Wingwalking
Peggy Walentins macht Kunststücke auf Flugzeugen in der Luft
Wingwalking ist nichts für schwache Nerven – für Peggy Walentin und ihr Mann Friedel ist der gefährliche Job Lebensinhalt.
& Von Jürgen Schelling
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Dass der Freiburger Flugplatz seit einigen Jahren die fliegerische Heimat Peggy Walentins und ihres Ehemannes und Piloten, Friedel Walentin, ist, kommt der Bevölkerung am kommenden Wochenende zugute. Dann finden die Tage der offenen Tür am Flugplatz der Breisgaumetropole statt, organisiert von den Vereinen und Firmen, die am Airport aktiv sind und die Vielfalt ihres Platzes mit Segel-, Motorflug- und Fallschirmsprungbetrieb der Bevölkerung präsentieren wollen. Peggy und Friedel Walentin zeigen deshalb, wenn das Wetter passt, an jedem der beiden Tage ihre Maschine vor dem Hangar und beantworten Fragen zu ihrer ungewöhnlichen Luftfahrt-Laufbahn. Da an beiden Tagen der offenen Tür keine Flugschau stattfindet, sind sie allerdings nicht in der Luft zu sehen.
Wie aber kommt man überhaupt auf die Idee, Wingwalkerin zu werden und zwischen den Tragflächen eines Flugzeugs herumzuturnen? Die erfahrene Pilotin organisierte in den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts zusammen mit einem Partner Airshows in Deutschland, und einmal war auch ein skandinavisches Wingwalking-Team zu Gast. In den Pausen zwischen den Vorführungen kam sie mit dem Piloten der Maschine ins Gespräch und fragte keck, ob er sie nicht mal angeschnallt auf dem oberen Trapez mitnehmen würde. Dieser willigte spontan ein, Minuten darauf ging es bereits für eine kurze Runde in die Luft. Dann verging einige Zeit und die Pilotin hatte ihr Erlebnis fast schon vergessen, als der skandinavische Flieger auf der Suche nach einer neuen Showpartnerin plötzlich anrief: Sie wäre doch schon mal auf der Tragfläche gestanden und ob sie nicht Lust hätte, bei Veranstaltungen mit ihm aufzutreten. Nach kurzer Bedenkzeit sagte sie ja, seit 1999 fliegt sie als Deutschlands einzige Wingwalkerin und ab 2005 in ihrem eigenen Team "Peggys Wingwalkers".
Seit einiger Zeit lebt die gebürtige Chemnitzerin in Sasbachwalden. Der Freiburger Flugplatz ist seitdem ihre fliegerische Basis und zugleich Ausgangspunkt für die Teilnahme an Flugshows in Deutschland und ganz Europa. Die Maschine, die in einem Hangar am Freiburger Flugplatz steht und mit der Peggy Walentin und Pilot Friedrich "Friedel" Walentin, ihr langjähriger Lebensgefährte und seit kurzem auch Ehemann, unterwegs sind, stammt vom US-Hersteller Boeing. Dieser baute in den Vierzigerjahren des vorigen Jahrhunderts robuste Doppeldecker, auf denen amerikanische Airforce-Piloten die Grundlagen des Fliegens erlernten.
als hätten wir einen Spind
auf der Tragfläche montiert."
Peggy Walentin
Deshalb werden alle 450 Pferdestärken gebraucht, um beispielsweise genügend Fahrt für einen Looping zu erzielen, während die Wingwalkerin oben auf der Tragfläche an ihrem Rack steht.
Zudem ist eine gewisse Größe und Stabilität des Flugzeugs bei den Flugfiguren notwendig. Wenn Peggy Walentin etwa außen auf dem Flügel balanciert und sich dann auf eine Querstrebe zwischen den Flächen legt, um den Zuschauern zuzuwinken, wirkt ihr Körper wie ein zusätzliches Seitenruder. Pilot Friedel Walentin muss dann kräftig gegensteuern, um die Boeing Stearman im Horizontalflug halten zu können. Ein kleinerer oder filigranerer Doppeldecker käme bei diesen Manövern schnell an seine Leistungsgrenze. Ganz abgesehen davon, dass es auf viele Nichtflieger einen enormen Eindruck macht, wenn man erzählt, dass am Freiburger Airport die eigene Boeing steht.
Ob sie nicht Angst habe herunterzufallen, wird sie nach dem Auftritt oft von den Zuschauern gefragt. Furcht nicht, aber einen ordentlichen Respekt vor ihrer nicht ganz ungefährlichen Tätigkeit gibt die verantwortungsbewusste Mutter einer 20-jährigen Tochter zu. Deshalb wird auch in der fliegerischen Heimat in Freiburg ausgiebig trainiert, um mögliche Schwachstellen frühzeitig zu entdecken. Einen Fallschirm trägt sie nicht, da dieser behindern würde und die Flughöhe bei den Airshows meist so gering ist, dass er ohnehin nicht schnell genug aufgehen könne. Allerdings ist sie mit einem dünnen Stahlseil um den Bauch gesichert, so dass sie im Falle eines Abrutschens nicht von der Maschine herunterfallen kann. Ob diese Verbindung ihren Körper aber im Extremfall wirklich halten würde, will sie lieber nie ausprobieren.
Auch um diesen Fall der Fälle zu vermeiden setzen die Wingwalkers auf strenge Sicherheitsstandards: Ist etwa der Wind zu böig, lassen sie lieber einen Auftritt sausen als ein Risiko einzugehen. "Die Zuschauer haben das immer verstanden, wenn wir einen Flug wegen zu hoher Böengeschwindigkeit absagen mussten", betont Peggy. Zudem kann sie als langjährige Pilotin mit Kunstflugberechtigung aus eigener Erfahrung sehr genau abschätzen, was fliegerisch noch möglich ist und was nicht. Nach einer etwa 15minütigen Vorführung ist die Wingwalkerin allerdings froh, dass sie vor der Landung wieder ins geschützte Cockpit klettern kann. Weniger allerdings wegen der Kälte, sondern mehr wegen der körperlichen Anstrengung: Gegen einen ständigen Fahrtwind von etwa 160 bis 260 Stundenkilometern anzukämpfen und dabei auch noch einen möglichst souveränen Eindruck für die Zuschauer zu machen strenge richtig an, erklärt sie. Fitnesstraining sei deshalb Pflicht, um sich in Form zu halten. Die libellenschlanke Akrobatin meint allerdings lachend, dass es von Jahr zu Jahr immer schwerer werde, entsprechend durchtrainiert zu bleiben.
Mehr als 600 Auftritte hat Peggy Walentin seit 1999 bei internationalen Airshows, fürs Fernsehen oder als Stuntfrau absolviert, einen Großteil davon seit 2005 in der jetzigen Besetzung mit Friedel Walentin. Allerdings werde es jetzt langsam Zeit, ans Karriereende zu denken, betont die 43-jährige. "Ich würde sehr gerne eine Nachfolgerin anlernen und ihr alle meine Tricks und Erfahrungen weitergeben" betont die Pilotin beim Gespräch im Freiburger Flugplatzrestaurant, wo sie und ihr Mann gern gesehene Gäste sind.
Wer die beiden sympathischen Flieger im Gespräch erleben und ihren Doppeldecker anschauen will, sollte am Wochenende bei den Tagen der offenen Tür am Freiburger Flugplatz vorbeischauen. Dort werden sich die Wingwalkers mit der Boeing Stearman vor ihrem Hangar präsentieren. Eine Flugschau gibt es nicht, angeboten werden aber Rundflüge mit unterschiedlichen Flugzeugen, Hubschraubern und Gyrocoptern.
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