Verschwindet die Literatur im Deutschunterricht? Statt Erzählungen und Romane zu lesen, sind Schüler heute weit gehend mit dem Anzapfen von Wissensspeichern und dem Erwerb von Medienkompetenz beschäftigt / Von Alfred Eckerle.
W issen, Information, "Stoff" sind die Agenzien, mit denen in der Schule gehandelt wird. Bezahlt wird mit Leistungsnachweisen und Noten. Peter Bichsel sagt: "Wer Welt will, muss das Lesen verbieten. Lesen hat mit der Schule sehr wenig zu tun, die Schule ist ein sehr ungeeigneter Ort, Leute zu Lesern zu machen." Robert Walsers "Jakob von Gunten" beginnt mit dem Satz: "Man lernt hier sehr wenig." Gemeint ist das Institut Benjamenta, eine Dienerschule, die es darauf abgesehen hat, leere Rituale des Gehorsams einzuüben. Man kann das auf die heutige Schulsituation übertragen: "Man lernt hier sehr wenig." "Wenig" kann auch durch "viel" ersetzt werden: "Man lernt hier sehr viel." Oder noch genauer: "Man lernt hier sehr viel Unsinniges." "Ich habe noch nicht genügend Stoff zusammen für die nächste Arbeit", ist ein häufiges Pausenwort von Kollegen (und von einem selbst). So ist Schule.
Mittlerweile gibt es einen grotesken Methodenüberhang, dem die Inhalte subsumiert werden. "Methodentraining", "Planspiele", "Kommunikationstraining" ...