Account/Login

Mal auf das privilegierte Leben verzichten

WAS TUN IM AUSLAND (TEIL 8): Ein Freiburger Student arbeitete bei einem internationalen Workcamp im Bergdorf Karago in Zentral-Kenia.  

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen

Klassenräume sind an sich ja eher unspektakulär. Man verbringt den Großteil seiner Schulzeit in ihnen, schreibend, lesend, dem Unterrichtsgeschehen mal mehr, mal weniger aufmerksam lauschend, gelegentlich auch schlafend. Nur wenige Menschen würden vermutlich auf die Idee kommen, in Raum 205 ein paar Hühner zu schlachten oder Holz zu hacken.

Nicht so in Karago, einem kleinen ländlichen Dorf in den Bergen Zentral-Kenias. Die dortige Grundschule muss für alles und jeden herhalten, zumindest in den Schulferien. Auch für eine Gruppe internationaler Freiwilliger, die hier zum Erstaunen der örtlichen Bevölkerung für drei Wochen im Rahmen eines Workcamps Quartier bezogen hat.

Organisiert von der "Kenya Voluntary Development Association" (KVDA), einer kenianischen Organisation für Freiwilligendienste, haben sich hier 25 junge Menschen aus Europa, Asien und Afrika eingefunden, um in den nächsten Tagen und Wochen zusammen mit den Einwohnern Karagos zu leben und zu arbeiten. Gemeinsam wollen die Workcamper den zur Schule führenden Trampelpfad zu einer befahrbaren Straße ausbauen. Neben dem praktischen Nutzen soll dadurch – entsprechend dem offiziellen Leitmotiv des Camps – auch "Civil Education", also der geistige und kulturelle Austausch zwischen jungen Freiwilligen und der örtlichen Bevölkerung gefördert werden. Hierzu nehmen am Workcamp neben den ausländischen auch vier einheimische Freiwillige teil.

Untergebracht in den Klassenräumen der Schule versorgt sich das Team der Freiwilligen weitgehend selbst, wird jedoch mit Lebensmitteln und Brennholz von den Bewohnern der umliegenden Farmen unterstützt. Der Mangel an Elektrizität in Karago lässt sich meist verschmerzen, nur wenn mal wieder das Wasser auf dem Lagerfeuer auch nach einer halben Stunde nicht kochen will, sehnt man sich nach einem Elektroherd.

Richtig anstrengend ist es, den Tagesvorrat an kühlem Nass jeden Morgen in mehreren Kanistern vom Bach den Hang hinauf zur Schule zu schleppen. Auch wirkt die braune Brühe nicht wirklich verlockend. Und die sanitären Anlagen sind erwartungsgemäß eher rudimentär und beschränken sich auf ein paar Latrinen, aber was soll’s, auch das lässt sich verkraften. Für eine "Dusche" mit fließendem Wasser hat sich hingegen recht schnell eine geeignete Stelle gefunden: an einer kleinen Stromschnelle des Bachs wäscht man sich vor tropischer Kulisse.

Ein wenig schwieriger gestaltet es sich, die auf Schritt und Tritt folgende kenianische Kinderschar für ein paar Augenblicke loszuwerden. Neugierig wird jede noch so banale Tätigkeit der fremden Weißen mit größtem Interesse verfolgt: sei es ein Buch zu lesen, sich den Schuh zu binden oder einfach von einem Raum in den anderen zu gehen. Für manche Kinder in Karago ist es das erste Mal, dass sie einen "Musungu", also einen Nicht-Afrikaner zu Gesicht bekommen. Zwar beruhigt sich die anfängliche Aufregung darüber ein wenig im Lauf der folgenden Tage und Wochen, das Highlight des Jahres in Karago bleiben die Freiwilligen aber trotzdem.

"Workcamp-Helfer

kommen auch in Gegenden,

in die sich nur selten

ein Tourist verirrt."

Arne Schiffer, Workcamper
Auch für die erwachsenen Bewohner des Dorfes stellt das Workcamp zweifellos ein ganz besonderes Ereignis dar. Zwar bringen sie ihr Erstaunen darüber ein wenig diskreter zum Ausdruck, ihrer Neugier gegenüber den Fremden tut das allerdings keinen Abbruch. Das kommt vor allem bei den zahlreichen Einladungen an die Freiwilligen zum Ausdruck.Während dieser so genannten "Homevisits" hat man bei Tee und Chapati, einer Art afrikanischem Pfannkuchen, noch einmal gute Gelegenheit, "Civil Education" zu erleben, soll heißen, sich mit den Einheimischen geistig-kulturell auszutauschen. Vor allem politische Diskussionen sind höchst interessant, schließlich bekommt man hier bei Themen wie Globalisierung die Sichtweise von Betroffenen zu hören. So zum Beispiel die von Iuki, dem Schulleiter, der an der Friedensmission der Afrikanischen Union in Darfur teilnimmt.

Der Kontakt zur einheimischen Bevölkerung und die einfache, den örtlichen Gegebenheiten angepasste Lebensweise sind es, die einen solchen Workcamp-Aufenthalt in einem Land wie Kenia so besonders machen. Allein der Status, als Freiwilliger vor Ort zu arbeiten und nicht Tourist zu sein, bewirkt in der Wahrnehmung der Einheimischen einiges und öffnet so manche Türen. Land und Leute lassen sich dadurch oft wesentlich intensiver und intimer kennen lernen, auch führt ein solcher Aufenthalt oft in Gegenden, in die sich selten ein Tourist verirrt.

Der Grundsatz "andere Länder, andere Sitten" gilt hier natürlich auch. So sollte man es beispielsweise hinnehmen können, anstatt der angekündigten zehn Minuten am Ende eineinhalb Stunden auf den Bus zu warten. Wer aber bereit ist, auf sein privilegiertes Leben eine Weile zu verzichten, dem ist ein solcher Workcamp-Aufenthalt wärmstens zu empfehlen. Informationen über Workcamps gibt’s zum Beispiel bei Youth Action for Peace – Christlicher Friedensdienst oder beim Service Civil International.
http://www.yap-cfd.de und http://www.sci-d.de

Ressort: Zisch

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel