Allgäu
Kuhstylist Tobias Guggemos macht Rinder hübsch
Öl fürs Euter, Spray fürs Fell, Toupets für den Schwanz: Kuh-Fitter richten Rinder für große Auftritte her. Für manche Züchter geht es dabei um eine Menge Geld. Doch das Schönmachen hat seine Grenzen.
Frederick Mersi
Mi, 6. Mai 2020, 21:02 Uhr
Panorama
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Wie oft er das in den vergangenen sieben Jahren getan hat, weiß Guggemos nicht genau. "200 bis 300 Tiere werden es schon sein", sagt er und lacht. "Irgendwann hört man auf zu zählen." Aber er weiß, worauf es ankommt: eine gerade Oberlinie am Rücken als Zeichen für Langlebigkeit, die Betonung von breiten, abfallenden Beckenknochen, die fürs Kalben wichtig sind, und gut sichtbare Adern, die viel Milch versprechen. "Das Auge spielt immer mit", sagt Guggemos.
Deswegen reibt er Euter mit Babyöl ein, kaschiert Unebenheiten am Rücken durch gerade Felllinien oder bringt ein Echthaartoupet am Schwanz an. "Manche finden auch Muster im Fell total toll, aber das mache ich nur spaßeshalber."
Bis zu zweieinhalb Stunden kann es dauern, bis seine Kundinnen für Zuchtschauen bereit sind. Für dieses Hobby muss im Zweifelsfall auch mal die Arbeit auf dem Hof der Eltern in Rückholz im Landkreis Ostallgäu in Bayern hintenanstehen. Schöne Kühe können Züchtern beim Verkauf der Kälber, Embryonen oder des Tieres selbst viel Geld bringen. "Für eine durchschnittliche Kuh bekommt man bis zu 2000 Euro", schätzt Guggemos, der auch Vorsitzende der Allgäuer Jungzüchter ist. "Ein echter Champion kann aber 5000 bis 10 000 Euro wert sein." Dagegen sind die sogenannten "Kuhfitter" wie Guggemos Amateure; hauptberuflich macht das in Deutschland laut dem Bundesverband Rind und Schwein niemand. Man schätze, dass hierzulande etwa 25 Fitter im Nebenberuf aktiv seien. Darüber hinaus gebe es einige Nachwuchskräfte. "Davon leben kann man nur in den USA und vielleicht in der Schweiz", sagt Guggemos.
Ihn fasziniere, was man aus den Tieren optisch herausholen könne. "Sie werden dadurch elegant wie Models", sagt er. "Dafür braucht man Leidenschaft und einen gewissen Ehrgeiz." Eine gerade Oberlinie zu schneiden, zu bürsten, zu föhnen und mit Spray zu fixieren, erfordert Konzentration und Geduld. Gleiches gilt für die Nassrasur des Fells am Euter auf ein Zehntelmillimeter.
Beim tierischen Schönheitswettbewerb gibt es aber Grenzen. "Das fängt da an, wo es um den Tierschutz geht", sagt Christoph Busch. Er ist bei der Allgäuer Herdebuchgesellschaft unter anderem für Messen zuständig und als Richter bei Zuchtschauen tätig. "Wenn ein Züchter seine Kuh zum Beispiel nicht milkt, damit das Euter bei der Schau optimal aussieht, kann ich das Tier disqualifizieren", sagt er. Das komme selten vor, müsse aber kritisch verfolgt werden.
Gegen den Grundgedanken, die Vorteile einer Kuh durch schönes Herrichten hervorzuheben, sei dagegen nichts einzuwenden, findet Busch. Er selbst habe in seiner Freizeit schon als Kuhfitter gearbeitet. "Das kann beim Verkaufspreis einen Unterschied von bis zu 100 Euro machen", sagt er. Inzwischen gebe es aber auch Veranstalter, die diese Art der Vorbereitung bei ihren Schauen teilweise oder gar nicht mehr zulassen: "Da geht es um Chancengleichheit für Landwirte, die kein Geld dafür ausgeben wollen." Manche Veranstalter setzten deshalb auf mehr Natürlichkeit bei mehr Teilnehmern.
Doch beim Kuhfitting geht es längst nicht nur ums Geld: "Das ist auch eine Visitenkarte für die Betriebe, da ist eine gewisse Ehre mit dabei", sagt Busch. Die Möglichkeit, sich so zu zeigen, ist wegen der Corona-Krise derzeit aber kaum vorhanden: Schauen und Auktionen sind abgesagt, Kühe werden nur durch Direktvermarktung verkauft. Trotzdem macht Tobias Guggemos weiter, vor allem mit Tieren vom eigenen Hof. "Man muss in Übung bleiben." Außerdem werde das Fell durch regelmäßiges Scheren feiner.
Nach mehr als einer Stunde ist Granit mit Ausnahme des Kopfes fertig frisiert: kurzes Fell, gerade Oberlinie und gut sichtbare Adern. Friseur Guggemos ist zufrieden, die Kuh aber unruhig. "Sie muss jetzt in den Melkstand", sagt er. Für den Landwirt selbst geht es danach mit Arbeit auf dem Hof weiter.
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
leider können Artikel, die älter als sechs Monate sind, nicht mehr kommentiert werden.
Die Kommentarfunktion dieses Artikels ist geschlossen.
Viele Grüße von Ihrer BZ