"Plötzlich stand ich auf der Bühne"
JUZ-INTERVIEW mit dem Slam-Poeten Jaromir Konecny, der bei der zweiten After-School-Party seine besten Texte vorträgt.
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Er schreibt über Dinge, die andere kaum auszusprechen wagen. Bekannt ist er für seine Sex- und Klogeschichten. Doch Jaromir Konecny kann mehr als deftig schreiben. Die Texte des gebürtigen Tschechen sind witzig und manchmal auch politisch. Am kommenden Mittwoch, bei der zweiten After-School-Party der JuZ im Freiburger BZ-Haus, tritt Konecny zur Slim-Slam-Session an. Zuvor sprach Kathrin Hagemann mit ihm über seinen bunten Lebenslauf, Poetry-Slams und seinen neuen Roman.
Konecny: Ja, ich versuche, das Leben zur Poesie und die Poesie zum Leben zu machen.
JuZ: Wie kamen Sie zum Schreiben?
Konecny: Ich habe schon immer geschrieben. Mit zwölf habe ich einen Krimi für meine Mutter geschrieben. Leider fand sie das Buch zu obszön, und ich bekam für die Schriftstellerei zwei Wochen Hausarrest.
JuZ: Ihr Lebenslauf liest sich ziemlich abwechslungsreich.Denken Sie sich alle paar Jahre was Neues aus?
Konecny: Nach dem Chemiestudium habe ich noch an der Uni gearbeitet, dann wurde aber der Lehrstuhl aufgelöst und ich habe immer mehr geschrieben. Nun kannst du von der Literatur schwer leben, und so habe ich mit einem Freund ein Antiquariat gegründet. Meine Mutter hat mir früher immer gesagt, ich würde nie etwas zu Ende bringen. So habe ich zumindest zu Ende studiert und promoviert, um mir das Gegenteil zu beweisen. Ich glaube, ein Schriftsteller sollte alles ausprobiert haben, damit er einen Durchblick bekommt. Viel Erlebtes regt die Fantasie an.
"Ich bin froh, dass ich alle meine Drogen losgeworden bin - Alkohol, Kaffee, Tee, die Sucht nach der Zukunft gehört auch dazu."
JuZ: Jetzt ist also eine Art Gesamtkunstwerk aus Ihrem Leben geworden?
Konecny: Ja sicher. Ich bin froh, dass ich alle meine Drogen losgeworden bin - Alkohol, Kaffee, Tee, die Sucht nach der Zukunft gehört auch dazu. Jetzt mit 47 warte ich nicht mehr auf das, was kommt, ich lebe lieber gleich und bin eigentlich glücklich.
JuZ: Sie haben sich neulich in einer Kolumne selbst zitiert mit den Worten "Die Literatur ist für mich die Fortsetzung des Erzählens am Lagerfeuer mit anderen Mitteln." Sind Sie also eher ein Erzähler als ein Schriftsteller?
Konecny: Zuerst mal ist es mir egal, ob ich als Schriftsteller, als Literat oder als Nicht-Literat bezeichnet werde, denn man muss sowieso damit zurechtkommen, ständig in irgendwelche Schubladen gesteckt zu werden. Wenn man sich in Deutschland in der Subkultur bewegt und mal in einer Geschichte das Wort "ficken" hatte, landet man zum Beispiel immer wieder in der Underground-Schublade. Aber es stimmt, dass mir das Erzählen für das Publikum wichtig ist, und am wichtigsten ist: Es muss auch Unterhaltung sein. Man kann auch kluge Dinge unterhaltsam schreiben, davon bin ich überzeugt.
JuZ: Wie lief denn Ihr erster Auftritt bei einem Poetry Slam?
Konecny: Das war ein Horror für mich - nicht wirklich. Es war vor neun Jahren und vielleicht der erste Poetry Slam in Deutschland überhaupt. Karl Bruckmayer hat das damals im "Substanz" in München aufgezogen, weil er es in Amerika erlebt hatte. Die Sache wurde überall beworben, weil sie eben neu war. Das "Substanz" war prall voll, und plötzlich stand ich auf der Bühne. Mein Gott! Vor einigen hundert Leuten! Ich bekam von den Juroren die höchste Punktzahl. Bis der letzte Dichter auf die Bühne kam, war ich in Führung, und dachte: Mann, wenn du das gewinnst, bist du ein gemachter Mann. Der Letzte hat es gewonnen. Seitdem habe ich dann doch an die 50 Slam-Siege in Deutschland errungen, doch keiner der Siege war ein großer Karrieresprung. Ein gewonnener Slam bringt nicht viel, nur die Summe aller Dinge, die du tust, bringt dich langsam voran.
