"Pferde helfen den Menschen"
ZISCH-INTERVIEW mit Marion Kempf, Ergotherapeutin.
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Marion Kempf ist Ergotherapeutin und hat eine Praxis in Müllheim. Sie bietet tiergestützte Therapien an und arbeitet vor allem mit Pferden. Die Zisch-Reporterinnen Sophia Kiefer und Vanessa Phong aus der Klasse 4b der Rosenburgschule Müllheim haben ein Interview mit ihr geführt.
Kempf: Therapie ist eine Heilbehandlung. Die Tiere helfen mir dabei, sind sozusagen meine Kollegen oder auch Assistenten. Ich mache die Therapie und habe die Tiere dabei. Viele Kinder kommen wegen der Tiere auch lieber zur Therapie, weil es ihnen so mehr Spaß macht.
Zisch: Warum haben Sie sich gerade Pferde als Therapietiere ausgesucht? Sind Pferde dafür besonders geeignet?
Kempf: Ja, ich finde, dass Pferde sehr gut als Therapiehelfer geeignet sind. Pferde sind groß und stark, können einen Menschen mit Leichtigkeit tragen. Dabei sind sie sanft von ihrem Wesen her. Pferde helfen den Menschen schon seit Tausenden von Jahren. Ich selbst habe schon viele schöne Sachen mit Pferden erlebt. Außerdem verkraften Pferde die Therapietätigkeit gut und können sich in ihrer Herde ausruhen. Deshalb kann ich besser mit ihnen arbeiten als mit Hunden. Für Hunde ist die Therapietätigkeit viel anstrengender, weil sie dem Menschen nahe sind.
Zisch: Kann das jedes Pferd machen oder gibt es bestimmte Voraussetzungen oder eine spezielle Ausbildung?
Kempf: Nein, dafür ist nicht jedes Pferd geeignet. Ein Therapiepferd braucht zwar keine spezielle Ausbildung, aber es muss einen freundlichen, ruhigen Charakter haben. Pferde sind eigentlich Fluchttiere. Wenn sie vor etwas Angst haben, laufen sie weg. Tun sie das, wenn gerade jemand drauf sitzt, ist das nicht so gut. Ein Therapiepferd darf nicht ängstlich oder nervös sein und sich vor jeder Kleinigkeit erschrecken. Es muss zum Beispiel an Autos, Traktoren oder Hundegebell gewöhnt sein. Außerdem muss das Pferd großes Vertrauen zum Therapeuten haben. Ich arbeite mit Shetlandponys und Isländern, weil das robuste Pferderassen sind mit guten, starken Nerven.
Zisch: Haben Sie eine spezielle Ausbildung für diese Tätigkeit gebraucht?
Kempf: Als ich zehn Jahre alt war, habe ich begonnen zu reiten und seither habe ich mit Pferden zu tun. Mit 16 Jahren habe ich Reitunterricht gegeben. Ich habe eine Ausbildung zur Ergotherapeutin gemacht und noch verschiedene Fortbildungen zum Thema Arbeit mit Pferden und Menschen, auch reiterliche. Ich bin in einem Kreis von Reitpädagogen und Reittherapeuten. Wir treffen uns mehrmals im Jahr und tauschen uns aus.
Zisch: Welche Menschen kommen zu Ihnen und Ihren Pferden und suchen Hilfe?
Kempf: Zu mir in meine Praxis kommen überwiegend Kinder und Jugendliche mit den unterschiedlichsten Themen. Manche sind schüchtern und haben wenig Selbstvertrauen. Andere können sich nicht gut konzentrieren oder nicht gut und deutlich sprechen. Wieder andere sitzen im Rollstuhl, können nicht laufen oder haben zu schwache Muskeln. Manche haben auch was Trauriges erlebt und wollen getröstet werden.
Zisch: Wie kann das Pferd diesen Kindern dann helfen?
Kempf: Das Pferd kann auf viele Arten helfen. Es hilft körperlich, denn beim Reiten braucht man viele Muskeln. Beim Reiten im Schritt bewegt man in der Minute 100 Muskeln. Man muss ständig die Bewegung des Pferdes ausgleichen, denn das Pferd bewegt einen ja in alle Richtungen. Die Bewegung ist vergleichbar mit der eines Babys im Bauch der Mutter. Dadurch atmet man auch anders und viele Kinder mit Sprachproblemen sprechen beim Reiten deutlich und fehlerfrei. Beim Reiten werden auch Wohlfühlstoffe ausgeschüttet und das Gefühl getragen zu werden und nicht alles selbst tragen zu müssen kann sehr tröstlich sein.
Zisch: Was lernen die Kinder von den Pferden?
Kempf: Durch den Umgang mit dem großen, starken Tier werden viele Kinder mutiger und trauen sich mehr zu. Man lernt das Pferd auch kennen, man putzt es und freundet sich mit ihm an. Dadurch lernt man, auf das Pferd zu achten. Man muss sich selbst kontrollieren und ruhig mit dem Pferd umgehen, fürsorglich und einfühlsam sein. Dadurch werden viele Kinder selbst ruhiger. Nicht zuletzt wird auch das Herz angesprochen, denn man hat es doch mit einem lebendigen Wesen zu tun. Das Pferd ist warm, weich und riecht gut.
Zisch: Wie lange dauert es, bis man erste Erfolge sehen kann?
Kempf: Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal geht das ganz schnell, eventuell sogar schon in der ersten Therapiestunde. Zum Beispiel, dass ein Kind plötzlich spricht, das sonst nicht mit anderen gesprochen hat. Ich finde sogar, dass bei der Ergotherapie mit Pferden Erfolge schneller sichtbar sind. Die Kinder kommen vielleicht wegen der Tiere lieber, weil sie sich auf die Tiere freuen.
Zisch: Sind die Therapiepferde nur Ihre eigenen Pferde?
Kempf: Nein, nicht alle. Ich arbeite mit sechs Ponys, davon sind zwei meine eigenen: Der Isländer Draumur und die Shetland-Mix-Stute Susi. Die restlichen vier gehören anderen Leuten. Ich darf sie aber einsetzen und bezahle dafür den Schmied und den Tierarzt und kümmere mich um sie.
Zisch: Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit besonders viel Freude?
Kempf: Es macht mir viel Freude, weil ich selbst so gerne mit Pferden zusammen bin. Und wenn ich dann noch helfen kann, dass andere auch Freude mit Pferden haben, dann finde ich das besonders schön. Wenn zum Beispiel ein Junge, der sonst sehr wild und laut ist, sich bemüht ruhig zu sein, damit das Pferd keine Angst bekommt, macht mich das glücklich.
Zisch: Warum sind Sie eigentlich Ergotherapeutin geworden?
Kempf: Das ist fast 30 Jahre her, dass ich mich dazu entschlossen habe. Nach dem Abitur habe ich mich für Medizin interessiert, wollte aber nicht Medizin studieren. Das war mir zu theoretisch und zu lang und ich wollte auch keine Ärztin sein. Psychologie und Pädagogik haben mich auch interessiert. Und ich hatte total viel Lust darauf, verschiedenen Handwerkstechniken – wie Korbflechten, Weben, Schmuck herstellen, mit Leder arbeiten – zu lernen. Die Ergotherapie verbindet das alles miteinander.