Nicht einfach: eine Meinung haben und Konsequenzen ziehen
Zehn jugendliche Teilnehmer lernen in einem Seminar des "Vereins zur Förderung politischen Handelns" politische Auseinandersetzung und Praktisches kennen.
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Ein "Verein zur Förderung des politischen Handelns", kurz "v.f.h.", lädt als Veranstalter junge Menschen ein, sich für eine Woche mit den Grundlagen und Theorien der Politik auseinanderzusetzen. Die Teilnahme ist kostenlos - die Tagungen werden aus Bundes- und Landesmittel gefördert, um wenigstens die finanziellen Barrieren für die Teilnahme abzubauen. Mit Hemmungen anderer Art hat der Politikverbund so oder so zu kämpfen: Die Teilnahmezahlen bewegen sich oft knapp an der Mindestgrenze, nur schwer lassen sich junge Leute für Politik begeistern. "Aber eben das ist unsere Botschaft," beteuert Geschäftsführerin Claudia Bogedan: "Politik macht Spaß."
Den haben die jugendlichen Seminarteilnehmer auch. Wenn sie morgens um neun beginnen, über Kapitalismus, Umweltschutz oder die Freiheit des Menschen zu diskutieren, hören die Streitgespräche selten vor elf Uhr nachts auf. Selbst beim Essen wird weiterdebattiert, dann über die Frage, ob man Vegetarier sein muss oder sogar Veganer, wie Nina meint. Eigentlich wirkt die Neunzehnjährige wie ein eher schüchternes Mädchen, aber wenn es um Tierschutz geht, wird sie laut. Gerade packt sie eine Unterschriftenliste aus:für die Umsetzung der Legehennenverordung. Adressat: Erwin Teufel. Nicht alle hier sind politisch schon so aktiv. Elisa zum Beispiel, die ihren Politikunterricht "zum Einschlafen" fand und deshalb nichts gelernt hat. Das will sie auf dem Seminar nachholen. Oder Johanna, die sich mit ihren grünen Werten in der CDU-Hochburg Sigmaringen nicht verstanden fühlt und Gleichgesinnte sucht. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen also, jeder anders, mit anderem Vorwissen, anderer politischer Überzeugung.
Für die drei Seminarleiter gar keine leichte Aufgabe. "Deshalb sind wir absolut überparteiisch", stellt Christina Wegener klar. Bei der Auswahl der Leiter, meist Studenten höherer Semester, wird darauf geachtet, dass Menschen verschiedener politischer Spektren zusammen ein Seminar führen. Und selbst dann nehmen sie nur selten persönlich Stellung in den Diskussionen, spielen eher den Herausforderer, um den Teilnehmern logische Argumentationen zu entlocken: "Es geht hier ja nicht darum, denen eine bestimmte Meinung einzubläuen." Vielmehr wolle man die Schüler dazu bringen, überhaupt eine Meinung zu haben, diese zu begründen, um dann Konsequenzen daraus zu ziehen.
Für konsequentes politisches Handeln wird den jungen Tagungsbesuchern das nötige Rüstzeug mitgegeben: Elisa muss eine Rede halten, ihre erste. Sie will ihr Publikum - die anderen Teilnehmer, die Leiter und eine Videokamera - vom Zähneputzen überzeugen. Kein Thema großer politischer Brisanz, aber schließlich ist die Rhetorik das wichtigste. Die Kamera ist ein gnadenloser Beobachter. Bei der folgenden Auswertung sieht man jede falsche Bewegung, hört jedes verhaspelte Wort. Das Feedback der anderen, von denen jeder mal am Rednerpult stehen muss, ist barmherziger, aber trotzdem ehrlich. "Das mit dem Blickkontakt, das hat du klasse gemacht!" - "Deine Körperhaltung hat sich echt verbessert." - "Mit der Stimme würde ich noch ein bisschen mehr variieren." Alle lernen was dazu.
Am Ende der Woche macht die Gruppe ein Planspiel, da wird dann ein Jugendparlament simuliert. Bis dahin haben sich alle an die Vier-Stunden-Nacht gewöhnt. Wenn nämlich spät nachts die Tagesarbeit beendet ist, fängt's erst richtig an. Dann sitzen alle zusammen und tun alles, was nichts mit Politik zu tun hat. Irgendwann um 2 Uhr kommt das Gespräch aber doch wieder auf die Ökodiktatur. Nina kann es sich nicht verkneifen: "Lieber eine Öko-Diktatur als gar keine Welt!" Sie lächelt verschmitzt: "Aber erst mal werde ich Bundeskanzlerin." Und weil man ihr abnimmt, dass sie wirklich etwas tun will, ist es gar nicht mehr so wichtig, ob das mit der Kanzlerin an der späten Uhrzeit liegt oder nicht.
Dominic Fritz
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