Reformdebatte
Pro und Contra: Soll ab 16 Jahren gewählt werden dürfen?
Soll das Wahlalter auf Bundesebene herunter gesetzt werden, sodass schon 16-Jährige ihre Stimme abgeben können? Was spricht dafür, was dagegen? Antworten in unserem Pro und Contra.
Katharina Meyer (Pro), Verena Pichler (Contra)
Fr, 20. Sep 2013, 0:00 Uhr
Deutschland
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Die CDU ist stärkste Partei, die FDP fliegt knapp aus dem Deutschen Bundestag, so dass SPD und Grüne an die Macht kommen. Die Piraten schneiden mit zwölf Prozent gut ab, auch die Linke schafft die Fünf-Prozent-Hürde. Klingt das verantwortungslos, rabiat, getragen von politischer Ignoranz? Eigentlich nicht.
So würde der nächste Bundestag aussehen – wenn alleine die Jugend ihn wählen würde. Es ist das Ergebnis der U-18-Wahl, die am vergangenen Freitag stattgefunden hat. 177000 Kinder und Jugendliche haben dabei ihre Stimme abgegeben – obwohl sie damit nichts bewegen können.
Jugendliche sollten aber etwas bewegen können, je mehr desto besser. Es wird deshalb höchste Zeit, das Wahlalter auf Bundesebene abzusenken, in einem ersten Schritt auf 16 Jahre. In vielen Bundesländern dürfen Jugendliche in diesem Alter schon mitbestimmen – allerdings nur, wenn es um Entscheidungen in Städten und Gemeinden geht. Weshalb sie diese besser im Blick haben sollen als die Bundespolitik, die gerade in Wahlkampfzeiten in allen Medien – vor allem auch Online – groß gespielt wird, ist nicht nachvollziehbar.
Viele Jugendliche entscheiden sich mit 16 Jahren für eine Lehre, einige fangen mittlerweile schon mit 17 Jahren ein Studium an. Warum sollten sie nicht auch eine vernünftige Wahlentscheidung treffen können?
Die Jugend sollte nicht zuletzt deshalb eine Stimme haben, weil sie immer mehr zur Minderheit in der Gesellschaft wird. Bei der Bundestagswahl im Jahr 2009 stellte die Gruppe "60 plus" doppelt so viele Wahlberechtigte wie die "Unter-30". Die Anliegen der Jüngeren drohen deshalb, im politischen Prozess unterzugehen. Gut also, wenn die Jugend frühzeitig ihre Stimme erheben – und auch an der Urne abgeben kann.
Es stimmt: Viele Jugendliche fühlen sich über die Parteien nicht genug informiert, nicht wenige sehen deshalb selbst das frühe Wahlalter skeptisch. Umso besser also, wenn sie bei ihrer ersten Wahl noch zur Schule gehen – und die politische Bildung dort an Praxisrelevanz gewinnt. Und wenn ein Jugendlicher partout keinen Bock auf eine Wahl hat – dann bleibt er eben fern. Genauso wie ein politikverdrossener Rentner.
Mehr Mitspracherecht für Kinder und Jugendliche? Absolut. Politische Teilhabe am gesellschaftlichen Geschehen auch für unter 18-Jährige? Klar. Wer aber glaubt, die Jugendlichen seien deshalb so (politik)verdrossen, weil sie erst mit 18 Jahren wählen dürfen, macht es sich zu einfach. Denn nur weil ein 16-Jähriger auf einem Wahlzettel zwei Kreuzchen machen darf, hat er noch lange nicht das Gefühl, in einem Land zu leben, dass ihn ernst nimmt und in dem er mitbestimmen kann. Der Anteil der Erstwähler an Bundestagswahlen sinkt kontinuierlich – ein weiterer Beleg dafür, dass der Stimmzettel allein nicht reicht, um gerade junge Menschen für Demokratie zu begeistern.
Demokratie ist nicht bloß wählen gehen. Demokratie ist mitmachen können. Aber eben auch wollen. Es ist noch gar nicht lange her, da wählten die Singener ihren neuen Bürgermeister, zum ersten Mal durften auch Jugendliche ab 16 wählen gehen – 37 Prozent taten es. Wie aber sollen Jugendliche, die nicht mal für ihre Kleinstadt eine Wahl treffen wollten, obwohl ihr Leben sich genau da abspielt, eine Wahl treffen für ein ganzes Land? Dazu fehlt ihnen nicht nur die politische Reife – sondern auch der Mut. Und Mutlosigkeit und Verunsicherungen führen im schlimmsten Fall zu genau der Politikverdrossenheit, die in Deutschland bei vielen Erwachsenen spürbar ist. Und noch eine Generation von Nichtwählern heranzuzüchten, kann nicht der Wunsch sein.
SPD, Grüne und Linke fordern, dass unter 18-Jährige wählen dürfen, dabei leiden ihre eigenen Jugendorganisationen an Mitgliederschwund: 1973 engagierten sich etwa 300 000 junge Menschen bei den Jusos, 40 Jahre später sind es knapp 50 000. Die Gründe dafür sind sicher vielfältig, aber einer ist die Unfähigkeit, politische Themen zu vermitteln – in einer einfachen, klaren Sprache, die jeder versteht. Wenn beispielsweise beim Thema Atomausstieg die Rede von Verantwortung für die kommenden Generationen ist – fühlt sich da eine 16-Jährige angesprochen? Kaum. Diejenigen, die sich lautstark für eine Herabsetzung des Wahlalters stark machen, sollten sich erstmal dafür einsetzen, dass Politik verstanden wird und Jugendliche Demokratie als ein Gefühl wahrnehmen – und nicht als theoretische, leblose Staatsform.
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