"Noten sind doch nur Momentaufnahmen"
BZ-UMFRAGE: Heute gibt es Zeugnisse – und Schüler von einst erinnern sich an die eigene Schulzeit / Entscheidend für den Erfolg im Beruf sind meist andere Dinge.
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RAUM DENZLINGEN. Woran erinnern Sie sich, wenn Sie an Ihre Zeugnisse denken, wurden Sie dafür belohnt oder bestraft? Haben Zeugnisse Ihren Werdegang beeinflusst – und was halten Sie heute von dieser Form von Leistungsnachweis ? BZ-Mitarbeiter haben bei Menschen nachgefragt, die beruflich erfolgreich sind – mit und ohne gute Schulnoten (siehe auch Seite 36, Kreis Breisgau-Hochschwarzwald).
Maria Himpele sind "Spannung, Kribbeln, vor allem große Freude" in Erinnerung, wenn sie an ihre Gefühle anlässlich der Zeugnisausgabe zurückdenkt. "Ich wusste, dass ich gute und sehr gute Noten habe", so die ehemalige Rektorin der Alemannen-Hauptschule. Mit einer Einschränkung: "In Sport hatte ich immer eine Vier". Ein Horror seien Bodenturnen, Barren und Wettlauf gewesen, und heute ist es für sie kein Wunder, dass sie als beliebte Mitschülerin und langjährige Klassensprecherin beim Völkerball immer zuletzt gewählt worden war. Gelobt wurde zuhause, getadelt, doch immer wertschätzend, erinnert sich Maria Himpele an die Reaktionen zuhause. Einsen seien eine Seltenheit gewesen, eine Noteninflation wie heute habe es nicht gegeben. 1956 kam sie in die Grundschule, nach sechs Jahren Realschule ging sie an das St. Ursula Gymnasium. Dass Schüler als Lernende eine Rückmeldung haben wollen, wie sie was gemacht haben, hält Maria Himpele für wichtig. Für sie müssen das aber nicht "Nummern" sein. "Ein verbales Beschreiben der Leistungen, "wie es in der Waldorfschule üblich ist", könne sie sich auch gut vorstellen. Wobei Formulierungen auch ganz schön gemein sein könnten, so dass Noten auch durchaus etwas für sich haben. "Nur sollte ihnen keine lebensentscheidende Bedeutung beigemessen werden", erkennt Maria Himpele heute auch einen "grässlichen Ehrgeiz bei den Eltern". Für Joachim Müller-Bremberger waren die Zeugnisnoten, auf die er mit der größten Spannung wartete, die zum Abschluss seiner dritten Grundschulklasse. Der heutige Sprecher des Regierungspräsidiums kann sich noch an seine Unruhe damals erinnern, die entscheidend für die weiterführende Schule war. Für den Schüler der Denzlinger Grundschule reichte es, um 1962 ans Freiburger Rotteck-Gymnasium zu wechseln. Dort war ihm dann schon meist im Laufe des Schuljahres klar, wie das Zeugnis ausfallen würde. Auch wenn Integralrechnung und Ähnliches nicht sein Ding waren, er ein "Ausreichend" in Mathematik mit nach Hause brachte, waren die Zeugnisse seines Erinnerns "ganz ordentlich". Jedenfalls so, dass sie "meist durch einen Taschengeldzuschuss in Form einer Sonderzuwendung belohnt wurden". Auch von den beiden Omas, wobei eine noch eine Tafel "Milka" dazu gab. Der Zuschuss half, auf das neue Fahrrad zu sparen. Ob als Note oder verbale Beurteilung, "es braucht eine klare Rückmeldung an die Schüler und auch als Vergleichsmöglichkeit von Leistungen", so Müller-Bremberger. Dass Noten nicht alles sind, belege die Lebensrealität. Glücklicherweise sei das Bildungssystem auch so, dass "Spätzündern alle Wege offenbleiben".
