Flüchtlingsunterbringung
Langfristig soll die "Sonne" in Merdingen wieder zum Gasthaus werden
Mi, 18. September 2024, 20:00 Uhr
Merdingen
Seit 14 Monaten leben in der Merdinger "Sonne" Geflüchtete. Das läuft problemlos, sagt Bürgermeister Martin Rupp. Die Suche nach einem Betreiber für die Zeit danach soll bald intensiviert werden.
Keine Beanstandungen aus der Bevölkerung und auch die Zusammenarbeit mit dem zuständigen Landratsamt klappt gut – so fasst Merdingens Bürgermeister Martin Rupp die bisherigen Erfahrungen mit der Unterbringung von Geflüchteten in der "Sonne" zusammen. Auch dem Landratsamt sind keine Beschwerden bekannt. Bei 7 Quadratmeter Wohn- und Schlaf-Fläche pro Person ist in der Sonne Platz für 25 maximal, teilt Landratsamtssprecher Matthias Fetterer auf BZ-Anfrage mit.
Zuletzt waren seinen Angaben nach 19 Menschen dort untergebracht, allesamt stammen sie aus der vom russischen Angriffskrieg gebeutelten Ukraine. Es handle sich ausschließlich um Familien. Das, sagt Bürgermeister Martin Rupp, hänge auch mit dem Zuschnitt der Zimmer zusammen, die sich für diese Gruppe eher anbieten als für einzelne Geflüchtete. Im Obergeschoss gebe es größere Räumlichkeiten, im hinteren Bereich eine abgeschlossene Wohnung, die Gaststube diene als Aufenthaltsraum und werde für die Mahlzeiten genutzt. Die Gemeinde selbst hat derzeit 27 Menschen aus der Ukraine, die ihr zugewiesen worden sind, im Ort untergebracht. Dazu kommen 19 weitere, die aus verschiedenen Ländern stammten, sagt Rupp.
Kombination aus Gastronomie und Ferienwohnungen
In der "Sonne" leben Menschen, die nach ihrer Zeit in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Baden-Württemberg in die zweite Stufe, die vorläufige Unterbringung wechseln. Für die sind die Stadt- und Landkreise zuständig. Die ersten sind am 15. August 2023 eingezogen. Die meisten bleiben nicht lange. Die zweite der insgesamt drei Stufen des Verfahrens ist nur eine Zwischenstation. "Es ist ein ständiger Wechsel", sagt der Bürgermeister. Die Bewohner der "Sonne" seien relativ kurz in Merdingen. Manche ein paar Wochen, andere maximal drei bis vier Monate, bevor sie dann im Zuge der Anschlussunterbringung einer Gemeinde zugeteilt werden. Die Betreuung durch das Landratsamt, das einmal die Woche Sprechstunden anbietet für alle Fragen rund um Anträge, Behörden und medizinische Versorgung, sei gut. Die zentrale Lage des Gebäudes in der Gemeinde ist aus Sicht des Landratsamts ein Plus. Es gebe unter anderem eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, und Schulen und Einkaufsmöglichkeiten seien gut zu erreichen.
Das Gebäude ist seit mindestens 1689 als Gasthaus genutzt worden. Diese Tradition fand im März 2021 ein vorläufiges Ende. Damals verkauften Susanne und Hubert Saladin die "Sonne", die seit mehr als 100 Jahren im Familienbesitz war, aus Altersgründen und weil sich in der Familie keine Nachfolge fand, an die Freiburger Genossenschaft Bogenständig. Diese hat das denkmalgeschützte Gebäude dann für 6700 Euro Monatsmiete plus Betriebskosten an den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald vermietet.
Gesucht: Ein Betreiber, der alles aus einer Hand anbietet
Langfristig würde sich die Gemeinde wünschen, dass die denkmalgeschützte Immobilie wieder gastronomisch genutzt wird. Werden denkmalgeschützte Gebäude im Ortskern saniert, sieht Merdingens Gemeindentwicklungskonzept eine Förderung von maximal 40.000 Euro vor. Würde die "Sonne" wieder zum Gasthaus werden, könnten es auch mehr werden – einen entsprechenden Beschluss des Gemeinderats vorausgesetzt, sagt Bürgermeister Rupp.
Die Genossenschaft setzt bei der "Sonne" auf eine Kombination aus Gastronomie und Ferienwohnungen, sagt Philipp Lais, einer der Vorstände von Bogenständig. Angedacht seien 13 bis 14 Ferienwohnungen. Gesucht werde ein Betreiber, der "alles aus einer Hand" anbiete. Die Verbindungen beider Geschäftsfelder sei ein bereits erprobtes Modell, um ein "interessantes Objekt" wie das in Merdingen in die Gewinnzone führen zu können, sagt Lais. Er verweist auf die Rainhofscheune in Kirchzarten. Bogenständig ist daran nicht beteiligt, aber sein Vorstandskollege Willi Sutter zählt zu den Besitzern – die einen ähnlichen Ansatz verfolge. Das gastronomische Konzept müsse zur "Sonne" passen. Lais kann sich zum Beispiel gutbürgerliche Küche vorstellen. Bisher sei viel über Kontakte gelaufen. Gemeinsam mit der Gemeinde solle die Suche nach einem zukünftigen Betreiber demnächst intensiviert und eine Werbeaktion gestartet werden.
Die Nutzungsdauer durch das Landratsamt beträgt zwei Jahre, die um ein weiteres Jahr verlängert werden kann. Selbst wenn der Landkreis die Option nicht wahrnähme, könnte also frühestens im August 2025 mit den notwendigen Umbaumaßnahmen begonnen werden. Pläne liegen bereits vor, sagt Lais. Die "Sonne" müsse kernsaniert werden. Bezugsreif wäre das Gebäude dann nach zwei bis drei Jahren. Wie viel das kosten werde, hänge von der Art der Erweiterung und des Ausbaus ab und könne deshalb zum derzeitigen Stand nicht beziffert werden.
- Rückblick: Die Merdinger "Sonne" gibt es seit Jahrhunderten – jetzt ist Schluss (April 2021)
- Hintergrund: Erste Geflüchtete sollen bald ins Gasthaus "Sonne" in Merdingen ziehen (August 2023)
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