Klo-Kultur
So unterschiedlich geht die Welt aufs Klo
Wellness in Japan, Papierkörbe in Russland – überall auf der Welt geht man anders mit dem menschlichen Bedürfnis um. Ein Überblick anlässlich des Welttoilettentags.
Do, 19. Nov 2015, 0:00 Uhr
Panorama
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Sitzt George Clooney auf einem Toto-Thron? Lässt sich Scarlett Johansson mit Nippons Hightech-Bidet verwöhnen? Brütet Mick Jagger gar seine Songs auf einem japanischen Kult-WC aus? Japans führender Sanitärhersteller Toto muss sich aus juristischen Gründen über seine prominente Kundschaft ausschweigen und darf nur so viel sagen: Fast alle Hollywoodstars, Rockmusiker und Top-Sportler, die in Tokio gastierten, sind begeistert von den Super-Toiletten. Ganz offiziell bekannte sich schon 2006 Tennisstar Roger Federer zu den Luxus-Technik-Klos.
Kaum ein ausländischer Japan-Besucher kann sich der Faszination dieser "Washlets" entziehen – das klassische Wasserklosett hochgerüstet zu einer Reinigungs-Gesundheits-Erlebniswelt. Allein die warme Brille ist purer Luxus, den man nie wieder missen möchte. Es ist einfach, ein solches Teil zu bedienen. Ein Druck auf den Knopf mit den Po-Backen über der Wasser-Fontaine und der Po wird warm und weich berieselt: Erst gesäubert, dann umspült. Ein Klick auf die Welle und ein Föhn trocknet die delikate Körperregion sanft und schonend.
In den meisten Hotels, Restaurants und Bürohochhäusern begrüßt ein High-Tech-Klo jeden Ankommenden, indem sich der Deckel per Infrarotschranke selbst öffnet. Nach dem Geschäft spült die Toilette automatisch. Die meisten Japaner klicken danach auf das Säuberungsmenü mit mindestens drei Funktionen. Wassermenge, Härtegrad, Rhythmus und Richtung der feuchten Massage sowie die Temperaturen können auf persönliches Wohlfühlniveau eingestellt werden.
Nippons Hightech-Toiletten sind Kultobjekte mit wachsenden Funktions- und Spaßfaktoren. Jüngste Kreationen ersetzen ganz nebenbei die Routineuntersuchung beim Arzt: Totos Top-Modell misst Blutdruck, Gewicht sowie Körperfettgehalt und analysiert den Urin.
Ingenieure arbeiten an "sprechenden Toiletten", die auf Kommando den Wasserdruck oder die Temperatur erhöhen. Im Tokioter Toto-Entwicklungslabor basteln die Techniker auch an kleineren Verbesserungen. Ein Polster im Rücken oder eine Armlehne am Klo für bequemeres Sitzen, Lesen und Aufstehen.
Ironischerweise sind alle Toiletten, die in Japan "westlich" heißen, so hochgestylt. Anders als die traditionellen japanischen Steh-Klos, die heute in modernen Gebäuden allerdings kaum mehr anzufinden sind.
Die Faszination für das "stille Örtchen" begann Ende der 1970er Jahre als Japaner von den in Asien üblichen Hocktoiletten zum Sitzen auf der Schüssel wechselten. Toto entwickelte auf der Basis eines Patents eines kleinen US-amerikanischen Spezialanbieters für behinderte Personen das populäre "Washlet", ein elektrisches Bidet, das 1980 auf den Markt kam.
Heute besitzen fast Dreiviertel aller japanischen Haushalte ein Hightech-Klosett, das Washlet zählt zur Standardausrüstung selbst in kleinsten Wohnungen. Dieses Faible führen Fachleute auf das Gesundheitsbewusstsein der Japaner und ihrer Aufgeschlossenheit für technischen Schnickschnack zurück. Aber vor allem auch auf den unverkrampften Umgang mit dem zutiefst menschlichen Thema. Neuerdings vergibt Japans Regierung den "Japan Toilet Award" für die modernsten, komfortabelsten und saubersten öffentlichen Toiletten.
