"Politik ohne Macht funktioniert nicht"

Jonas Hoffmann (39) ist gelernter Informatiker und seit 2016 für die SPD aktiv. Seit 2021 ist er zudem Abgeordneter im Landtag Baden Württemberg. Im Interview gibt er einen Einblick in den Beruf eines Politikers.  

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Emira Mehmeti traf den SPD-Politiker Jonas Hoffmann zum Interview.  | Foto: privat
Emira Mehmeti traf den SPD-Politiker Jonas Hoffmann zum Interview. Foto: privat
BZ: Herr Hoffmann, was hat Sie dazu bewegt, in die Politik einzusteigen und warum in die SPD?
Der ausschlaggebende Punkt war die Landtagswahl 2016, als die AfD zum ersten Mal stärker war als die SPD. Das hat mich geärgert und dadurch entstand die Motivation, mich politisch zu engagieren. Begonnen habe ich anschließend als Kassierer im Ortsverein, wo ich mich ehrenamtlich engagierte. Dass ich jemals beruflich in die Politik gehe, hätte ich niemals gedacht. Für die SPD habe ich mich entschieden, weil ich noch nie ein extremer Mensch gewesen bin, weshalb die extremen Parteien für mich nicht in Frage kamen. Für mich waren folgende Punkte sehr wichtig: Zum einen die Wirtschaftspolitik, denn ich glaube nicht, dass der freie Markt die Probleme von alleine lösen kann und dass es Menschen braucht, die Lösungen suchen. Zum anderen der soziale Zusammenhalt, der mir sehr wichtig ist.

BZ: Wie sehr unterscheidet sich der Arbeitsalltag als Politiker von dem als normaler Arbeitnehmer? Und wie sieht ein normaler Arbeitstag bei Ihnen aus?
Die Unterschiede sind sehr groß. Zuvor habe ich in Basel gearbeitet, wohin ich morgens zur Arbeit bin und abends bis 18 Uhr wieder zuhause war. Irgendwann habe ich nur noch 80 Prozent gearbeitet, damit ich meine Ehrenämter machen konnte, was mir schon immer sehr wichtig war.

Als Abgeordneter bin ich montags in Lörrach, um interne Arbeiten zu erledigen, interne Meetings, Absprachen mit dem Team, und um mich für die Woche vorzubereiten. Dienstags fahre ich früh nach Stuttgart für Fraktionssitzungen. Mittwoch und Donnerstag sind die Ausschüsse oder Plenarsitzungen, weshalb ich donnerstags gegen 23 Uhr nach Hause komme. Am Freitag bin ich wieder vor Ort unterwegs und stehe für Termine zur Verfügung, wie zum Beispiel Besuche beim Bürgermeister oder auch Schulbesuche. Während ich auch samstags viel unterwegs bin, versuche ich, mir den Sonntag freizuhalten.

BZ: Als Politiker sind Sie eine Person der Öffentlichkeit und auch oft in den Medien. Wie schwer ist es, das mit dem Privatleben in Einklang zu bringen?
Ich glaube, wenn man es ganz trennen würde, würde es überhaupt nicht funktionieren. Für mich waren immer drei Lebensbereiche wichtig, Familie und Freunde, Ehrenamt und Arbeit. Diese sind bei mir schon als IT-ler ineinander gerutscht, weshalb ich nie streng versucht habe, Arbeit und Privatleben voneinander zu trennen. Heute als Abgeordneter ist es komplett ineinander übergegangen. Selbst wenn ich mich mit Freunden treffe, ist Politik ein Thema, über das wir uns unterhalten. Aber auch bei politischen Terminen trifft man Menschen, mit denen man private Gespräche führt. Deswegen versuche ich das, so gut es geht, ineinandergleiten zu lassen. Aber auch das hat Grenzen und ist nicht immer einfach.

BZ: Was sind Ihre persönlichen Ziele und welche politischen Themen sind Ihnen ein besonderes Anliegen?
Mein Fachbereich IT, in dem ich 20 Jahre gearbeitet habe, ist mir ein besonderes Anliegen. Daher ist es mir sehr wichtig, dass wir eine gute digitale Infrastruktur haben. Dabei steht beispielsweise Glasfaser besonders im Fokus. Ein weiteres Thema sind Gerechtigkeitsfragen. Leider ist es in Deutschland so, dass zirka 80 Prozent der Kinder, die aus einem Akademikerhaushalt kommen, auch Abitur machen. So machen aber 80 Prozent der Kinder, die nicht aus einem Akademikerhaushalt kommen, kein Abitur. In dem Bereich ist es mir sehr wichtig, etwas zu verändern, da das nicht mit der Leistung der Kinder zusammenhängt.

