Neue Frauen braucht das Genre
COMICVERFILMUNG: Taika Waititis gelungenes Superheldendebüt "Thor: Tag der Entscheidung".
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Aus den Ketten der Gefangenschaft des gigantischen Feuermonsters kann sich Thor (Chris Hemsworth) mit gewohnter Kaltschnäuzigkeit noch befreien, aber dann ist Schluss mit lustig für den göttlichen Angeber. Papa Odin (Anthony Hopkins) macht im norwegischen Exil einen finalen Abgang. Die Heimat Asgard scheint dem Untergang geweiht. Und dann ist da noch die Sache mit dem Hammer: Die böse Schwester Hela (Cate Blanchett) hat die Wunderwaffe des Donnergottes einfach kaputtgemacht.
Einst war Hela Odins Lieblingskind und dessen unermüdliche Kriegerin. Auf ihren blutigen Eroberungsfeldzügen gründete sich Ruhm und Reichtum Asgards. Aber nachdem der Vater sich als Friedensherrscher etablierte, wurde sie abserviert und kehrt nun als veritable Rächerin zurück, um die Erbangelegenheiten ein für alle Mal zu klären. Blanchetts Auftritt als matriarchale Angstfantasie mit schwarzen Lidschatten-Orgien um die Augen und einem okkulten Hirschgeweih auf dem Kopf ist einfach furios. Lässig zerbröselt diese Hela mit einer Hand den Wunderhammer, aus dessen Kräften sich die omnipotente Selbstverständnis des kleinen Bruders speiste – und schon nach kaum zwanzig Kinominuten wird klar, dass Waititi dieses Superhelden-Franchise gründlich gegen den Strich bürstet.
Dabei schöpft er die Selbstironie-Fähigkeit seines Titelhelden aus, die bereits Kenneth Branagh im ersten "Thor"-Film herausgearbeitet hatte, bevor diese göttliche Gabe im bierernsten Hi-Tech-Gewitter des Nachfolgewerkes wieder unterging. Chris Hemsworth lässt den nordischen Hünen mit sichtbarem Vergnügen ordentlich auf den Hund kommen. Der Alpha-Mann landet erstmal auf der Müllkippe eines fremden Planeten und wird von der versoffenen Kopfgeldjägerin Valkyrie (Tessa Thompson) im Schleppnetz an den örtlichen Herrscher verscherbelt.
Und hier gelingt Waititi der zweite Besetzungs-Coup: Jeff Goldblum (siehe Ticket-Interview) spielt den Diktator mit der ihm eigenen irrwitzigen Präzision irgendwo zwischen Nero und Heidi Klum. "Früher warst du niemand. Jetzt bist du jemand" lautet das Firmenmotto seines Planeten, dessen "Grandmaster" das Volk mit Gehirnwäsche, Gewalt und Gladiatorenspektakeln gefügig hält. Zu letzteren wird Thor in die Arena geschickt, wo er auf einen alten Bekannten trifft.
Nach seiner schrägen Vampirkomödie "5 Zimmer Küche Sarg" hat sich der neuseeländische Regisseur Taika Waititi aus dem heimischen Underground-Kino nun direkt nach Hollywood katapultiert – und Marvel hätte keine bessere Einstellungsentscheidung treffen können. Als Firmenneuling bringt Waititi genau jenen frischen Blick auf das Superhelden-Genre mit, den das oftmals allzu selbstherrliche Marvel Cinematic Universe dringend nötig hat. Immer wieder bricht Waititi das heroische Pathos pointiert auf und findet selbst im Digitalgewitter des Finales noch Zeit für aprupte Ironisierungen.
Der Schlüssel zur Erneuerung liegt hier jedoch vor allem im feministischen Input, mit dem die Hypermaskulinisierung des Genres süffisant unterwandert wird. Nach dem Erfolg von "Wonder Woman" des Konkurrenten DC scheint sich auch bei Marvel langsam die Erkenntnis durchzusetzen, dass starke, interessante Frauenfiguren die Coolness eines Produktes erheblich steigern können.
Selbst wenn der gepeinigte Thor am Ende auch ohne Hammer noch ein bisschen die Welt retten darf, sind es Blanchetts grandiose Finsterfrau Hela und die superlässige Valkyrie von Tessa Thompson ("Selma"), die mit dem Film einfach davonlaufen. Bis zur vollständigen Koedukation (von Gleichberechtigung ganz zu schweigen) wird im Superhelden-Genre ebenso wie in den Chefetagen Hollywoods noch einige Zeit ins Land ziehen, aber mit "Ghost in the Shell", "Wonder Woman", diesem feinen "Thor" und der Entlassung Harvey Weinsteins wurde im Kinojahr 2017 auf jeden Fall der richtige Weg eingeschlagen.
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