In Klöpflesnächten
Wilde Jagd in der Vorweihnachtszeit - Über einen alten Brauch in Gegenden Süddeutschlands und Österreichs.
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Die zwei Kinder rennen zum Fenster und drücken sich die Nase an den Scheiben platt. Angestrengt spähen sie ins Dunkel draußen. Aber es ist nichts zu sehen. Doch da, wieder ein Klingen von Glocken. Es scheint näher zu kommen. Wieder versuchen die zwei Kinder etwas zu erkennen. Aber alles bleibt ruhig, nichts rührt sich draußen. Jetzt hört man wieder ein Glockenläuten; Andreas zeigt aufgeregt in die Nacht: "Siehst du's? Dort huscht was um die Ecke!"
"Wo? Ich seh' nichts", entgegnet die kleine Bärbel. Die zwei Kinder bleiben am Fenster kleben. Da, jetzt sieht auch Bärbel, dass da schemenhaft Gestalten durch die Nacht huschen. Das Läuten der Glocken kommt aus der gleichen Richtung. Immer mehr Gestalten tauchen aus dem Dunkel auf. Wild sehen sie aus, soweit man das erkennen kann, in Bauernkleidern.
Sie haben bäuerliches Gerät dabei - Rechen, Sensen, Gabeln und Milchkannen. An den Gürteln tragen sie Glocken. Daher kommt das Läuten. Jetzt kann man die Gestalten auch besser erkennen. Aber seltsam, das sind gar keine Menschengesichter. Die Gesichter der Bauersleute sind voller Haare. Im Dunkeln sehen diese Fellmasken unheimlich aus: wie wilde Tiere. Gut, dass die Kinder drinnen sind und alles durch das Fenster beobachten können.
Jetzt klopfen die Gestalten an Türen und Fensterläden, stellen sich im Kreis auf und beginnen ein Lied zu singen. Sie wünschen singend alles Gute für das neue Jahr, eine gesegnete Weihnacht, und dass im kommenden Jahr in Haus und Hof alles gut gehen möge. Kaum sind sie fertig, kommt auch schon jemand aus dem Haus und schenkt ih-
nen zu trinken ein.
Schon wollen die Kinder sich abwenden, als auf einmal eine Handorgel erklingt und ein Bauer und eine Bäuerin wie wild zu tanzen beginnen. Plötzlich löst sich die Frau von ihrem Mann und rennt weg. Der Bauer stürmt ihr hinterher. Um die anderen Leute herum und mitten zwischen ihnen durch geht die wilde Jagd, über den Gartenhag, über Gemüsebeete, um das Haus herum, immer der Bauer hinter der Bäuerin her. Dann - genauso plötzlich, wie er begonnen hat - hört das Spektakel auch wieder auf. Das Bauernpaar verliert sich zwischen den anderen Gestalten und ums Versehen sind auch die wieder verschwunden - als ob nichts geschehen wäre. Nur das Klingen der Glocken hört man noch eine Weile. Dann ist wieder alles ganz still.
Am ersten und an den beiden folgenden Donnerstagen vor Weihnachten, die man Klöpflesnächte nennt, wiederholt sich dieses Geschehen im Südtiroler Sarntal. In anderen Gegenden geht es in diesen langen dunklen Nächten ähnlich unheimlich zu: Wie von Geisterhand geworfen prasseln am Abend Erbsen, Linsen, Bohnen, Korn oder auch kleine Steinchen an Türen und geschlossene Fensterlä-
den - sofern es sie
noch gibt.
Aus Zell-Weierbach in der Nähe von Offenburg wird berichtet, dass an den Bosselnächten - wie sie auch genannt werden - Kinder und Jugendliche durch die Ortschaft zogen und allerhand Schabernack trieben: Sie verpflanzten Holzstöße und verbarrikadierten damit Haustüren, leerten Jauchefässer aus oder hängten versteckt Glocken auf und läuteten die Nacht über immer wieder.
In den Alpen ziehen an den Klöpflestagen Gruppen von Kindern abends von Haus zu Haus. Die Kinder klopfen an den Türen und Fenstern, singen ein Lied, das gewöhnlich das Weihnachtsfest ankündigt, und werden dafür mit Äpfeln, Nüssen oder Süßigkeiten belohnt.
Wendelinus Wurth
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