Sinn und Unsinn der Adventskalender
Ursprünglich sollte Kindern die Wartezeit bis Heiligabend versüßt werden / Heute macht der Handel das große Geschäft.
Helen Hoffmann
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BERLIN. 24 Türchen bis Weihnachten – ein Adventskalender gehört für viele Menschen fest zur Vorweihnachtszeit. Doch mit Besinnlichkeit oder christlichen Werten haben viele Kalender heute nichts mehr zu tun. Wer durch eine Innenstadt bummelt, kommt an unzähligen Exemplaren vorbei. Sie liegen im Kaufhaus und Supermarkt, in der Drogerie, Buchhandlung, Parfümerie und im Baumarkt. Für jede Altersklasse und jeden Geschmack gibt es ein buntes Angebot.
Auch wenn sich Aufmachung und Inhalt drastisch gewandelt haben – die Idee ist die gleiche wie vor rund 150 Jahren: Der Kalender soll die Wartezeit bis Weihnachten angenehm gestalten und die Vorfreude erhöhen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts erstellten Menschen sogenannte Adventszeitmesser in Form von kleinen Abrisskalendern oder Kreidestrichtafeln. Manche stellten markierte Kerzen auf, die jeden Tag ein kleines Stück herunterbrannten. Der erste gedruckte Adventskalender kam um das Jahr 1902 auf den Markt, die ersten Kalender mit Türchen gab es wahrscheinlich um das Jahr 1920. Einige Jahre später folgten mit Schokolade gefüllte Kalender.
Inzwischen sind Adventskalender zu einem großen Geschäft geworden, es gibt kaum ein großes Unternehmen, das keinen anbietet. Der Direktor des Instituts für Marketing und Management an der Leibniz-Universität Hannover, Klaus-Peter Wiedmann, sieht diese Kommerzialisierung kritisch. "Alle haben das Gefühl, sie müssten dabei sein", sagt er mit Blick auf die Industrie und Verbraucher. "Es wird immer mehr." Für die Gesellschaft sei das nicht unbedingt gut. "Die Frage ist, ob die Wertemuster dadurch negativ beeinflusst werden", sagt Wiedmann. Viele Schenkende hätten das Gefühl, immer mehr schenken zu müssen, viele Beschenkte den Wunsch, immer mehr zu bekommen. "Der Ursprung des Advents ist eigentlich etwas anderes." Ihm zufolge können gekaufte Geschenke zwar Freude bereiten, die positiven Gefühle halten in der Regel aber nicht lange an. "Erlebnisse, die nicht nur materiell sind, werden viel nachhaltiger empfunden", sagt Wiedmann. Ein gutes, gemeinschaftliches Zusammensein kann demnach länger positiv wirken als ein schnell ausgepacktes Geschenk.
Die Verbraucherzentrale in Bremen hat weitere Kritikpunkte. Sie verweist darauf, dass die Menschen bei Adventskalendern viel Geld für die Verpackung zahlen, also für etwas, das im Müll landet. Der Preis pro 100 Gramm für die Schokolade im Kalender sei zum Beispiel oft doppelt so hoch wie der Preis einer 100-Gramm-Tafel. Oft sei der Inhalt des Kalenders mehrfach verpackt. "Es bleibt eine große Menge Plastik übrig", sagt Annabel Dierks. Kritisch sieht die Verbraucherzentrale auch, dass manche Produkte mit kindlichen Motiven Alkohol enthalten, ohne dass es eine deutliche Kennzeichnung gibt. Die Referentin für Lebensmittel und Ernährung, Sonja Pannenbecker, rät deshalb zu selbstbefüllten Kalendern.
Das Umweltbundesamt verweist darauf, dass der Verpackungsverbrauch in Deutschland seit Jahren ansteigt – mit negativen Folgen für die Umwelt und den Rohstoffverbrauch. Auch in der Weihnachtszeit sei es möglich, verpackungsfreie Produkte oder wiederverwendbare Verpackungen zu benutzen, so Sina Kummer. Adventskalender zum Wiederverwenden seien eine gute Alternative. Ganz ohne Verpackung kommen "lebendige" Adventskalender aus. Menschen treffen sich vom 1. bis zum 24. Dezember täglich an einem anderen Ort. Sie singen, hören Geschichten und trinken ein warmes Getränk.
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