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Strom sparen

Japan drosselt Klimaanlagen – Neuer Dresscode

Angela Köhler
  • Sa, 18. Juli 2015, 00:00 Uhr
    Panorama

     

Um den Strombedarf zu senken, werden in Japan im Sommer die Klimaanlagen gedrosselt. Das ändert auch den strengen Dresscode: Freizeitkleidung statt dunklem Zweireiher ist angesagt.

Anzug und Krawatte sind eigentlich Pflicht für Geschäftsleute in Japan.   | Foto: milatas (fotolia.com)
Anzug und Krawatte sind eigentlich Pflicht für Geschäftsleute in Japan. Foto: milatas (fotolia.com)

Wer morgens mit Tokios U-Bahn fährt, schwimmt in einem Meer aus schwarz-weißen Business-Outfits. Dunkle Anzüge mit dezenten Krawatten für die Männer, ebenso dunkle Kostüme für die Frauen – so sieht der übliche Dresscode in Japans Metropolen aus. Normalerweise. Denn aus Angst vor Stromknappheit verordnete Japans Regierung 2011 nach der Atomkatastrophe von Fukushima das Programm "Super Cool Biz" – und das verordnet Freizeitkleidung am Schreibtisch.

Es ist schon am Morgen drückend heiß in Tokio und es fallen im schwarz-weiß gekleideten Einheitsstrom ein paar bunte Angestellte auf, die leger zur Arbeit gehen. Sie kommen in Polo- oder buntgemusterten Okinawa-Hemden, leichten Hosen, luftigen Sommerkleidern und zuweilen sogar in Turnschuhen oder Sandalen in die riesigen Bürotürme Tokios.

Wer sich im Freizeit-Look zum Dienst wagt, gilt in Nippons Arbeitswelt als Außenseiter, ist streng genommen jedoch ein Trendsetter, denn für die Zeit von Mai bis Oktober ist sommerliche Lässigkeit von oben verordnet.   Japans "Firmen-Samurai" wurde amtlich Entlastung befohlen. Der sonst so strenge Dresscode ist bis September offiziell aufgehoben, Schlips und Jackett sollen im Schrank bleiben. Japans Regierung hat die Angestellten im ganzen Land aufgefordert, ihre Business-Kluft gegen leichtere Kleidung einzutauschen. Die Büromenschen sollen nicht "zerfließen", wenn in den Büros die Raumtemperatur nicht unter die verordneten 28 Grad Celsius fällt.  

   "Super Cool Biz" heißt die Aktion, was soviel wie cool im Business bedeutet und vor allem nachhaltig Strom sparen soll. Überall werden deshalb die allgegenwärtigen, stromfressenden Klimaanlagen, die öffentliche Gebäude und Bürohäuser früher auf frühlingshafte Temperaturen herunterkühlten, gedrosselt.

Die Idee ist nicht neu. Schon seit 2005 versucht Japan, mit der Kampagne "Cool Biz" den massiven Energiekonsum in den feuchtheißen Sommermonaten zu reduzieren.   "Cool Biz" war damals schon einmal in Mode und sollte dabei helfen, die Vorgaben des Kyoto-Klimaprotokolls zur Einsparung von Kohlendioxid zu erfüllen. Allerdings mit wenig Erfolg, denn die meisten Angestellten wollten nicht auf ihre Business-Kluft und die gut gekühlten Büros verzichten. Es waren eher die Vorgaben als die Kleidervorschriften, die sehr lässig genommen wurden.   

 Mit der Atomkatastrophe von Fukushima hat die amtliche Empfehlung neuen Nachdruck bekommen. Nach dem Desaster in der Kernkraftanlage und der vorsichtshalber verordneten Abschaltung der über 50 AKW fürchtet Japans Regierung im Sommer Blackouts vor allem im Ballungsraum Tokio. Besonders im Monat August, wenn die Temperaturen auf bis zu 40 Grad und die Luftfeuchtigkeit über 95 Prozent  steigen, sind Engpässe oder gar Stromausfälle zu befürchten. Eisenbahngesellschaften reduzieren deshalb die Frequenz ihrer Züge, in Tokios oder Osakas U-Bahnen werden im Juli zu bestimmten Zeiten die Klimaanlagen ausgeschaltet.  Japans Regierung hat errechnet, dass die Einwohner von Tokio und der Unglücksregion im Nordosten des Landes 15 Prozent Strom sparen müssen, wenn es nicht zu Problemen in der Energieversorgung kommen soll. Aber die amtliche Absicht der "Ohne-Schlips-Kampagne" reicht tiefer. "Cool Biz ist nicht nur eine kurzfristige Maßnahme, um den Sommer zu überstehen", erklärt das Umweltministerium. "Wir wollen unsere Lebensweise insgesamt verändern."   

Jetzt aber stellen sich die Japaner auf das Extreme ein. "Unser Büro wird wie eine Dampfsauna sein", erwartet Yasuo Kawada in Tokio. "Wir können keine Fenster öffnen, es wird hart werden." Auch die Männer kaufen Fächer, um sich Luft ins Gesicht zu wedeln. Andere rüsten sich mit batteriebetriebenen Ventilatoren auf. Mancher zieht auch eine sehr persönliche Konsequenz. "Ich nehme ab, um weniger zu schwitzen", nimmt sich Takehiro Katayose vor. Der 35-jährige Besitzer einer Pizzeria will auch sein Haar kürzer schneiden lassen.

   Auch wenn sich offiziell mehr als 65 Prozent der Firmen im Inselreich an die amtlichen Cool-Biz-Vorschriften halten: Mit der legeren Kleiderordnung wollen sich Nippons Töchter und Söhne nicht so richtig anfreunden. Es ist ihnen fremd, in Freizeitkleidung zur Arbeit zu gehen. Es sei unhöflich, nicht im dunklen Kostüm oder Anzug bei Geschäftspartnern zu erscheinen, erklären viele Angestellte, insbesondere im Außendienst. Immerhin trauen sich einige Männer, kurzärmlige  Hemden zu tragen. Bis auf ein paar Farbtupfer bestimmt schwarz-weiß also weiterhin das Bild Tokios.

Ressort: Panorama

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