BZ-Interview

Spielpädagoge: "Verlieren will gelernt sein"

Kinder, die viel spielen, entwickeln später mehr Empathie für andere Menschen. Spielen fördert auch die Konzentration und Kreativität. Spielpädagoge Ralf Brinkhoff erklärt, warum das so ist.  

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Ein Kind spielt ein Gesellschaftsspiel. Foto: dpa
Gesellschaftsspiele gewinnen zunehmend an Popularität, gerade unter Erwachsenen. Und Kinder lernen im Spiel Verhaltens- und Wahrnehmungsmuster, die ihnen im späteren Leben weiterhelfen. Sebastian Krüger fragte den Spiel- und Theaterpädagogen Ralf Brinkhoff, warum Kinder viel spielen sollten – und Erwachsene ebenso.

BZ: Herr Brinkhoff, warum spielen Menschen?
Brinkhoff: Ganz einfach. Spielen macht Spaß und hilft vielen Menschen, sich vom Alltag zu entspannen.

BZ: Und warum ist es wichtig, zu spielen?
Brinkhoff: Übers Spielen lernen Menschen. Das fängt im Kleinkindalter an, wenn Kinder Gegenstände in die Hand nehmen, Fantasien entwickeln und einen Bauklotz zum Auto umfunktionieren. Spielen fördert Konzentration und Kreativität. Aber im Spiel erlernt man auch den Umgang mit anderen Menschen.

Wie im realen Leben existieren auch im Spiel Regeln. Ralf Brinkhoff
BZ: Inwiefern?
Brinkhoff: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kinder, die viel spielen, sozial kompetenter und selbstsicherer in ihrem Auftreten und Handeln sind. Tendenziell grenzen sich Menschen, die als Kinder wenig gespielt haben, schneller aus, weil es ihnen schwerer fällt, Kontakte zu knüpfen und Empathie zu entwickeln. Wie im realen Leben existieren auch im Spiel Regeln. Einige müssen eingehalten werden, sonst funktioniert der Spielmechanismus nicht mehr, andere lassen sich abwandeln, wenn alle Beteiligten einverstanden sind. Das geht beim Kartenspiel Doppelkopf zum Beispiel gut.

BZ: Und wie sollen Eltern mit Kindern umgehen, die nicht gut verlieren können?
Brinkhoff: Wenn ein Kind das Spielbrett durch die Gegend wirft, weil es seine Gefühle nicht kontrollieren kann, ist es vielleicht nicht das richtige Spiel. Dann muss man aufhören oder später weiterspielen. Erleben Kinder zu viele Frustmomente, sind sie irgendwann traumatisiert und assoziieren mit Spielen generell etwas Negatives. Das wäre schade.

BZ: Sollten Eltern ihre Kinder also absichtlich gewinnen lassen?
Brinkhoff: Ab und an ist das in Ordnung, aber nicht zu oft. Denn: Verlieren will gelernt sein. Und Kinder können bei Spielen eine Frustrationstoleranz entwickeln, die ihnen auch in anderen Situationen des Lebens hilft. Es ist wichtig, dass Kinder verlieren, ohne zu denken, sie seien weniger wert als der Gewinner.

BZ: Aber Eltern sollten ihre Kinder nicht zwingen, ein bestimmtes Spiel zu spielen?
Brinkhoff: Nein. Auch sollten sie ihren Kindern nicht sagen, ein Spiel sei gut, weil sie dabei etwas lernen. Wichtiger ist, dass der Spielspaß im Vordergrund steht. Lerneffekte stellen sich dann automatisch ein. Und für Kinder, die sich mit dem Verlieren schwertun, bieten sich kooperative Spiele an, bei denen alle in einem Team spielen.

Keiner verliert, alle gewinnen zusammen. Ralf Brinkhoff
BZ: Warum liegen solche Spiele momentan im Trend?
Brinkhoff: Wegen der Herausforderung, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Im Kommen sind Escape Rooms [Räume, in denen eine Gruppe von Menschen Rätsel lösen muss, um den Ausgang zu finden; Anm. d. Red]. Auch hier messen sich die Spieler im Wettkampf um die besten Ideen. Aber der Vorteil ist: Keiner verliert, alle gewinnen zusammen.

BZ: Als Spielpädagoge animieren Sie Gruppen zum Spielen und befähigen Pädagogen als Spielleiter aufzutreten. Haben Sie auch schon eigene Spiele entwickelt?
Brinkhoff: Ja, vor allem Planspiele. Bei diesen müssen Spieler ihnen zugeschriebene Rollen einnehmen und dann über Themen wie Gewalt, Sucht oder Demokratie reflektieren. Ich habe unter anderem das Spiel ,Ungerecht – ein Experiment‘ konzipiert. Dabei teile ich Jugendliche in Clans ein und verteile Rollenkarten mit Normen und Werten, die einer bestimmten Gruppe wichtig sind. Die Aufgabe der Clanmitglieder ist es in Absprache mit den anderen Clans, neue Gesetze zum jeweiligen Thema zu verabschieden. In der Auswertung sieht man, dass die Jugendlichen über die Kommunikation im Spiel schnell in die Diskussion über die Zustände in der realen Welt kommen.

BZ: Haben Sie Tipps für Eltern, die nach einem geeigneten Spiel für einen Kindergeburtstag suchen?
Brinkhoff: Eltern sollen sich auf ihre eigene Kindheit besinnen. Das Prinzip, mit verbundenen Augen etwas zu ertasten, ist sehr alt, macht aber Kindern immer noch Spaß. Noch besser ist es aber, Kinder zu animieren, selbst ein Spiel, zum Beispiel eine Rallye zu entwickeln.
Ralf Brinkhoff (56) ist verheiratet und lebt im westfälischen Löhne. Er ist Mitglied im Netzwerk Spielpädagogik der Akademie der Kulturellen Bildung und freiberuflich als Spiel- und Theaterpädagoge sowie als Deeskalationstrainer tätig.

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