BZ-Interview

Ostafrika wird von der Heuschreckenplage kalt erwischt

BZ-Interview mit dem Entwicklungsexperten Matthias Späth über die Heuschreckenplage in Ostafrika und die dadurch verursachte Not.  

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Heuschrecken können zu einer echten Plage werden.  | Foto: Holger Kirk
Heuschrecken können zu einer echten Plage werden. Foto: Holger Kirk

FREIBURG. Sie gelten nicht umsonst als eine biblische Plage. Riesige Heuschreckenschwärme ziehen derzeit über große Teile Ostafrikas und Pakistans hinweg und fressen Felder und Weiden leer. Die Regierungen sind hilflos – und das schlimmste könnte noch bevorstehen, wie Michael Saurer von Matthias Späth, dem aus Furtwangen stammenden Länderdirektor für das Horn von Afrika der Welthungerhilfe erfuhr.

BZ: Herr Späth, Sie kennen die Region seit Jahrzehnten. Haben Sie schon einmal eine derartige Heuschreckenplage erlebt?

Späth: Heuschreckenschwärme sind hier nichts Unnormales. Aber in dieser Dimension habe ich das noch nicht erlebt. Offenbar geht es auch den Regierungen so. Man hat den Eindruck, die Region wurde kalt erwischt. Die Regierungen waren null auf ein solches Ausmaß vorbereitet.

BZ: Was ist diesmal denn anders?

Späth: Die pure Masse an Tieren. Dadurch trifft es diesmal auch die entlegeneren Gebiete, die mit der schlechtesten Infrastruktur. Die Regierungen hatten nicht genügend Sprühmittel oder haben mit traditionellen Abwehrmethoden, etwa mit Lärm, versucht, die Tiere zu vertreiben. Beides war nicht effizient.

BZ: Selbst das weit entfernte Pakistan hat den Notstand wegen der Schwärme ausgerufen. Hängen die Fälle zusammen?

Späth: Nach allem was ich weiß, ja. Und auch die Wurzeln des Problems sind dieselben – ein periodisch auftretendes Wetterereignis namens Indischer-Ozean-Dipol. Dadurch hat es in Ostafrika über Wochen hinweg stark geregnet, die Felder sind saftig grün und die Heuschrecken fanden so perfekte Bedingungen vor.

BZ: Was ist das Problem an den Tieren?

Späth: Sie müssen sich folgende Dimensionen vor Augen halten: Ein Schwarm, der einen Quadratkilometer groß ist, kann in kurzer Zeit die Nahrung von 35 000 Menschen vernichten. Und dann zieht er weiter. Und betroffen ist nicht nur die Ernte der Bauern, sondern vor allem auch die Weiden der Viehhirten. Die finden für ihre Tiere kaum noch Nahrung.

BZ: Welche Regionen sind nun besonders betroffen?

Späth: Das sind neben Pakistan weite Teile Ostafrikas. In Somalia hat man den Notstand ausgerufen, aber auch in Äthiopien und Kenia sind die durch die Heuschrecken verursachten Probleme riesig. Es gibt auch die Befürchtung, dass Schwärme den Südsudan erreichen könnten. Und das Ganze könnte erst der Anfang von etwas viel Größerem sein.

BZ: Wie meinen Sie das?

Späth: Es gibt ernstzunehmende Hinweise darauf, dass die zweite Generation an Heuschrecken gerade schlüpft. Und die soll noch einmal bedeutend größer sein. Experten der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen sagen sogar, dass es sein könnte, dass diese 500 mal so groß ist. Das ist natürlich ein Horrorszenario, das so hoffentlich nicht eintritt. Wir werden das Ganze auf jeden Fall verfolgen, spätestens im Juli soll die zweite Generation ausschwärmen.

BZ: Was könnte man jetzt tun?

Späth: Das Problem ist, dass die wirklichen Präventionsmaßnahmen, die das Entstehen solcher Schwärme verhindert hätten, nun nicht mehr greifen. Erstens, weil es jetzt zu spät ist und zweitens, weil die Länder in der Region nicht über die technologischen Möglichkeiten dafür verfügen. Dafür braucht man computer- und satellitengestützte Systeme, die es hier einfach nicht gibt. Man müsste wissen, wo die Brutstätten sind, aber das ist praktisch nur sehr schwer möglich.

BZ: Aber irgendetwas muss man doch tun.

Späth: Das einzige was bleibt, ist ein massiver Pestizid-Einsatz. Und hier sind auch die Entwicklungsorganisationen gefragt. Wir müssen den Regierungen dabei helfen, entsprechende Strukturen aufzubauen, um den Einsatz gemeinsam zu koordinieren. Es mangelt ja praktisch an allem: an Pestiziden, an Flugzeugen, um diese zu versprühen aber auch an den Kommandostrukturen. Und das betrifft ja alles nur die Prävention. Noch wichtiger ist, dass man den Menschen hilft, die durch die Schwärme nun in purer Existenznot leben. Getreide ist vielerorts knapp und dadurch steigen die Preise stark an. Gleichzeitig fallen die Fleischpreise. Die Viehhirten sind also doppelt betroffen.

BZ: Wie kann man den Menschen helfen?

Späth: Notwendig sind nun sogenannte Cash-Based-Programme, also solche, die die Kaufkraft steigern, damit die Menschen Nahrungsmittel kaufen können. Man muss auch darüber nachdenken, Saatgut und Werkzeuge auszugeben, um die nächste Ernte zu sichern. Und natürlich muss man genau auf die Ernährungssituation der Kinder schauen, um Mangelernährung frühzeitig zu begegnen. Hinzu kommt noch etwas anderes: Durch die starken Regenfälle haben sich nicht nur die Heuschrecken stark vermehrt, sondern auch Moskitos und andere Krankheitsüberträger. Malaria, Cholera – das alles muss man zusätzlich im Auge behalten. Des Weiteren müssen die geschwächten Viehbestände geschützt werden, etwa durch veterinärmedizinische Maßnahmen und die Bereitstellung von Futter.

Matthias Späth (58) ist in Furtwangen geboren und hat in Freiburg Volkswirtschaft studiert. Seit 1994 arbeitet er im Entwicklungssektor und leitet seit 2016 das Regionalbüro für das Horn von Afrika in Äthiopien.
Schlagworte: Matthias Späth
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