"Musik mit viel Bass und Vibration"
ZISCHUP-INTERVIEW mit Cornelia und Heiko Krebs, die gehörlos sind, aber trotzdem Musik hören und Auto fahren.
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Haben Sie sich schon einmal vorgestellt, wie es wäre, einen Tag lang nichts zu hören und alle Alltagsaufgaben ohne das Gehör zu meistern? Das machen Heiko und Cornelia Krebs täglich, denn sie sind von Geburt an gehörlos. Sie erzählen davon, wie es ist, mit Barrieren zu leben, welche Menschen man am besten mit Lippenlesen versteht und welche Musik sie mögen. Ihre Tochter, Zischup-Reporterin Fabia Krebs aus der Klasse 9 des BBZ Stegen, hat sie befragt.
Cornelia Krebs: Ich mag den Begriff "gehörlos" mehr, jedoch sagen Hörende taubstumm, da sich das seit Jahrzehnten so eingeprägt hat, was ich nicht gut finde. Wenn sie mich als taubstumm bezeichnen, frage ich sie mit Lautsprache, ob ich stumm bin, denn das bin ich nicht. Mir fehlt nur das Gehör.
Heiko Krebs: Auf der Arbeit sage ich, dass ich taub bin, denn die Bedeutung versteht jeder. Bei dem Wort gehörlos verstehen manche nicht, was das bedeutet. Jedoch bevorzuge ich auch das Wort "gehörlos".
Zischup: Welche Barrieren erlebt ihr im Alltag?
Heiko Krebs: Bei der Arbeit im Pausenraum bekomme ich Witze nicht mit, und wenn ich nachfrage, sagen meine Kollegen oft "Ach, der spinnt nur". Da bin ich sehr ausgeschlossen. Oft überlege ich auch, was, wenn meine Frau einen platten Reifen hat? Aber da weiß ich, sie kann per Tess den ADAC anrufen. Viele Barrieren werden dank moderner Techniken aufgehoben oder erleichtert.
Zischup: Was ist denn "Tess"?
Heiko Krebs: Das ist ein Telefondolmetschdienst. Hörgeschädigte rufen dort an und kommunizieren per Videochat mit einem Dolmetscher, der die Zwischenzentrale ist. Der Dolmetscher ist die Stimme des Hörgeschädigten und übersetzt in Lautsprache für den hörenden Gesprächspartner und in Gebärdensprache für den hörgeschädigten Gesprächspartner.
Zischup: Arbeitet ihr? Und gibt es bei der Arbeit Schwierigkeiten mit der Gehörlosigkeit?
Heiko Krebs: Ja, ich arbeite in der Reparaturzentrale bei Mercedes Benz als Werkzeugbauer. Ich bin sehr beliebt bei meinen Kunden. Sie mögen es, dass ich schnell arbeite und die Modelle sehr ihren Vorstellungen entsprechen. Manche bevorzugen mich einem Hörenden.
Cornelia Krebs: Ich arbeite als Kontrolleurin bei Mercedes Benz und achte darauf, dass die Autoteile keine Risse, Kratzer oder Ähnliches haben. Probleme auf der Arbeit hatte ich nie. Die Arbeitgeber schauen auf die Leistungen, die erbracht werden. Ist man fleißig und zuverlässig, gibt es keine Probleme.
Zischup: Und wie verständigt ihr euch im Alltag mit fremden Personen, wie zum Beispiel in der Bäckerei oder im Bauhaus?
Cornelia Krebs: Ich sage immer zuerst, dass ich taub bin und dass man langsam und deutlich reden soll, und anschließend sage ich, was ich möchte. Wenn das nicht verstanden wird, schreibe ich es auf einen Zettel.
Heiko Krebs: Das mache ich auch so, aber mittlerweile kennen mich viele Mitarbeiter. Im Bauhaus zum Beispiel wissen sie schon, dass sie langsam und deutlich sprechen sollen. Das klappt sehr gut.
Zischup: Ist Lippenlesen dabei eine große Hilfe?
