonara heißt "Auf Wiedersehen". Auf Wiedersehen in einem wundervollen Land; einem Land, das uns gefesselt hat und das uns so schnell nicht mehr loslassen wird.
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