Nicht das letzte Wort

Das Kopftuchverbot in Unternehmen könnte ein Rückschlag für die Integration sein.  

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Kopftuchverbote in der Privatwirtschaft sind mit EU-Recht vereinbar, wenn das Unternehmen klare Neutralitätsregeln hat. Das entschied jetzt der Europäische Gerichtshof in Luxemburg. Die deutsche Rechtsprechung war bisher religionsfreundlicher.

Das Kopftuch erhitzt nach wie vor die Gemüter. Für viele ist es Ausdruck von Frauenunterdrückung und Symbol für einen fundamentalistischen Islam. Sie plädieren deshalb dafür, das Kopftuch weitestmöglich aus dem öffentlichen Leben zu entfernen. Andere glauben, dass Kleidungsverbote genauso wenig mit westlichen Werten zu tun haben wie Kleidungspflichten. Sie halten es auch nicht für frauenfreundlich, wenn gut ausgebildete muslimische Frauen ihren Job verlieren, weil sie ein Kopftuch tragen.

Soweit es um Kopftücher bei Lehrerinnen und Erzieherinnen ging, hatte das Bundesverfassungsgericht zuletzt die liberale Position gestärkt. Das Tragen des Kopftuchs sei durch die Religionsfreiheit geschützt. Es dürfe nicht pauschal verboten werden. Auch die staatliche Neutralität sei nicht berührt, wenn einzelne Staatsbeschäftigte ein Kopftuch tragen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) musste sich jetzt mit Kopftüchern in der Privatwirtschaft auseinandersetzen. Auszulegen war eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2000, die Diskriminierungen im Arbeitsleben verbietet. Verboten sind seither Benachteiligungen wegen Religion, Alter, Geschlecht und sexueller Identität. Umgesetzt wurde sie in Deutschland durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. So bekam eine Zahnarzthelferin in Berlin Schadensersatz, weil sie wegen ihres Kopftuches nicht eingestellt worden war.

Nach dem EuGH-Urteil kann ein Arbeitgeber jedoch einer Kopftuchträgerin kündigen, wenn das Unternehmen den Mitarbeitern mit Kundenkontakt ein neutrales Auftreten vorschreibt. Dies sei durch die unternehmerische Freiheit gedeckt. Damit verliert das Anti-Diskriminierungsrecht in einem wichtigen Anwendungsfall weitgehend seine Bedeutung.

Es ist zwar nachvollziehbar, dass private Arbeitgeber bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter mehr Freiheit haben als der Staat. Immerhin hat ein Privatunternehmen selbst Grundrechte. Es wäre aber ein schwerer Rückschlag für die Integration streng gläubiger Muslime, falls die Unternehmen Europas sich nun flächendeckend Neutralitätsregeln geben würden. Dann könnten qualifizierte Frauen mit Kopftuch nur noch in Unternehmen der so genanten Parallelgesellschaft arbeiten. Das wäre sicher auch kein Fortschritt.

Möglicherweise hat das EuGH-Urteil in Deutschland aber gar keine große Bedeutung, weil das deutsche Grundrecht der Religionsfreiheit mehr Schutz bietet als das Anti-Diskriminierungsrecht der EU. Am Ende wird auch diesen Streit das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

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