Cornelia Krebs: Es kommt drauf an, ob die Person deutlich spricht oder nuschelt. Ob man gut Deutsch spricht, ist dabei nicht so wichtig, sondern wie man seinen Mund bewegt.
Heiko Krebs: Genau, meistens sind es die Südländer, die man am besten versteht. Sie bemühen sich deutlich mit dem Mund zu sprechen, und die Mimik ist sehr gut zu verstehen. Deutsche sind da sehr steif und verkrampft, die meisten bemühen sich kaum.
Zischup: Wie reagieren Menschen, wenn ihr sagt, dass ihr gehörlos seid?
Heiko Krebs: Das ist wirklich sehr unterschiedlich, denn manche werden ganz offen und hilfsbereit, während andere einfach weggehen. Da zeigt sich das Denken, dass man mit Gehörlosen nicht reden kann. Ich erlebe auch oft, dass angefangen wird Englisch oder Französisch zu sprechen, da man mich für einen Ausländer hält, weil meine Aussprache nicht perfekt ist.
Zischup: Und was können Hörende bei der Kommunikation mit euch besser machen?
Heiko Krebs: Sie sollen langsam und deutlich sprechen und kurze, einfache Sätze formulieren. Das würde sehr helfen.
Zischup: Habt ihr einen Führerschein?
Cornelia Krebs: Ja, ich habe einen Autoführerschein, mein Mann hat einen Führerschein für das Auto, Motorrad, Anhänger und das Motorboot. Mein Arbeitskollege hat einen gehörlosen Freund in Rumänien, der keinen Führerschein machen darf, deswegen war er sehr überrascht, dass ich einen habe. In 26 Ländern der Welt ist es für gehörlose Menschen verboten, einen Führerschein zu machen.
Zischup: Geht ihr feiern? Wenn ja, welche Musik mögt ihr am meisten?
Cornelia Krebs: Ja klar, am liebsten DJs wie Tomcraft, da spüren wir die Vibration in seiner Musik. Wir brauchen Musik mit viel Bass und Vibration, gesangliche Lieder bringen uns nichts.
Heiko Krebs: Genau, aber zum Entspannen mag ich Didgeridoo gerne.
Zischup: Ist es wichtig, Kontakt mit anderen Gehörlosen zu pflegen? Oder habt ihr nur hörende Freunde?
Cornelia Krebs: Ich bin mit Gehörlosen aufgewachsen. In meinem Freundeskreis gibt es nur Gehörlose.
Heiko Krebs: Definitiv, mit gehörlosen Personen kann ich tiefgründige Gespräche führen, mit den Hörenden nur oberflächliche, weil wir eine sprachliche Barriere haben.
Zischup: Wo habt ihr mehr Vorteile als Hörende?
Heiko Krebs: Ein Vorteil ist der Schwerbehindertenausweis. Mit dem kommen wir an viele öffentliche Orte, wie das Schwimmbad, kostenlos oder mit Preisermäßigung rein. Und wir zahlen nur halb so viel Autosteuern.
Cornelia Krebs: Im Europa-Park ist unser Schwerbehindertenausweis eine kostenlose VIP-Karte, denn wir müssen nie anstehen, sondern dürfen sofort mit den Achterbahnen fahren. Aber ein großer Nachteil ist, dass es nicht überall Untertitel gibt.
Heiko Krebs: Genau, das Fernsehen ist manchmal sehr langweilig, genau wie Kino, weil man nichts versteht.
Zischup: Seid ihr glücklich damit, gehörlos zu sein?
Heiko Krebs: Dadurch, dass ich gehörlos auf die Welt gekommen bin, kenne ich die Welt nicht anders als so, wie ich sie wahrnehme. Ich bin glücklich, denn so lebe ich schon immer. Aber ich kann mir vorstellen, dass es für Menschen schlimm ist, wenn sie erst im Laufe ihres Lebens ertauben. Sie wissen, wie es war, hörend zu sein. Da kann ich mir vorstellen, dass sie sehr unglücklich sind und sich ihr Gehör wieder zurückwünschen.
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