Brasilien
Rio feiert seinen Karneval - aber der Bürgermeister kam nicht
Rios religiöses Stadtoberhaupt blieb dem Karneval fern.
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RIO DE JANEIRO (AFP). Millionen Menschen in phantasievollen, bunten Kostümen haben am Wochenende in Brasilien Straßenkarneval gefeiert. Von Recife im Nordosten bis Rio de Janeiro oder São Paulo im Südosten setzte am Samstagmorgen der Taumel ein. Doch einer kam nicht: Rios Bürgermeister ist streng religiös. Der Karneval ist ihm einfach zu freizügig. Brasiliens Urbevölkerung nutzte die Paraden, um vor der Zerstörung der Umwelt zu warnen.
Die Karnevalsfeierlichkeiten in der Millionenstadt hatten am Freitagabend aber mit einem Eklat begonnen: Rios neuer streng religiöser Bürgermeister Marcelo Crivella tauchte nicht auf, um dem Sinnbild des Karnevals, König Momo, für fünf Tage bis Aschermittwoch symbolisch den Schlüssel der Stadt zu übergeben.
Veranstalter in weißer Sambakleidung, Stelzenläufer und die städtische Blaskapelle warteten zweieinhalb Stunden vergeblich auf das Stadtoberhaupt. "Wo ist Crivella?", riefen einige der 70 000 Zuschauer im Stadion. Schließlich erschien die Kulturbeauftragte der Stadt, Nilcemar Nogueira, zur symbolischen Schlüsselübergabe. Das Fernbleiben des Bürgermeisters entschuldigte sie damit, dass dieser sich um seine kranke Frau kümmern müsse. Crivella ist Bischof der evangelikalen Universalkirche des Königreichs Gottes. Dem Karneval steht er skeptisch gegenüber.
König Momo eröffnet in Rio traditionell auch den Höhepunkt der Karnevalsfeiern, die farbenfrohe und aufwändige Parade der besten Samba-Schulen am Sonntag und Montag im sogenannten Sambodrom, einer Tribünenstraße, die den Sambaschulen zum Defilieren dient. Anders als die Parade stehen die Straßenpartys, die sogenannten Blocos, allen offen.
In Recife, der Hauptstadt des Bundesstaats Pernambuco, strömten zum Umzug des Hahns des Morgengrauens laut brasilianischer Presse fast zwei Millionen Menschen.
Auch der Karneval der Küstenstadt Salvador de Bahía, nach São Paulo und Rio de Janeiro Brasiliens drittgrößte Stadt und Zentrum der afrobrasilianischen Kultur, erwies sich wieder als Publikumsmagnet. Die Stadt kann wie Recife und Olinda in Pernambuco weder mit einem Sambodrom noch mit einem Defilee von Sambaschulen aufwarten, doch Salvadors bunter Straßenkarneval ist legendär.
In der Megametropole São Paulo feierten mehr als eine Million Menschen Straßenkarneval. Knappe Kostüme mit viel Haut bei den Frauen, nackte Oberkörper bei den Männern, viel Federschmuck, Masken, falsche Freddy Mercurys, goldene Kronen – das Publikum kam auf seine Kosten.
Für 2017 waren in Rio de Janeiro 452 Umzüge angemeldet, 2016 waren es noch mehr als 500. Brasilien leidet an einer Wirtschaftskrise, die sich auch im Karneval niederschlägt.
Brasiliens Ureinwohner nutzten die Tage, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen, der Zerstörung der Umwelt in ihren Schutzgebieten und Regenwaldflächen Einhalt zu gebieten. Einer ihrer Sprecher, der 86-jährige Raoni Metuktire warnte in Rio vor dem Belo-Monte-Staudammprojekt am Fluss Xingú im nordbrasilianischen Bundesstaat Pará. Der Sprecher, der seine Rede in seiner indigenen Muttersprache hielt, und von seinem Enkel übersetzt wurde, dankte zugleich der Sambaschule Imperatriz Leopoldinense, die dieses Jahr eine Parade zur Bedrohung des Amazonaswalds und seiner Völker präsentierte. Mit Belo Monte soll der drittgrößten Staudamm der Welt entstehen. Ureinwohner und Umweltaktivisten laufen seit langem Sturm gegen das Projekt. Die in unmittelbarer Nachbarschaft lebenden indianischen Volker fürchten um ihre traditionelle Lebensweise, Umweltschützer warnen vor Kahlschlag und irreparablen Schäden am Ökosystem.
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