Kino
In "Mustang" kämpfen Schwestern gegen Repression
Das Drama "Mustang" erzählt von fünf türkischen Schwestern und ihrem Kampf gegen Repressionen. Der Film ist Frankreichs Kandidat für den Oscar als bester fremdsprachiger Film.
Do, 25. Feb 2016, 0:00 Uhr
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Sie wirken mit ihren wehenden langen Haaren und ihrem ungenierten Lachen, mit Computern, Schminke und bunten Dessous so westlich, abenteuerlustig und freizügig, die fünf bildschönen Mädchen, als würden sie in Paris leben und nicht im Nordosten der Türkei, unter den argwöhnischen Blicken gestrenger Nachbarinnen. In der ersten Szene sehen wir sie am letzten Schultag vor den Sommerferien mit Klassenkameraden am Schwarzmeerstrand herumtoben, auf den Schultern der Jungs sitzen und sich gegenseitig kreischend ins Wasser schubsen, allesamt in Schuluniform übrigens.
Mag sein, dass die Großmutter das ungestüme Spiel der jungen Wildpferde sogar toleriert hätte, aber als eine Nachbarin sich über das schamlose Treiben der Mädchen das Maul zerreißt, muss sie die Repressionsmaschinerie anwerfen: Die Schwestern werden verprügelt, zum Gynäkologen gebracht, um ihre Jungfräulichkeit zu überprüfen, und hinter immer höheren Mauern und vergitterten Fenstern kaserniert, ohne Handys, ohne Bildung. Statt bunter Tops müssen sie jetzt, wie Erzählerin Lale (Günes Sensoy) es nennt, das widerspenstige Nesthäkchen, "kackbraune" Kutten tragen und sich in der häuslichen "Ehefrauenfabrik" für ein devotes Gattinnenleben dressieren lassen. Ziel ist die schnellstmögliche Verheiratung der wilden Fünf, angefangen bei Sonay (Ilayda Akdogan), der Ältesten.
Sonay immerhin hat seit Jahren einen (natürlich heimlichen) Freund, dessen Eltern jetzt ordnungsgemäß um ihre Hand anhalten. Auch gut, dann wird der für sie bestimmte Kandidat eben weitergereicht an Selma (Tugba Sunguroglu), die nächste Schwester. Doppelhochzeit, eine Braut glücklich, die andere todunglücklich, aber zwei Fünftel des Problems sind gelöst. Auch auf die mittlere des Quintetts, Ece (Elit Iscan), wartet die Zwangsheirat: Ihre Not soll eine – übrigens wenig glaubwürdige – Sexszene in fünf unbeobachteten Minuten auf einem Autorücksitz illustrieren, und die arrangierte Ehe weiß sie nicht anders zu verhindern als in einem selbstzerstörerischen Akt. Bleiben noch die beiden Jüngsten, Lale und Nur (Doga Zeynep Doguslu), und die wissen, dass ihnen nur eine Möglichkeit bleibt, ihr Leben in Freiheit zu retten: die Flucht. Die Flucht ins Offene, nach Istanbul.
Zwangsverheiratung, Tod, dazu Missbrauch durch den eigenen Onkel, der in einer so abgründigen wie beiläufigen Szene angedeutet wird: "Mustang" fährt schwere Geschütze auf. Nie scheint es um die Mädchen selbst und ihr Glück zu gehen, immer nur um das Bild nach außen, die Ehre der Familie und ihres Ernährers. Ein deprimierender Befund. Und doch ist "Mustang" kein trostloser Film.
Die Regisseurin zeigt die jungen Frauen nicht als unterwürfige Opfer der repressiven Strukturen ihres Landes, sondern als Schwestern im Geiste ihrer eigenen Sozialisation und Freiheitsliebe: In durchlichteten, poetischen Bildern (Kamera: David Chizallet, Ersin Gok) fängt sie die zärtliche Solidarität und Sinnlichkeit der Mädchen ein, stark gespielt von den jungen Darstellerinnen (die meisten sind Laien) und begleitet vom warmen Soundtrack des Australiers Warren Ellis. Wie sie miteinander lachen, ein Sonnenbad nehmen durch ihre Gefängnisgitter hindurch, sich aneinander kuscheln, ein vielarmiges, vielbeiniges fünfköpfiges Wesen, dessen unschuldige Lebenslust sich beinahe körperlich mitteilt.
Sicher, ein solches Frauenbild ist arg optimistisch für die Türkei unter Staatspräsident Erdogan – andererseits: Nur wer weiß, wie die Freiheit schmeckt, kann für sie kämpfen.
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