"Kunst ist für Jugendliche Freiheit, Atem und ein Ausweg"
JUZ-INTERVIEW: Der holländische Komponist Guus Ponsioen über seinen Workshop bei der Schultheaterwerkstatt und die Bedeutung von Kultur für junge Leute.
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100 Mädchen und Jungen haben diese Woche schulfrei bekommen, um an der 14. Schultheaterwerkstatt im Theater im Marienbad und im Theater Freiburg teilzunehmen. Sie inszenieren das Stück "Schwerelos" von Peter Handke, das am Samstag - nicht öffentlich - aufgeführt wird. Yannic Federer sprach mit dem holländischen Komponisten Guus Ponsioen, der in der Werkstatt den Musikworkshop leitet.
Ponsioen: Nein. Ich habe ein Musical über Fußballspieler geschrieben, aber ich mag Fußball gar nicht. Ich finde, das sind alles verwöhnte, reiche Leute, und sie sind faul.
JuZ: Wie läuft Ihr Musik-Workshop in Freiburg ab?
Ponsioen: Es ist noch viel offen. Für mich ist es wichtig, den Musikern, die teilnehmen, zu zeigen, dass Theater etwas anderes ist als ein Konzert. Ich habe viele Arbeiten mitgebracht und ich kann viel über Musik und über meine Musik erzählen. Aber eigentlich geht es darum, was ich aus diesen Leuten herausholen kann. Es geht nicht um meine Musik. Es geht um die Musik der Schüler.
JuZ: Müssen die Teilnehmer schon musikalische Kenntnisse mitbringen?
Guus Ponsioen: Nein. Es ist natürlich wunderbar für den Musikworkshop, wenn sie schon Kenntnisse haben. Aber zwei Teilnehmern, zum Beispiel spielen kein Instrument. Ich hoffe sie können singen, denn das ist meine große Liebe.
JuZ: Hauptberuflich sind Sie ja Komponist. Sie haben die Musik für viele holländische Stücke geschrieben, sind europaweit bekannt und haben auch schon, zum Beispiel bei "Parcival" und der "Geschichte vom Baum"für das Theater im Marienbad gearbeitet. Wie kommt es, dass Sie trotzdem noch Zeit für diese doch schon recht umfangreiche Jugendarbeit finden?
Ponsioen: Ich arbeite sehr gerne mit und für Kinder. Mit 53 bin ich in einem Alter, in dem ich mehr noch als vorher das Gefühl habe, etwas weitergeben zu müssen. Vor allem meine Passion für das Theater. Wenn man mich fragt, ob ich Komponist bin, sage ich sehr stolz: Ja, ich bin Theaterkomponist. Ich bin mit dem Theater verbunden, mit dem Text, der Bewegung, mit dem Licht, dem Bühnenbild. Das alles mit der Musik kombiniert ist für mich das Interessante.
JuZ: Welche Bedeutung hat heute Kultur für Jugendliche?
Ponsioen: Sie ist alles! Alles! Man sagt, Kunst ist das Gewissen des Volkes. Oder das Theater ist die neue Kirche. Das sind Klischees, aber sie sind wahr. Kunst ist für Jugendliche Freiheit, Atem und ein Ausweg aus einer schrecklichen ökonomischen Unterdrückung. Kunst ist das Wichtigste, was man einem Jugendlichen heute geben kann. Ich habe selbst drei Kinder, und ich sehe, wie wichtig das ist.
JuZ: Wie frei werden Sie mit Peter Handkes Stück "Schwerelos" umgehen?
Ponsioen: Das Stück besteht aus kurzen Szenen, kaum Text und viel Bewegung. Wir können also hier in der Werkstatt auch eigene Themen einbauen.
JuZ: Sie haben angekündigt, den Musikern zeigen zu wollen, dass die Musik im Theater als Diener fungiert.
Ponsioen: Auch, nicht nur. Die Musik soll auch ihre eigene Geschichte erzählen. Es ist traurig, wenn in einem Musical nach einer Szene, die von der Liebe handelt, auch noch ein Lied kommt, das von der Liebe erzählt. Aber die Musik soll insofern Diener sein, dass sie mit den Schauspielern zusammenarbeitet. Man muss auch begleiten können, nicht nur strahlen. Und dann bemerkt man, dass Begleiten oft auch Strahlen ist.
JuZ: Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade komponieren?
Ponsioen: Vater sein. Meiner Frau mit den Kindern helfen. Mit dem Hund spazieren gehen. Lesen. Und viel zu wenig entspannen. Letzte Woche fragte mich jemand, ob ich überhaupt noch etwas anderes mache außer komponieren und schreiben.
JuZ: Wenn Sie zu Hause sind und abschalten wollen, welche Musik legen Sie ein?
Ponsioen: "Stabat Mater" von Percolesi. Das ist meine Therapie. Und Bach! Ich höre sehr gerne ruhige Musik, um zu entspannen.
JuZ: Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, welche wären das?
Ponsioen: Dass ich sehr lange noch meine Kinder aufwachsen sehe. Dass ich kein Beethoven werde: Ich werde diesen Sommer an einem Ohr operiert, und das ist ein kleines Drama für mich. Und für mich ist es ganz wichtig, dass ich alt werde und dass ich in Frieden sterben werde. Und dass ich auch verstehen werde, warum ich gehe. Aber das sind viel zu schwere Fragen. Das kommt durch mein Alter. Und Künstler sind sowieso von drei Dingen besessen: von Selbstbestätigung, Sex und vom Tod.
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