In der Politik geht es auch viel um Steuern. Bei der Einkommenssteuer sind wir in Deutschland gerecht, bei der Vermögensbesteuerung jedoch sind wir ungerecht. Es gibt kein Land auf der Welt, in dem es sich als Milliardär so angenehm leben lässt wie in Deutschland und wo man so wenig Steuern zahlt.

BZ: Demnächst haben wir in Deutschland vorgezogene Neuwahlen im Bundestag. Was ist Ihre Meinung dazu, dass Olaf Scholz erneut kandiert – trotz deutlich schlechterer Umfragewerte als Boris Pistorius?
Mich hat die Debatte darüber geärgert und vor allem, dass sie so lange andauerte. Zudem ist der Job, den Olaf Scholz die letzten Jahre gemacht hat, deutlich besser gewesen, als man ihm jetzt zusagt. Er hat viele Entscheidungen treffen müssen, die schwierig waren und die die Leute auch enttäuscht haben. Vor allem für die ganz großen Entscheidungen rund um den Ukraine-Krieg und die Energiekrise trägt er die Verantwortung.

Nun geht der Wahlkampf erst mal los und es werden sich viele damit auseinandersetzen, wie gut oder schlecht die Leistung von Olaf Scholz war oder ist. Wenn man sich die Beliebtheitswerte über die letzten zehn Jahre der Politiker anschaut, sieht man, wie schnell sich diese auch ändern können. Ich halte sehr viel von Boris Pistorius, aber das Ergebnis ist so auch okay. Es wird jetzt ein bisschen anstrengend, das alles zu vermitteln, aber dafür ist Wahlkampf da.

BZ: Vor kurzem wurde in Rumänien vom Verfassungsgericht die Präsidentenwahl für ungültig erklärt, weil es massiven Einfluss von außen gegeben haben soll. Insbesondere TikTok steht hier im Blickpunkt. Wie wichtig ist Social Media in Ihren Augen und wie schützt man sich vor einer solchen Einflussnahme von außen?
Social Media ist heute aus der Politik nicht mehr wegzudenken, was ich schwierig finde, weil diese Plattformen nicht damit angefangen haben, politische Kommunikation zu machen. Bei TikTok ist es so, dass gerade rechte Kanäle den Meinungskorridor fast beherrschen. Es gibt viele, die versuchen, dagegen zu halten, was schwierig ist. Ein großes Problem ist auch, dass viele falsche Fakten im Internet im Umlauf sind. Bei TikTok wird etwas in die Kamera gesagt, ob man das dann glaubt oder nicht, bleibt einem selber überlassen. Und das verändert, wie über Politik diskutiert wird. Ein anderer Aspekt ist, dass man sich bis vor zehn Jahren aktiv politisch informieren musste, über die Tagesschau, die Zeitung oder man musste aktiv Onlinenachrichtenseiten anklicken. Heute passiert das alles passiv. Die wenigsten jungen Menschen sind auf TikTok, mit dem Ziel sich politisch zu informieren. Doch dann taucht ein politisches Video auf, das man sich anguckt. Das verändert die Art und Weise, wie über Politik diskutiert wird massiv. Der Algorithmus hinter TikTok ist nicht transparent, es gibt Anzeichen dafür, dass TikTok die Inhalte pusht und weitergibt anhand persönlicher Wertvorstellungen.

Es ist auch zunehmend bewiesen, dass radikale und staatskritische Inhalte eine deutlich höhere Reichweite haben, weshalb ich der Meinung bin, dass es da Maßnahmen benötigt. Wichtig wäre, eine Klarnamenpflicht für die Personen, die sich politisch äußern. Schließlich gibt es bei Social Media viele Accounts mit politischen Äußerungen, die KI-gesteuert sind. Daher sollte man aufpassen, wem man im Internet glaubt.

BZ: Was halten Sie von Jugendpolitik?
Ich finde es sehr wichtig, dass junge Menschen sich politisch engagieren. Das hat mir auch geholfen, der letzten Wahlrechtsreform zuzustimmen, womit jetzt auch 16-Jährige in Baden-Württemberg wählen dürfen und auch selber in den Gemeinderat und Kreistag gehen können. Zudem finde ich es sehr gut, Jugendparlamente und Jugendräte aufzubauen, weil man dort viel lernt. Es gibt viele, die heute politische Verantwortung tragen, die dort angefangen haben und das Handwerk gelernt haben. Schwierig finde ich jedoch, dass solche Jugendgremien keine echte Macht haben, denn Politik ohne Macht funktioniert nicht. Da finde ich zum Beispiel die Lösung gut, dass der Jugendrat oder das Jugendparlament als beratender Ausschuss wirklich fungieren und auch über das Geld entscheiden kann, welches im Jugendbereich investiert wird. Wenn man über Geld diskutiert, wird Politik richtig spannend.

Schlagworte: Olaf Scholz, Boris Pistorius, Jonas Hoffmann
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