Mickey Mouse versenkt Millionen
Eurodisney Paris wird 25 Jahre alt / Wirtschaftlich gesehen gibt es nichts zu feiern / Der Verlust lag zuletzt bei 705 Millionen Euro.
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MARNE-LA-VALLÉE. Disneyland Paris feiert am Wochenende sein 25-jähriges Bestehen. Der mit Abstand größte Vergnügungspark Europas lockt zwar an die 15 Millionen Menschen im Jahr an, bleibt finanziell aber ein Reinfall. Jetzt muss sich das Mutterhaus aus den USA stärker engagieren.
Es ist Februar, Schneeflocken wirbeln durch den 2200 Hektar großen Disney-Komplex im Osten von Paris. Trotz der stolzen Preise – eine vierköpfige Familie im Park kommt schnell auf 300 Euro ohne Anreise – strömen täglich Zehntausende hierher. Das Angebot an Attraktionen und Verpflegung ist reich, das Personal freundlich und die Infrastruktur intakt. Derzeit sind die Toilettensitze beheizt.
Um den doppelten Vergnügungspark – der neuere zum Thema Film – situieren sich sieben Hotels, 55 Restaurants, zwei Kongresszentren und ein Golfplatz. 30 000 Menschen arbeiten und wohnen hier in Marne-la-Vallée, dem Tal des Marne-Flusses. Vor 1992, als der Park die Tore öffnete, waren es kaum 5000 gewesen. Um Disney anzulocken, baute die französische Regierung damals eine Bahnlinie aus Paris sowie einen TGV-Bahnhof.
An diesem Samstag werden der französische Präsident François Hollande und die britische Park-Vorsteherin Catherine Powell vor Ort das 25-jährige Jubiläum der Erfolgsstory zelebrieren und eine Attraktion namens Star Tours einweihen.
Erfolgsstory? Seit einem Jahrzehnt zählt der Doppelpark 14 bis 15 Millionen Besucher im Jahr. Wegen der Attentate in Paris, die zu einer viertägigen Parkschließung führten, gingen die Besuche im Geschäftsjahr 2015/2016 um zehn Prozent zurück; im vergangenen Quartal haben sie wieder um sechs Prozent zugelegt. Disneyland Paris ist in Europa klare Nummer eins, kommt es doch auf ein Mehrfaches der Gästezahl anderer Parks.
Finanziell ist Eurodisney, wie der Firmenname des viertältesten Disney-Parks neben Kalifornien, Florida, Tokyo, Hongkong und Schanghai lautet, allerdings ein Desaster. In 25 Jahren schaffte er nur sieben positive Jahresabschlüsse. Im vergangenen Geschäftsjahr setzte es einen Rekordverlust von 705 Millionen Euro. Das lag nicht nur an der Terrorangst möglicher Besucher. Eurodisney schleppt bis heute Schulden von rund einer Milliarde Euro mit sich herum, deren Zinslast auf die Jahresrechnung drückt – seit Parkeröffnung 1992 schon.
Bis heute rächt sich, dass das Mutterhaus Walt Disney sein europäisches, 3,8 Milliarden Euro teures Abenteuer einzig per Kredit finanzierte. Der Konzern mit Sitz im kalifornischen Burbank ahnte es wohl voraus, zeichnete er doch vorsichtshalber nur eine Minderheit des Kapitals am Pariser Park. Den Rest brachten vor allem französische Kleinanleger auf. Sie folgten dem Ruf des sozialistischen Präsidenten François Mitterrand, das Disney-Projekt mit seinen 55 000 direkten und indirekten Arbeitsplätzen als "Volksaktionäre" zu unterstützen. Die Aktie kletterte zunächst von 11 auf bis zu 25 Euro – um in den Folgejahren auf gut einen Euro abzustürzen. Der Schuldendienst wog zu schwer; zudem reservierte sich Disney sechs Prozent des Umsatzes als Lizenzabgaben. Die meisten Überschüsse fließen damit in die Walt Disney Company, die dank ihren rekordhohen Filmeinnahmen – 2016 über sieben Milliarden Dollar – ohnehin im Geld schwimmt.
Während der reiche US-Onkel Dagobert also seine Geldschränke füllte, blieb den europäischen Neffen nur eine leere Kasse. Trotz des Besucherzustroms ist die Eurodisney-Aktie derzeit nur rund zwei Euro wert. "Disneyland Paris könnte rentabel sein, aber das ganze Geld wandert seit Langem in die USA", beklagt sich die französische Anlegerin Catherine Berjal. Ihr Investmentfonds Ciam hat in Paris gegen den Disney-Konzern Klage wegen "schlechter Führung und missbräuchlichem Verhalten" eingereicht. In den letzten zehn Jahren seien 930 Millionen Euro unrechtmäßig nach Burbank abgesaugt worden, hat sie ausgerechnet. Im Januar verließ die Managerin Valérie Bernis den Verwaltungsrat von Eurodisney, da Disney "gegen die Interessen" des Pariser Parks und seiner Aktionäre handle.
Die Walt Disney Company weist die Vorwürfe als "falsch" zurück. Allerdings hatte sie den Park 2014 selbst schon massiv rekapitalisieren müssen. "Wir haben durch Arroganz gesündigt", gestand der Eurodisney-Vorsteher Philippe Gas. Damit meinte er auch die US-Philosophie, die dem europäischen Park anfangs Fastfood mit Alkoholverzicht verordnete. Heute herrschen in Marne-la-Vallée europäische Standards; im Bistro Chez Rémy gibt es zum Beispiel für 54,99 Euro ein Drei-Gänge-Menü mit Fisch und Wein.
Nun will die Disney-Mutter noch weitergehen. Wie sie jüngst ankündigte, ist sie bereit, die ganze Verantwortung für ihren europäischen Park zu übernehmen und das ganze Kapital für zwei Euro die Aktie aufzukaufen. Dann soll die Tochter von der Börse genommen werden. Außerdem will die Mutter 1,5 Milliarden Euro in den Park investieren. Sie zeigt damit, dass sie wirklich an die Zukunft des europaweiten Tourismusmagneten glaubt – nach einem Vierteljahrhundert.
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