"Kämpfen ist die letzte Möglichkeit"
ZISCH-INTERVIEW mit dem WingTsun-Trainer Gerold Büser über die Geschichte seiner Kampfsportart und seine Ausbildung.
Sophie Thoma, Klasse 4b, Hebelschule Nollingen (Rheinfelden)
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Zisch-Reporterin Sophie Thoma aus der Klasse 4b der Hebelschule in Rheinfelden-Nollingen hat den WingTsun-Lehrer Gerold Büser in Grenzach-Wyhlen interviewt.
Büser: WingTsun ist eine zirka 300 Jahre alte Kampfkunst, die aus dem Kung Fu heraus entstanden ist. Vor mehr als 300 Jahren während der Ching-Dynastie soll durch Soldaten der Manchu-Regierung das Kloster der Shaolin (ein buddhistischer Mönchsorden, d. Red.) abgebrannt worden sein. Durch das Feuer im Shaolin-Kloster kamen die meisten Mönche und Laien ums Leben. Dennoch gelang es einigen von ihnen zu entkommen, so auch dem Rat der Fünf Älteren, den Führern der fünf Shaolin-Stile. Unter diesen war auch die buddhistische Meisterin Ng Mui. Noch in Sorge um ihre Verfolger zog sie sich in die Tai-Leung-Berge zurück. Sie musste ein neues Kampfsystem erschaffen, das den Techniken der Shaolin überlegen war. Ng Muis Ansicht nach waren die Techniken des Shaolin Kung Fu zu schwerfällig und zu unpraktisch im Gegensatz zu ihrem neuentwickelten System, in dem die Bewegungen höchst einfach und effektiv waren. Ihre erste Schülerin hieß Yim Wing Tsun und zu ihrem Andenken nannte man die Kampfkunst danach WingTsun.
Kampfkunst"
Büser: Ich habe vor zehn Jahren mit WingTsun angefangen und habe jetzt den zweiten Lehrergrad, auch zweiter Meistergrad. Bevor ich mit dem WingTsun begann, lernte ich den japanischen Kampfsport Jiu Jitzu. In dieser Zeit war ich im freiwilligen Polizeidienst und musste mich öfters verteidigen. Ich merkte, dass mir Jiu Jitzu nur bedingt weiterhalf, und ich machte mich auf die Suche nach einer neuen und effektiveren Kampfkunst. Dabei fand ich die weniger bekannte Kampfkunst WingTsun. Ich trainierte in der WingTsun-Schule in Lörrach und in der WingTsun-Akademie in Zürich bei Großmeister Giuseppe Schembri.
Zisch: Wie sind Sie schließlich WingTsun-Lehrer geworden?
Büser: Schon bevor ich Lehrer wurde, hat es mir Spaß gemacht, neuen Schülern Anwendungen im WingTsun zu erklären. Als ich dann den achten Schülergrad hatte, durfte ich den Übungsleiterlehrgang bei der Europäischen WingTsun-Organisation – kurz EWTO – besuchen. So begann meine Ausbildung zum WingTsun-Trainer. Jetzt habe ich alle Trainerstufen abgeschlossen und leite seit fünf Jahren meine Schule. Auch heute besuche ich regelmäßig Weiterbildungsveranstaltungen in der Trainerakademie Zürich.
Zisch: Was ist das richtige Alter für die Kinder, um mit WingTsun zu beginnen?
Büser: Bei mir können Kinder bereits mit vier Jahren mit dem Training beginnen. Wobei die Kinder in ähnlichen Altersgruppen zusammengelegt sind. Kids-WingTsun ist so ausgelegt, dass jeder Altersgruppe ein speziell auf sie zugeschnittenes Programm angeboten wird. Idealerweise tritt also ein Kind im Alter von etwa vier Jahren in die Schule ein und durchläuft innerhalb von acht Jahren die zwölf Kindergrade. Mit etwa 14 Jahren werden die zwölf Kindergrade umgerechnet und das Kind steigt dann in das System der Erwachsenen mit dem fünften Schülergrad ein. In den nächsten Jahren erlernt der oder die Jugendliche dann die weiteren Schülergrade im Erwachsenentraining.
Zisch: Müssen die Kinder bereits was können?
Büser: Nein, die Kinder müssen nur Spaß an Bewegung haben. Natürlich müssen die Kinder diszipliniert sein und den Trainern zuhören.
Zisch: Warum sollten schon Kinder Selbstverteidigung lernen?
Büser: Selbstverteidigung ist Bewegung und Bewegung ist gesund. Der Nebeneffekt dabei ist, dass das Kind sich dann im Notfall auch verteidigen kann. Ich vergleiche WingTsun gerne mit einer Versicherung. Man hat die Versicherung vielleicht viele Jahre lang und braucht sie nie. Wenn dann aber was passiert, dann ist man froh, wenn man eine Versicherung hat. Ich hoffe immer, dass sich meine Schüler niemals verteidigen müssen. Sollte es aber doch mal passieren, dann sind sie gut vorbereitet.
Zisch: Was lehren Sie speziell den Kindern?
Büser: Die Kinder lernen als am Anfang Selbstbehauptung. Kämpfen ist immer die letzte Möglichkeit – sie lernen, solchen Situationen zu entgehen. Nur wenn das nicht möglich ist, lernen die Kinder, sich zu verteidigen. Es gibt zahlreiche Unterrichtseinheiten, die auf Spiel, Bewegung und Lernen ausgerichtet sind. Rollen- und Bewegungsspiele gehören ebenso dazu wie Selbstverteidigungsanwendungen und theoretische und aufklärende Themen. Zu Letzteren gehören zum Beispiel Respekt, Zivilcourage und Gewaltprävention. Dabei sind die Gruppen groß genug, um das Verhalten gegenüber und den Umgang mit anderen Kindern zu schulen, und klein genug, um auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen beziehungsweise Neueinsteiger schnell integrieren zu können. Das Lehrkonzept ist strukturiert aufgebaut, wobei die Inhalte und Programme in überschaubaren Gruppen vermittelt werden. Gruppenübergreifende Elemente wie zum Beispiel Bewegungszirkel, Reaktionsspiele und Schlagpolsterübungen bringen Dynamik in die Gruppe, haben einen großen Lerneffekt und machen noch dazu viel Spaß.
Leistungsdruck."
Büser: Es gibt zwölf Kindergrade und zwölf Schülergrade. Danach kommen die Lehrer- und Meistergrade. Wichtig im WingTsun ist, dass es keine Wettkämpfe gibt wie in anderen Kampfsportarten. WingTsun ist eine reine Kampfkunst und dient nur zur Selbstverteidigung.
Zisch: Viele haben Vorurteile gegen Selbstverteidigung. Macht das Training die Kinder aggressiver?
Büser: Diese Frage kann ich nur für WingTsun mit nein beantworten. Es gibt keinen Leistungsdruck im WingTsun, kein "Messen" in Wettkämpfen und keine Drills, die die Aggressivität steigern.
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