Account/Login

Lieschen Müller gibt es überall

Bestimmte Namen stehen in Deutschland für einen Durchschnittsmenschen – auch andere Länder benutzen solche Personifizierungen.  

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
1/4
Foto: Antony McAulay - stock.adobe.com

BERLIN (dpa). Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller: Damit sind in Deutschland der Mann und die Frau von der Straße gemeint. Andere Länder kennen Juan Pérez und Jan Modaal. Und wie sagt man in China oder Israel? Ein internationaler Streifzug.

Wenn die Welt kompliziert ist, gibt es im Deutschen den Satz: "Das versteht Lieschen Müller nicht." Das heißt, die Frau von der Straße, die nicht rund um die Uhr Akten studiert oder Leitartikel liest, kommt einfach nicht mehr mit. Auch bei Otto Normalverbraucher weiß der Bürger, wovon die Rede ist: von ihm, dem Normalo, der Steuern zahlt oder um seinen Diesel fürchtet. Oft spielt der Begriff in der Politik eine Rolle, wenn es bürgernah werden soll. Das Phänomen gibt es in vielen Sprachen und Ländern der Welt.
In Italien heißt Pinco Pallino so viel wie Otto Normalverbraucher. Für Formulare wird Mario/Maria Rossi oder Bianca Rossi benutzt. Ein bekannter Begriff in den USA ist John Doe oder Jane Doe. So wie Erika Mustermann in den deutschen Behörden. Auch Frau Mustermann hat eine Geschichte, aber dazu später.

In den Niederlanden heißt Otto Normalverbraucher Jan Modaal (Jan Durchschnitt). Interessant ist: In den vergangenen zehn Jahren ist zunehmend eine andere Bezeichnung aufgekommen, die der Rechtspopulist Geert Wilders geprägt hat "Henk und Ingrid". Wilders definierte diese selbst als "Durchschnittsniederländer". Bodenständige, ehrliche Leute, die immer pünktlich ihre Steuern zahlen und sich nach seiner Darstellung von "Ahmed und Fatima" bedroht fühlen, weil sie diese letztlich finanzieren müssten. Viele Niederländer, die tatsächlich Henk oder Ingrid heißen, haben sich von dieser Sicht distanziert. In der Türkei funktioniert es ebenfalls mit Vornamen. Dort heißen die sprichwörtlichen Bürger etwa Ali, Veli, Ahmet, Mehmet, Ayse oder Fatma. In Polen ist sowohl der Mustername für Formulare als auch der Normalverbraucher Jan Kowalski. Sowohl der Vor- als auch der Nachname sind weit verbreitet. Man spricht auch vom "gewöhnlichen Kowalski" (zwykly Kowalski), also zum Beispiel: "Was bedeutet die Steuerreform für den gewöhnlichen Kowalski?" In Österreich warnt ein Portal vor "Ernährungsfehlern von Herrn und Frau Österreicher". Dort kennt man auch eine Frau Mustermann.
In Israel heißen Durchschnittsbürger in der Statistik oder in Dokumenten Israel Israeli (Mann) oder Israela Israeli (Frau). Früher wurde im Straßenslang der jiddische Name Moische Suchmir (auf deutsch etwa: Mosche Suchmich) gebraucht, wenn es um eine beliebige Person ging.

Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher heißen in Norwegen Ola und Kari Nordmann – "Nordmann" ist der Norweger. Diese Namen werden auch in Formularen genutzt. In Schweden sagt man Medel-Svensson für den Durchschnittsbürger, in Dänemark Herr Sørensen. In Spanien und im spanischsprachigen Lateinamerika wird von Fulano (irgendwer) gesprochen. Der Normalverbraucher kann auch Juan Pérez sein.

Das Phänomen gibt es rund um den Globus. In China wird als Mustername auf Formularen der Name Zhang San benutzt. Um die einfache Bevölkerung zu beschreiben, wird oft der Begriff Buyi genutzt, was übersetzt schlichte Baumwollkleidung heißt. Die Bezeichnung stammt aus einer Zeit, in der sich nur sehr wohlhabende Menschen und hohe Beamte Kleidung aus hochwertigeren Materialen leisten konnten.

In Deutschland ist Erika Mustermann seit den 1980er Jahren als Ausweisname bekannt. Die Fotos von Frau Mustermann zeigen heute und früher Mitarbeiterinnen der Bundesdruckerei, die die Ausweise für die deutschen Ministerien fertigt. Die Druckerei hält sich bei dem Thema bedeckt. Wer die Frauen sind, soll weiterhin geheim bleiben.

Und was steckt hinter Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher? Der Sprachwissenschaftler Lutz Kuntzsch und seine Kollegin Hannah Schultes von der Gesellschaft für deutsche Sprache verweisen auf Expertenaufsätze: So ist Lieschen Müller laut Autor Heinz Küpper eine "fiktive Person mit seichter, kritikloser, zu Rührseligkeit neigender Kunstauffassung". Möglicherweise stammt er aus dem Roman "Lumpenmüllers Lieschen" aus dem 19. Jahrhundert.

Otto Normalverbraucher kommt demnach von einer gleichnamigen Filmfigur, die von Gert Fröbe gespielt wurde. Die "Berliner Ballade" von 1948 erzählt die Geschichte eines Kriegsheimkehrers, der seinen Alltag zwischen Ämtern und Lebensmittelkarten meistern muss.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 02. Juli 2018: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel