Privates wird öffentlich
Studierende öffnen für eine Woche ihre künstlerisch veränderten Wohnungen zur Besichtigung.
Fiona Hesse
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Neun Studierende der Hochschule für Kunst, Design und Populäre Musik Freiburg (hKDM) und der Außenstelle der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe haben genau das getan und sich gegenseitig ihre Zimmer für die Kunst zur Verfügung gestellt. In dem Ausstellungsrundgang "Neighborhoodwatch" nutzt jede und jeder eine Woche lang ein anderes Zimmer durch künstlerische Intervention. Der Titel erinnert an die nicht unumstrittene Nachbarschaftswache, die einen schmalen Grat zwischen Nachbarschaftspflege und -kontrolle beschreitet.
Die von Nils Weiligmann und Konstantin Friedrich ursprünglich klein angedachte Aktion unter Freunden ist unversehens groß und öffentlich geworden. Es kamen nicht nur weitere Künstler und Wohnungen hinzu, auch die Orte für die Interventionen wurden erweitert, sodass nun auch Badezimmer, Küche und Flur mit einbezogen wurden. Zudem konnten sie die Ganter Brauerei und das Kulturamt als Unterstützer gewinnen.
Im Mittelpunkt stehen die Nutzungsmöglichkeiten von Räumen. Wo arbeitet man als junger Künstler? Worüber definiert sich ein Ausstellungsraum? Wie arbeitet man in einem privaten Raum? Und wo zeigt man seine Kunst der Öffentlichkeit? Freiburgs alternative Kunsträume sind rar; barcelona, plan b oder der Milz Ausstellungsraum schon wieder Geschichte. So war der Ursprungsgedanke der Eigeninitiative vor allem, eine unabhängige Plattform zu schaffen, um zu experimentieren und ohne Vorgaben gestalten zu können. Was liegt da näher, als die eigenen Wohnungen, die eigenen Zimmer zum Pop-Up-Off-Space zu machen?
Der Rundgang der Wohnungsausstellung beginnt in der Basler Str. 60, wo die Koreanerin Bo Youn Ryu mit ihrer Stoffinstallation das Äußere mit dem Inneren vertauscht und das Private nach außen kehrt. Andreea-Sorina Kochs Intervention in der Merzhauser Str. 2 fordert die Toleranz der Bewohner schon stärker heraus. Als Folge ihrer Farbdusche ist die reale Dusche für die Dauer der Ausstellung nutzlos – eine großartige Möglichkeit zur Nachbarschaftshilfe. In derselben Wohnung zeigt Sanna Reitz eine Installation aus 63 farbigen T-Shirts. Für jeden der neun teilnehmenden Künstler hängt dort für jeden der sieben Ausstellungstage ein neues T-Shirt.
Konstantin Friedrich hat ein Zimmer in der Fuchsstraße 21 okkupiert. Inspiriert von Farben, die er im Raum wahrnahm, hat er die Wände großzügig mit geometrischen Farbflächen versehen. Je nach Tageszeit und Lichtverhältnissen werden Glastisch und Fenster durch ihre spiegelnden Oberflächen in die Installation einbezogen. In der Erwinstraße 102 hat sich Naomi Bosch nicht nur auf ein Zimmer beschränkt, sondern nutzt für ihre großformatigen Bilder auch den Flur. Sind die Besucher bei allen Zimmern dazu angehalten, die Kunst von der Originaleinrichtung zu unterscheiden, wird es hier am schwersten fallen. So stark wie bei keiner der anderen Positionen vermischt sich Privates mit Kunst, ist der Respekt vor der Intimsphäre des Zimmerbewohners dem Voyeurismus der Besucher ausgeliefert.
Die letzte Kunststation auf dem Rundgang ist die Dreikönigstraße 45, der Ort der Abschlussparty. In der Küche hat sich Eduard Dick zu schaffen gemacht. Große gelbe Platten laden dazu ein, sich darauf zu verewigen. Die interaktive Arbeit versteht sich als Kontaktstelle zwischen Nachbarn, ähnlich wie es bei der Paketzustellung mitunter geschieht. Nils Weiligmann lässt die Besucher bereits beim Eingang mit der Kunst in Berührung kommen. Man muss sich der Kunst quasi aufdrängen und sie beiseiteschieben, um das Zimmer betreten zu können. Auch Florian Thate hat sich seinen Raum großzügig erschlossen, das Bett verrückt und die Wand erobert. Seine auf dem Boden ausgebreiteten, teilweise mit Graphit bedeckten Zeitungen könnten auf den ersten Blick auch die zerknüllte Bettdecke sein. Im letzten Zimmer vor der Kellerparty hat sich Manuel van der Veen der Wände angenommen und sie mit Posterarbeiten gefüllt.
Das eigene Zimmer einem Freund zur Verfügung zu stellen, ist eine Sache – das Zimmer der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, eine ganz andere. Die jungen Künstler vertrauen hier auf den Respekt vor der Privatsphäre und der eigenen Schmerzgrenze. Ihr Engagement ist eine große Bereicherung für Freiburgs heimlich pulsierende Kunstszene.
– Vernissage: am heutigen 17. April um 18 Uhr. Wer die Räume bis zum 24. April besuchen möchte, muss sich unter [email protected] anmelden. Basler Straße 60 (Dick/Dürr/Daub); Merzhauser Straße 2 (Wohnung 15); Fuchsstraße 21 (Zerpis); Erwinstraße 102 ( van der Veen); Dreikönigstr. 45 ( DG Zimmer 25–30).