Schwimmen

Sommertraum in Grün: Naturbäder in der Region

Naturbäder sind die Biovarianten von Schwimmbädern – doch wie funktionieren sie eigentlich? Ein lehrreicher Besuch in der chlorfreien Zone. Dazu Tipps für die besten Naturbäder in der Region.  

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Jippieh! Zwei Jungs springen in die chlorfreien Fluten des Naturschwimmbades Sulz. Foto: christoph Breithaupt
Seit Wochen herrscht fast nonstop Badewetter. Auch das im Rheintal liegende Lahr glüht in diesem Juli in der Hitze – und den Bewohnern bleibt nichts anderes übrig, als sich ins Freibad zu retten. Zum Beispiel in das kleine Schwimmbad in Sulz, einem eingemeindeten Ort wenige Kilometer südlich der Lahrer Altstadt.

Die Drehtür noch, dann steht man schon mitten im Freibad. Alles riecht vertraut: Wiese, Pommes, Sonnencreme. Aber etwas fehlt – Chlor! Und das ist Absicht. Denn hier am Schwarzwaldrand liegt eines der ältesten Naturbäder des Landes. Statt mit Chlor wird das Wasser rein biologisch aufbereitet. Öko liegt im Trend: Immer mehr Deutsche wollen natürlich baden, ganz ohne Chemie. Deshalb boomen Biobäder. Doch wie funktionieren sie? Und ist eine chlorfreie Abkühlung nicht unhygienisch?

In Sulz plätschert neben der Schwimmzone noch ein zusätzliches Becken vor sich hin, in dem das Wasser aufbereitet wird. Schilf wächst dort, weiße und rote Seerosen treiben darin, am Boden ist Kies ausgebracht. Insgesamt zirkulieren etwa 2000 Kubikmeter Wasser im gesamten Kreislauf. Auf den ersten Blick sieht das Wasser in den Schwimmbecken aus wie immer. Schaut man jedoch genauer hin, erkennt man im Gegensatz zum konventionellen Bad einen deutlichen Grünstich. Wasserläufer sitzen auf der Oberfläche, auf dem Grund sieht man Kaulquappen flitzen. Eine größere Zahl an geschützten Erdkröten hat sich das Sulzer Bad als Laichplatz auserkoren.

Der Gemeinderat diskutiert bereits, sie in ein Ersatzgewässer umzusiedeln. Weil die Kröten auf dem Weg ins Bad überfahren werden – aber auch, weil sich erste Schwimmer beschwerten. So viel Natur ist nicht jedermanns Sache.

Die meisten Deutschen bevorzugen ohnehin das klassische Schwimmbad. Chlor ist sauber und gründlich. Für manchen Gast allerdings zu gründlich. "Menschen mit Neurodermitis oder Lungenproblemen kommen deshalb zu uns", sagt Fred Snella, zweiter Vorsitzender des eigens gegründeten Vereins des Sulzer Naturbads. Ein Ökobecken erfordert einen Mentalitätswandel – und macht richtig viel Arbeit. "Zu tun haben wir immer", sagt Snella.

Mühsamer Algenteppich

Je heißer der Sommer, desto mehr Arbeit kommt auf ihn und seine Vereinsfreunde zu. Denn erwärmt sich das Wasser schnell, sprießen auch schon die Algen. Nach wenigen Tagen ist das Wasser grün. Dann muss Snella den Algenteppich täglich abtragen, die Skimmer säubern und die Einstiege schrubben, damit kein Badegast ausrutscht. Chemikalien sind im Naturpool strikt verboten. Das Wasser muss biologisch und mit Filtern gereinigt werden. Vor vier Jahren wurde zusätzlich ein sogenannter Neptunfilter installiert, der wenige Meter vom Becken entfernt das Schmutzwasser ansaugt und durch Kalksplitt spült. Außerdem entfernt ein Sauger nach Badeschluss den Schmutz vom Beckengrund.

Täglich messen die Bademeister Wassertemperatur, Sauerstoffsättigung und pH-Wert. So soll die Temperatur die 25-Grad-Marke nicht oft übersteigen und darf nur wenige Tage auf maximal 28 Grad klettern. Denn wenn das Wasser zu warm ist, wird die Wasserpolizei bewegungsunfähig: kleine Wimpertierchen, Geißeltierchen und Ruderfußkrebse, die dazu beitragen, das Bad sauber zu halten.

Auch die Trübung des Wassers müssen die Bademeister im Blick behalten. Die Sichttiefe ist ein guter Indikator für die Wasserqualität: Zwei Meter muss man mindestens nach unten sehen können – der Grund des Beckens sollte immer zu erkennen sein. Wird das Wasser zu trüb, muss das Becken geschlossen werden. Wer gerne natürlich badet, den stören ein paar Algen sicher nicht. Trotzdem möchte niemand in einem Tümpel schwimmen.

Um das zu verhindern, wird das Beckenwasser mit Proben, die man 30 Zentimeter unterhalb der Wasseroberfläche entnimmt, Woche für Woche hygienisch überwacht. Einmal im Monat werden Nitrat, Phosphor und der Härtegrad überprüft.

In Lahr-Sulz funktioniert die Wasseraufbereitung – meistens. An Spitzentagen, wenn mehr als 500 Besucher kommen, hat das Bademeisterteam jedoch große Mühe, die Wasserqualität zu halten. Anfang Juli, während der ersten Hitzewelle in diesem Jahr, musste das Bad für einen Tag schließen. Die Wassertemperatur war auf 29 Grad gestiegen und die Zahl bestimmter Bakterien zu hoch. Diese Pseudomonaden können vor allem bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem Lungen- oder Nierenbeckenentzündungen verursachen. In normalen Sommern kommt das zumeist nicht vor.