Markus Hollemann hat das ganze Schuljahr über seine Noten Buch geführt, so dass er bei seinen Zeugnissen nie überrascht wurde. Nur von einer Abschlussnote in einem für das Abitur relevanten Fach sei er dann doch überrascht worden. "Ich hatte mit SMV und Jobben so viel zu tun, dass es nur zweimal im Halbjahr zum Unterricht gereicht hatte und dennoch bekam ich eine vier", so Denzlingens Rathauschef, der zwischen 1979 und 1996 in München und Garching Grundschule und ein naturwissenschaftlich-technologisches Gymnasium besucht hatte. Die Freude an einzelnen Unterrichtsfächern und die entsprechende Motivation zum Lernen seien bei ihm auch von den Lehrern abhängig gewesen. Der Lerneifer in Latein sei zum Ende der 11. Klasse "nicht mehr so ausgeprägt gewesen, weil ich es im Kurssystem nicht mehr belegt habe". Mit einer Note eindeutig besser als Sechs habe er abgeschlossen. Sanktionen musste er nicht befürchten, während der Grundschulzeit seien gute Zensuren noch belohnt worden. Für sinnvoll hält Hollemann eine gewisse Vergleichbarkeit durch Notengebung, jedoch sei eine individuelle Beurteilung zusätzlich notwendig.
Regula Schölly hätte sich über eine Sechs in ihrem Zeugnis gefreut. "Bei uns in der Schweiz war das die beste Note", so die Unternehmerin, die zwischen 1957 und 1969 die Schulbank drückte. In anderen Kantonen habe es aber das deutsche Notensystem gegeben – oder nur Noten von 1 bis 5. An ihre Gefühle vor der Zeugnisausgabe kann sie sich noch gut erinnern. "Ich wusste immer, dass mein Zeugnis nicht wirklich gut ausfallen würde, auch wenn ich mich sehr angestrengt hatte", so Regula Schölly. Die Schulzeit sei belastend gewesen, weil sie sich rückblickend bei den Noten in der Hand der Lehrer fühlte, da es keine Zweitkorrektur gab. Aber auch, weil sie zuhause viel habe arbeiten müssen und das Gefühl hatte, "nicht zu genügen". An Sanktionen wegen schlechter Noten kann sie sich nicht erinnern, ab und zu mal gab es einen Fünflieber (Fünf- Franken-Stück), "wenn es mal extrem gut war". Dass sie gerade im Fach Buchhaltung ihre schlechteste Note erhielt, amüsiert sie im Nachhinein. "Ich glaube, mein Lehrer würde sich im Grab umdrehen, wenn er gewusst hätte, dass ich mal eine Firma im Bereich der Finanzen führen würde und das nicht mal so schlecht", so Regula Schölly. Sitzengeblieben sei sie nie, aber von den Lehrern gemobbt worden, so ihre Erinnerungen an die Schulzeit, die nicht die besten sind. Noten sind für sie nur Momentaufnahmen, von denen sie nicht viel hält. Es komme mehr darauf an, Wissen anzuwenden und umzusetzen.
Inge Reinert: "Zu meiner Schulzeit ging es noch recht streng zu. Das Präsentieren oder frei Reden, wie es die Grundschüler jetzt üben, haben wir nicht gelernt. Vor Prüfungen, selbst beim Hauptschulabschluss, hatten wir eine Heidenangst. Oft wurden wir streng nach vorne zum Lehrer zitiert." Das alles versucht Inge Reinert heute in ihrem Unterricht an der Albert-Schweitzer-Werkrealschule in Gundelfingen anders zu machen. Bevor die 57-Jährige jedoch Lehrerin wurde, erlernte sie den Beruf des Fotografen, war selbständig, machte das Abitur über den zweiten Bildungsweg und wollte Englisch lernen. Dann entschied sie sich für den Lehrerberuf und begann mit 25 Jahren zu studieren. "Ich bin noch nie den geraden Weg gegangen." Zu sehen, wie sich die jungen Menschen zu einer Persönlichkeit reifen, findet sie toll. Denn dabei kann sie als Lehrerin unterstützend mithelfen. "Neben dem Vermitteln von Lehrstoff ist es mir wichtig, dass Mädchen und Jungen lernen, an sich zu glauben – nur dann können sie Verantwortung für sich und ihre Mitmenschen übernehmen".
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