Amerikaner und vor allem Chinesen finden massenhaft Gefallen an japanischen Spitzen-WCs. In Europa wird der Markt langsam erschlossen. Dort ist der aus japanischer Sicht seltsame Umstand, dass Toilette und Bad nicht getrennt sind, hinderlich. "Auf dem Klo sind die Europäer eher rückständig", heißt es bei Toto. Japaner schätzen das separate WC als "Oase der privaten Abgeschiedenheit". Nach Beobachtungen der Experten verbringen immer mehr Menschen "eine entspannende Zeit auf dem Klo, wo sie E-Mails beantworten, im Internet surfen oder auch ein Mittagsschläfchen halten." Hauptsache warm, feucht und intim, befindet Toto.
Der Fortschritt lässt sich in China gut an den Klos ablesen. Wer das Land in den 90er-Jahren bereiste, fand oft nur Löcher im Boden vor, rundherum alles siffig verschmiert.
Meist ohne Kabinen, die Bedürftigen mussten sich vor aller Augen hinhocken. Nicht alle Wohnungen hatten zudem eigene Waschräume. In den traditionellen Wohnvierteln gab es Gemeinschaftsklos für mehrere kleine Häuserblocks, in Apartmenthäusern fanden sich diese an den Treppenabsätzen.
Seitdem hat sich die chinesische Wirtschaft vervierfacht – und der Lebensstandard ist überproportional gestiegen. Die neuen Wohnungen haben eigene Toiletten, was sich positiv auf die öffentlichen Anstalten auswirkt. Auch westliche Klos zum Draufsetzen finden sich immer öfter – daneben meist die Mahnung, sich nicht mit den Schuhen auf die Brille zu hocken. Es fehlt bloß noch eins, bemerkte neulich der Schlagersänger Chen Sheng aus Taiwan: "Die Leute auf dem Festland müssen noch lernen, während ihres Geschäfts die Tür der Kabine zu schließen."
Immerhin – über einen Mangel an Lockerheit und Unbefangenheit kann sich keiner beklagen.
Dicht daneben ist auch vorbei. Das Problem russischer Toiletten ist nicht männliche Treffsicherheit beim kleinen Geschäft, sondern das Papier fürs Big Business. Hartnäckig hält sich im Land eine Mär aus Zeiten sowjetischer Mangelwirtschaft, als man sich mit Zeitungspapier behelfen musste: Papier führt zu Verstopfungen – in der Kanalisation. In öffentlichen Klos steht daher noch heute neben der Schüssel ein Korb, obwohl die corpi delicti inzwischen seidenweich sind.
Für ausländische Sensibelchen häufig ein Grund, um mit zusammengekniffenen Pobacken bis zum eigenen Hotelzimmer zu flüchten.
Noch gewöhnungsbedürftiger für Gäste sind die in der Provinz noch recht häufigen Drei-Loch-Golfplätze: Zwei flache Vertiefungen im Boden für die Füße, eine für das Geschäft in der Hocke.
Schwedens Toilettenwelt ist vor allem auf ihre luxuriöse öffentliche Variante stolz. Während man sich in deutschen Ämtern, Schulen oder Restaurants in enge aneinandergereihte Kabinen quetscht, bietet Schweden jedem Stuhlgänger ein eigenes abschließbares Zimmerchen mit vier richtigen Wänden. Darin befinden sich neben dem Toilettenstuhl auch Waschbecken, Handtrockner, Abfalleimer und, ganz wichtig für die eitlen Schweden, ein Spiegel. Alles ist an seinem Platz und die ordentlichen Schweden schalten stets das Licht in der Toilette aus, wenn sie den Raum verlassen.
Diese Luxuslösung ist in Schweden, das stets das Gefühl vermittelt, es gebe viel Platz, ideal. Auf diese Weise läuft niemand Gefahr, neben dem Chef Wand an Wand zu sitzen.
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