Test auf Bakterien

Aber was ist in diesem Hitzesommer schon normal?

Jeder Badegast, der ins Biobecken springt, bringt Bakterien und Nährstoffe ins Wasser ein. Die belasten das Badewasser. "Um Krankheiten zu verhindern, wird das Wasser regelmäßig untersucht", sagt die Landschaftsarchitektin Ines Rohlfing von der Beuth-Hochschule für Technik in Berlin. Man testet das Wasser auf drei Bakteriengattungen: Kolibakterien, Enterokokken und eben jene Pseudomonaden. "Das Vorkommen dieser Bakterien zeigt an, ob Gesundheitsrisiken bestehen", sagt Rohlfing, die sich auf Naturbäder spezialisiert hat. Kolibakterien und Enterokokken, die im Darm des Menschen vorkommen, lösen selbst zwar nicht unbedingt Krankheiten aus. Doch wenn diese Bakterien gefunden werden, ist das ein Hinweis auf eine fäkale Verunreinigung.

In konventionellen Bädern wird das Wasser mit Chlor desinfiziert. Die Chemikalie reagiert mit Urin und Schweiß zu Chloraminen, die für den typischen Schwimmbadgeruch sorgen und mitunter rote, juckende Augen verursachen. Da sich gesundheitsschädliche Trihalogenmethane bilden, muss das Wasser regelmäßig ausgetauscht werden. In Deutschland sieht der Gesetzgeber 30 Liter pro Tag und Badegast vor. "Riecht man die Chlorverbindungen, stimmt etwas nicht mit der Aufbereitung", sagt Ines Rohlfing. Im Biobecken übernimmt die Natur selbst die Reinigungsaufgabe. Biologisch betrachtet ist das Becken nichts anderes als ein kleines, geschlossenes Ökosystem, das Lebensgemeinschaften bildet und sich selbständig regeneriert.

Nährstoffe müssen raus

Wichtig ist, dass das Biobad im Gleichgewicht bleibt und nicht umkippt. Laub und planschende Badegäste bringen jedoch sehr viele Nährstoffe in das Wasser und belasten das Ökosystem. Daher müssen die Nährstoffe wieder aus dem System entfernt werden. Und deshalb wälzen Pumpen das Schwimmteichwasser beständig durch einen biologischen Filter. Dort baut sich ein sogenannter Biofilm aus Bakterien, Pilzen und anderen Mikroorganismen auf, der dem Wasser Nährstoffe entzieht und Keime abtötet. Um die Nährstoffe schließlich ganz aus dem Bad zu bekommen, gibt es einen Trick: Der Bademeister stellt die Filterpumpe mehrere Tage lang ab. Dadurch bekommt der Biofilm nicht mehr genug Sauerstoff zum Leben – und löst sich zum Großteil im Filterwasser auf. Anschließend pumpt man das Wasser ab.

"Einfach ist die biologische Wasseraufbereitung nicht. Man kann viel falsch machen", sagt Franz Folghera vom Schweizerischen Verband für naturnahe Badegewässer und Pflanzenkläranlagen (SVBP). Folghera berät viele deutsche Naturbadbauer. Er ist überzeugt: "Eine positive Nährstoffbilanz ist das A und O im Schwimmteichbau." Nur so könne ein Naturbad funktionieren. Ein Wasserwechsel sei eigentlich nie nötig.

Experten unterscheiden zwischen stehenden und fließenden Gewässern. Stehende Gewässer wie das in Sulz benötigen viel Platz, nicht zuletzt für die Pflanzen. Da sie zudem schnell trüb werden, empfiehlt Franz Folghera, Naturbäder so zu bauen, dass sie ständig von Wasser durchströmt werden. Doch nicht nur bei der Anordnung und Wartung der Bäder können Probleme auftauchen – sondern auch beim Personal. "Wer als Bademeister jahrzehntelang einen gechlorten Pool betreut hat, wird wahnsinnig mit einem biologischen Pool", sagt Folghera.

Die Bedenken gegenüber zu viel Öko im öffentlichen Bad teilen auch viele Kommunalpolitiker. Öffentliche Bäder mit biologischer Wasseraufbereitung gibt es nur etwa 200 in Deutschland – von insgesamt 6000 Schwimmbädern. Und das, obwohl Naturschwimmbäder in der Anschaffung deutlich billiger sind als konventionelle Bäder. Auch die Betriebskosten liegen meistens niedriger. Doch für viele Badegäste gehört der Geruch von Chlor im Freibad einfach dazu.
Naturbäder in der Region

In Südbaden und der angrenzenden Schweiz gibt es mehrere Naturbäder. Im Hochschwarzwald lockt das Naturfreibad St. Märgen mit ungechlortem Wasser zum Baden auf 900 Meter Höhe. Das Bad entstand aus einem mit Quellwasser gespeisten Weiher, der Boden ist naturbelassen.
Auch das Naturschwimmbad in Sulzburg ist eigentlich ein Teich – und zusätzlich Amphibienschutzgebiet. Wegen dieser großen Naturnähe hat das Bad seit ein paar Jahren mit starkem Zerkarienbefall zu kämpfen. Bei empfindlichen Personen können diese Wasservogelparasiten Ausschlag auslösen.
Das Naturerlebnisbad MuRheNa in Murg entstand dagegen aus dem alten Rheinstrandbad, einem konventionellen Freibad, und bietet mehrere Becken mit Rutschen und Sprungfelsen.
Ganz neu im Reigen der ungechlorten Schwimmbäder ist das 2014 eröffnete Naturbad Riehen in der Schweiz mit 1000 Quadratmetern Badefläche.

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