JuZ: Was macht denn einen wirklich guten Slam aus?
Konecny: Gutes Zusammenwirken vom Dichter und vom Publikum. Eine Literaturshow! Kein Kitsch, keine Selbsttherapie des Dichters, keine Comedy, kein Kabarett, sondern gute Gedichte und gute Geschichten gut vorgetragen und gut gemischt. Das Publikum und die Poeten sollen dabei ihren Spaß haben. Interaktivität ist wichtig.
JuZ: Wie kann diese Interaktivität denn aussehen?
Konecny: Bei mir ist die Interaktion meistens das Lachen. Es gibt alle möglichen Reaktionen im Publikum, selbstverständlich auch Zwischenrufe, aber im positiven Sinne. Man muss den Dichter nicht unbedingt sofort ausbuhen, wenn er auf die Bühne kommt, nur weil er falsche Klamotten anhat. Nach einem guten Slam soll sich jeder Schreiberling im Publikum sagen können, jetzt möchte ich auch auf die Bühne.
"Wir haben einen Teil des Publikums von der Popmusik wieder zur Literatur gelockt - egal wie gut oder schlecht diese Literatur ist."
JuZ: Im Oktober werden Sie den ersten tschechischen Poetry Slam moderieren. Was wird anders sein als in Deutschland?
Konecny: Hier in Deutschland ist der Poetry Slam als Subkultur entstanden. In Tschechien aber wird er praktisch von oben reingesetzt. Ein Verlag in Olmütz veranstaltet ihn während eines internationalen Lyrikfestivals. Das heißt, die Kultur hat sich also nicht langsam aufgebaut, sondern wird vom bestehenden Literatursystem organisiert. Das kann ich mir in Deutschland fast nicht vorstellen. Mit Erstaunen habe ich oft mitgekriegt, mit welcher Geringschätzung, Häme und Unwissenheit hier meine Kollegen Schriftsteller, Lektoren und Rezensenten eine im Aufstehen begriffene literarische Jugendkultur überziehen. Dabei haben wir Slam-Poeten für das gesprochene Wort unter Deutschlands Jugend viel mehr gemacht als alle etablierten Schriftsteller, Feuilletonisten und Rezensenten zusammen. Wir haben einen Teil des Publikums von der Popmusik wieder zur Literatur gelockt - egal wie gut oder schlecht diese Literatur ist.
JuZ: Werden Sie jetzt, wie angekündigt, noch einen Roman schreiben?
Konecny: Ja, schon. Aber bei mir ist es so, dass ich ständig gezwungen bin, diese Kurzgeschichten zu schreiben, weil ich sie für die Auftritte brauche. Ich trete zur Zeit ständig auf, gestern war ich in Stuttgart, vorgestern war ich in Zürich, am Freitag in Weimar. Ich bin ständig unterwegs.
JuZ: Sie schreiben also eher zwischendurch?
Konecny: Ja, es kommt immer so eine Phase, zum Beispiel im Sommer, wo ich denke, jetzt gibt's nicht so viele Auftritte, nicht so viele Lesungen, dann kann ich ja mit dem Roman weitermachen.
JuZ: Verraten Sie schon, worum es geht?
Konecny: Eigentlich ist es ein Roman über das Erzählen. Ich möchte alle Ideen und Vorstellungen, die ich vom Erzählen habe, reinbringen. Auch Anekdoten, Dinge die ich erlebt habe. Aber es ist ein Entwicklungsroman. Der Ich-Erzähler ist zwanzig Jahre alt.
After-School-Party Am Mittwoch, 15. Oktober, von 14 bis 16 Uhr, wird Jaromir Konecny seine beste Slam-Poetry vortragen. Dazwischen gibt's die JuZ live - zum Wiedertreffen oder zum Kennenlernen im Freiburger Stadthaus der Badischen Zeitung, Bertoldstraße 7.
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