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Geschichte

Olympiastadion in Berlin hat seinen NS-Nimbus verloren

Wie Architektur eines "tausendjährigen Reichs" auszusehen hatte, darüber gab es in den dreißiger Jahren keinen Zweifel. Als Vorbild kam nur das Römische Imperium infrage.  

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Leichte Korrekturen waren freilich vonnöten. Säulen, griechische zumal, mit Kanneluren und Kapitellen, waren denn doch etwas verspielt. Der Führer und sein Architekt Albert Speer bevorzugten kraftvolle Pfeiler, möglichst in endloser Reihung, um die Macht und Erhabenheit des Reichs in maßstäblich übersteigerten Staatsbauten zum Ausdruck zu bringen.

Keine Frage auch, dass das Stadion für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin ein willkommener Anwendungsfall für die programmatische Staatsarchitektur darstellte. Das riesige Pfeileroval, ergänzt um das Aufmarschgelände des Maifelds, die Gedenkstätte Langemarckhalle (in Erinnerung an eine Schlacht im Ersten Weltkrieg) und als Höhepunkt der kantige Glockenturm war der End- und Zielpunkt einer Achse, die sich vom Stadtzentrum durch das Brandenburger Tor über den Adolf-Hitler-Platz, den heutigen Theodor-Heuss-Platz, erstreckte und als kilometerlange "via triumphalis" mit Fahnen, Kandelabern und Skulpturen bis hin zu den heroischen Monumentalfiguren am Stadion selbst bombastisch inszeniert war.

Marschmusik, Uniformen und Hakenkreuzfahnen herrschten vor. Nie zuvor und nie danach waren Olympische Spiele in Organisation und Erscheinung derart militaristisch durchgeführt worden. Selbst das Olympische Dorf im Westen weit vor den Toren der Stadt, an sich eine idyllische und viel gelobte Anlage, war vom Militär erbaut und betrieben worden, woran die allgegenwärtigen Wehrmachtsuniformen und die militärische Ordnung im Dorf keinen Zweifel ließen.

Anstelle des Olympiastadions stand bereits das Deutsche Stadion, 1912-13 von Otto March für die Olympischen Spiele 1916 erbaut. Sie wurden wegen des Krieges abgesagt. Hitler ließ die Anlage durch Otto Marchs Sohn Werner für 1936 weitgehend umbauen und stark vergrößern.

Wer die rings umlaufende Pfeilerhalle durchschritt und auf halber Höhe ins Innere des Stadions trat (die unteren Ränge waren ins Gelände eingetieft), dem öffnete sich ein faszinierender Blick in das weite Rund, in dem 100 000 Zuschauer Platz fanden. Den Rand der Schüssel säumten 140 Fahnenmasten, am Abend strahlten dutzende Flakscheinwerfer einen "Lichtdom" in den Himmel. In der Westkurve waren die Oberränge unterbrochen. Dort stand, und steht noch heute, die Riesenschale für das Olympische Feuer, überragt vom Glockenturm.

Seine Vergangenheit als architektonisches Zeugnis des Nationalsozialismus hat dem Berliner Olympiastadion nach dem Krieg eher geschadet. Zu groß, zu weitläufig erschien die ungeliebte Anlage nunmehr. Immerhin war sie so solide gebaut worden, dass sie den lange vernachlässigten Unterhalt überstand. Die Hitlerloge hatten die Engländer entfernen lassen. Erst 1974 hatten sich die Vorbehalte soweit abgekühlt, dass man sich des Stadions wieder annahm, um es für die Fußball-WM und für den Bundesligafußball zu ertüchtigen. Erstmals erhielt die Längstribünen eine Überdachung. Die leichten Stahlrohrgitterkonstruktionen nach dem Mero-System konterkarierten den schweren Klassizismus des Bestandsbaus und sprachen nun eine andere Sprache.

Eine weitere, noch grundlegendere Metamorphose erlebte das Bauwerk, als es durch die Architekten von Gerkan, Marg und Partner für die Fußballweltmeisterschaft 2006 modernisiert wurde. Die Ränge erhielten eine neue Geometrie mit ausschließlich Sitzplätzen und optimierten Sichtverhältnissen. Signifikanteste Neuerung war jedoch das neue Stadiondach, das nun alle 70 000 Zuschauerplätze überdeckt. Die ultraleichte Textildachkonstruktion schwebt auf dünnen Stützen über der Stadionschüssel. Besonders am Abend wirkt das von unten angestrahlte Dach wie eine Aura. Die Westkurve blieb offen, und so wird man das Bild des Stadions mit seiner leuchtend blauen Laufbahn und dem Blick über die Feuerschale und den Glockenturm unter tausend anderen Stadien wiederkennen. Vielen gilt es mittlerweile als schönstes deutsches Stadion. Ein didaktisches Begleitprogramm, aber auch die wunderbare Stadionkapelle, die Volkwin Marg eingebaut hat, tragen dazu bei, dass die nationalsozialistische Vergangenheit des Bauwerks nicht verleugnet wird, aber ihre belastende Wirkung verloren hat.

Ressort: Kunst

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