"Oft schaut man jede Minute auf die Uhr"

JUZ-INTERVIEW mit Caroline Link, Pressesprecherin des Freiburger Schülerrats, über Schule, Schüler, Lehrer und die lauwarmen Pisa-Ergebnisse.  

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Dass sich in diversen Tests Deutschlands Schüler immer wieder als Mittelmaß erweisen, wird feste von Experten analysiert und diskutiert. Sachkundig sind auch die Schüler. Für die JuZ hat Julia Littmann mit der Pressesprecherin des Freiburger Schülerrates, Caroline Link, gesprochen. Die 16-Jährige geht in die 12. Klasse des Deutsch-Französischen Gymnasiums, ist dort Schulsprecherin - und macht am Ende dieses Schuljahrs ihr Abitur.

JuZ: Wie geht's den Schülern, wenn sie wieder von lauen Pisa-Ergebnissen hören?
Caroline Link: Blöd, denn das Ergebnis klassifiziert ja in erster Linie mal die Schüler, denn die sind es, die die Tests machen und schlecht abschneiden. Das ist für uns alle merkwürdig und für die Schüler, die direkt betroffen sind, ist es echt unangenehm.

JuZ: Wer ist deiner Meinung nach verantwortlich für schlechte Pisa-Ergebnisse?
Caroline: Manches an unserem Schulsystem. Manche Lehrer. Zum Beispiel gibt es solche, die seit 20 Jahren schlecht unterrichten und die unterrichten dann noch mal 20 Jahre lang genauso schlecht, ohne dass es irgendwen interessiert. Und wenn es um schlechte Pisa-Ergebnisse geht, dann haben die sicher auch damit zu tun, dass etliche Schüler nicht motiviert sind. Aber da muss sich doch auch die Frage stellen, wer bringt uns was wie bei?

JuZ: Und was motiviert Schüler?
Caroline: Eine gute Einstellung zur Schule tut gut. Dass da was geht, wo man denkt, guck mal, so was machen die bei uns an der Schule. Projekte oder Partys. Dazu kommt - ganz wichtig! - die private Motivation, die kann leicht aus dem Lot kommen, wenn zum Beispiel zu Hause nicht alles in Ordnung ist.

JuZ: Wenn ihr an der Schule was ändern könntet, was würdet ihr tun?
Caroline: Also, wir haben da gar nichts zu sagen, sondern es ist alles festgelegt und wir müssen gucken, wie wir damit zurechtkommen. Sonst würden wir sicher anmelden, dass wir weniger Frontalunterricht wollen, dafür aber mehr Gruppenarbeit. Wir würden sicher auch mehr Allgemeinwissen einfordern.

JuZ: Was glaubst du, wie Allgemeinwissen gelehrt werden könnte?
Caroline: Na, jedenfalls nicht so, wie wir Fachunterricht bekommen. Da wird im einzelnen Fach alles bis ins letzte Detail gemacht, aber der Gesamtzusammenhang wird oft gar nicht klar. In der Pisa-Studie wird eben nicht so sehr dieses Fachwissen abgefragt, sondern eher das Allgemeinwissen. Es ist doch schon super, wenn man mit dem Geschichts-Leistungskurs in "Der Untergang" geht. Das haben wir gemacht. Und da passiert eben auch sozial was mit uns. Wir haben erstmal eine Ewigkeit nichts geredet danach - dann aber stundenlang.

JuZ: Was ist am Unterricht verbesserungs-bedürftig?
Caroline: Einiges, nicht nur der ewige Frontalunterricht. Es gibt etliche Fächer, die sind super langweilig, dabei könnte man sie richtig interessant aufziehen. Und man könnte auch mal die Methoden variieren. Es gibt doch sogar eher "abschreckende" Fächer, die richtig Spaß machen, wenn der Unterricht gut ist. Aber oft sitzt man völlig gelangweilt im Unterricht und schaut jede Minute auf die Uhr.

Und dann wird auch wahnsinnig wenig gemacht für das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern. Wir haben uns im letzten Schuljahr sehr dafür eingesetzt, eine Klassenlehrerstunde im Monat zu bekommen - und die gibt's jetzt auch und damit eben auch die Chance auf Austausch. Es geht doch nicht, dass sich acht Jahre lang immer nur einer vorne hinstellt und redet und der Rest hört zu. Das sind acht wahnsinnig wichtige Jahre für uns, mit unendlich viel Entwicklung - und es ist super schade, wenn die Klasse dann so ein fremdes Verhältnis zu den Lehrern hat.

JuZ: Was würde Schüler deiner Ansicht nach zu guten Pisa-Schülern machen?
Caroline: Als Erstes mal die kleine Zahl ihrer Mitschüler! Oft sind die Klassen viel zu groß. Man sollte zumindest in den wichtigen Fächern zwei-, dreimal pro Stunde drankommen, das geht aber gar nicht bei 30 Leuten in der Klasse. Und meine Musterschüler würden ganz viel in Gruppenarbeit lernen - und dabei erfahren, wie guter Umgang miteinander geht, wie man sich hilft und wie man solidarisch miteinander ist.


"Es geht nicht, dass sich acht Jahre lang einer vorne hinstellt und redet." Caroline Link, Schülerrat

JuZ: Glaubst du, dass dafür auch Ganztagsschulen nötig sind?
Caroline: Nein, ganz klar. Die Zeit zu Hause, die ganze Zeit, die uns bleibt für Sachen, die uns interessieren und Spaß machen, das ist die Zeit, die einen erfüllt und motiviert für alles andere. Und man trifft sich dann am andern Tag in der Schule und kann sich erzählen, was man alles noch gemacht hat.

JuZ: Vorausgesetzt, man hat tatsächlich noch was Schönes erlebt.
Caroline: Auf jeden Fall! Wer es nicht gut hat zu Hause oder wer nichts mit sich anfangen kann, sollte natürlich die Möglichkeit von Ganztagsschule haben. Es sollte nur nicht verpflichtend für alle an allen Schulen sein.

JuZ: Wie sieht ein Lehrer aus, der für "gutes" Lernen steht?
Caroline: Er muss einer sein, bei dem man keine Angst im Unterricht hat. Und in der Unter- und Mittelstufe muss er sehr bereit sein, auf die Schüler einzugehen. Ansonsten sollte er hohe Sachkompetenz haben und gute Lernmethoden draufhaben, vor allem in der Oberstufe. Da muss er mir den Stoff vermitteln und ein netter Mensch sein und einer, der Autorität hat, der konsequent ist. Sonst wird er zur Lachnummer. Außerdem geht der ideale Lehrer natürlich mit seiner Klasse ganz viel raus.

JuZ: Und wie sähe die ideale Schule aus?
Caroline: Hell und freundlich. Und die verschiedenen Bereiche wären zwar getrennt, aber in Sichtweite und man würde sich immer auch begegnen.

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