Testlauf
"Schwul oder was?" Sexuelle Vielfalt im Unterricht
Schulen, die den neuen Bildungsplan testen, behandeln das Thema sexuelle Vielfalt unaufgeregt. Das zeigt ein Blick nach Marbach, wo das Thema Homosexualität im Stundenplan steht.
Stefanie Järkel
Mi, 22. Jul 2015, 0:00 Uhr
Südwest
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"Schwul oder was?" heißt das Motto der Stunde. Es geht um Toleranz – und um ihre Grenzen. Stadtfeld unterrichtet nach dem Unterrichtskonzept der Zukunft. Das Friedrich-Schiller-Gymnasium ist eine von 95 Schulen, die den neuen Bildungsplan 2016 erproben. Darin geht es auch um die Umsetzung der Leitperspektive "Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt". In einem Arbeitspapier hatte sich das Kultusministerium ursprünglich auf das Thema sexuelle Vielfalt konzentriert. Nach scharfen Protesten aus konservativen Kreisen öffnete es den Begriff. Kritiker befürchten trotzdem eine Überforderung ihrer Kinder.
"Wir haben uns bemüht, das Thema so zu verankern, dass die Dinge von fachlicher Seite gut aufgehoben sind und auch altersgemäß", sagt der zuständige Fachbereichsleiter am Landesinstitut für Schulentwicklung, Peter Grotz. "In jüngster Zeit haben wir eine ganze Reihe von Rückmeldungen von den Erprobungsschulen bekommen, die uns sagen, es ist okay so."
Das Marbacher Gymnasium mit seinen 2350 Schülern ist nicht nur die größte allgemeinbildende Schule in Baden-Württemberg, sondern testet auch den Bildungsplan für das Gymnasium am umfangreichsten – in 16 Fächern. Trotzdem gab es auch vonseiten der Elternschaft keine Kritik, heißt es vom Elternbeirat. Der Schulleiter und katholische Theologe Christof Martin sagt über die Debatte: "Ich fand es aus schulischer Sicht etwas überdreht."
Grotz vom Landesinstitut für Schulentwicklung betont, dass sich inhaltlich für die Lehrer nicht so viel ändere. So bleibe etwa der Sexualkundeunterricht im gleichen Umfang in der 7. Klasse erhalten. Neu für Lehrer Stadtfeld ist nun, dass er den Bogen zur Frage der Akzeptanz und Toleranz schlägt. Der Lehrer fragt die Jungen, woher ihre Ablehnung gegenüber Schwulen kommt. Die Antworten: soziale Prägung, Geschlechterrollen, persönliche Einstellung. Er bespricht mit ihnen, was "normal" heißt: "wie ich", "wie die Mehrheit", "gewöhnlich", sagen sie.
Schüler der Schule sehen den Unterricht zum Thema sexuelle Vielfalt positiv. "Ich kann nicht nachvollziehen, dass sich jemand überfordert fühlen könnte", sagt die 17-jährige Hannah Huber. Fragen zur Sexualität würden sich in dem Alter automatisch ergeben."Da bekomme ich die Antworten doch lieber von jemandem Kompetenten." Alternativ würde sie bei Freunden nachfragen oder im Internet schauen. Und die Eltern? "Diese Aufklärungsgespräche will man mit den Eltern einfach überhaupt nicht führen", sagt ihre Mitschülerin Alina Troniarsky.
Die Gegner kritisieren, dass Schulen unterschiedliche sexuelle Orientierungen als gleichwertig darstellten. "Das berührt die Werteerziehung durch die Eltern und die Intimität der Kinder", sagt Hedwig von Beverfoerde von der Initiative Familienschutz. "Wir haben eine ganz klare Präferenz für Ehe und Familie." Stadtfeld will am Ende der Stunde wissen, warum für homosexuelle Jugendliche das Leben schwerer sein könnte. Die Antworten kommen schnell: "weil sie gemobbt werden", "weil sie von der Familie ausgestoßen werden". Der Lehrer stellt dem vier Stufen der Toleranz gegenüber, von Duldung über rechtliche Anerkennung bis zur Wertschätzung. In den nächsten Stunden will er über Religionen und Nationalitäten reden – über weitere Formen der Vielfalt.
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