New York

Implantierte Computerchips sollen die Sinne erweitern

Sogenannte Body Hacker wollen mittels technischer Hilfsmittel ihre Fähigkeiten ausbauen. Diese Szene wird immer größer.  

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Neil Harbisson mit seiner Kamera, die Farben in Töne übersetzt   | Foto: dpa
Neil Harbisson mit seiner Kamera, die Farben in Töne übersetzt Foto: dpa

NEW YORK (dpa). Manche Menschen wollen mehr als Mensch sein: Als Cyborgs möchten sie ihre Fähigkeiten erweitern – dank implantierter, technischer Hilfsmittel. In den USA ist die Szene besonders weit fortgeschritten.

Die einen lassen sich winzige Magnete in die Hände implantieren, um elektrische Felder zu spüren. Andere tragen Mikrochips unter der Haut, mit denen sie Türen öffnen oder Smartphones entsperren können. In den USA wächst die Gruppe derer, die sich Cyborgs oder Body Hacker nennen, und mit technischen Hilfsmitteln die Fähigkeiten ihrer Sinne oder Körper erweitern wollen.

Prominentester Vertreter der Bewegung ist ein Mann mit einer Kamera am Kopf: Der von Geburt an farbenblinde Brite Neil Harbisson hat ein Eyeborg – ein an einer Antenne angebrachtes elektronisches Auge, das Farben in bestimmte Töne übersetzt und diese direkt an Nerven in seinem Schädel überträgt. Zusammen mit seiner Partnerin Moon Riba, deren implantierte Minimagnete sie über eine Seismographen-App Erdbeben spüren lassen, gründete Harbisson 2010 in Barcelona die Cyborg Foundation. Mittlerweile ist die Stiftung, die die Idee verbreiten soll, nach New York umgezogen.

"Wir haben so viele Anfragen aus aller Welt bekommen", sagte Harbisson in einem Interview. Auch in Deutschland war der selbst ernannte Cyborg und Aktionskünstler, der mittels seines Eyeborgs aus dem visuellem Input Musik macht, schon zu Gast – auf der Re:Publica 2013 hielt er einen viel beachteten Vortrag und warb für den Ansatz, die Spanne menschlicher Sinneswahrnehmungen durch technische Hilfsmittel zu erweitern. "Das ist nicht Science-Fiction. Es bringt uns sogar näher an die Natur", betonte er. Viele Tiere, wie Fledermäuse oder Delphine, hätten diese anderen Möglichkeiten der Sinneswahrnehmung.

Harbisson, der ein bestimmtes Rot beispielsweise als F, ein Orange als Fis hört, hat die Frequenzskala seines Eyeborgs deshalb erweitert: Er kann jetzt auch infrarote und ultraviolette Wellen wahrnehmen. "Das hilft mir auch dabei, mich gegen die Sonne zu schützen", witzelte er bei seinem Auftritt in Berlin. Gemeinsam mit der Choreographin Moon Riba, die die von ihr erspürten Erdbeben auf der Bühne in faszinierende Tanzhappenings umsetzt, verfolgt Harbisson einen vor allem künstlerischen Ansatz.

Auch Amal Graafstra aus Seattle ist ein Pionier der Szene. Schon 2005 ließ er sich reiskorngroße Mikrochips in den Bereich zwischen Daumen und Zeigefinger implantieren, um mit den integrierten Codes seine Haustür zu öffnen. Seine Firma Dangerous Things hat allein seit 2013 über 10 000 solcher RFID-Chips verkauft.

Die von Harbisson mitgegründete Firma Cyborgnest bringt bald einen implantierbaren Kompass auf den Markt, der mit leichter Vibration dem Träger den Nordpol anzeigt – ein Zugvogel-Sinn.

Die Frage, was Body Hacking genau ist und will, wurde in Austin lebhaft diskutiert. Denn neben dem Verfremden oder "Erweitern" des Körpers gibt es auch Hacker, denen es in erster Linie um Selbstoptimierung oder gesundheitliche Vorsorge geht. Die Grenze zum Self Tracking, angefangen beim Armband zum Schrittzählen bis hin zum permanenten Messen von Gesundheitsdaten, ist hier fließend.

Kritik übten manche daran, dass Ansätze für Frauen wenig Beachtung fänden. Die Journalistin Rose Eveleth wunderte sich, dass männliche Body Hacker zwar Eveleths implantierte Magnete, nicht aber die Spirale zur Empfängnisverhütung als Technologie ansehen würden.

In Deutschland ist seit einigen Jahren der Verein Cyborgs e.V. in Berlin die Lobby der Bewegung. Gründer Enno Park, der nach einer Maserninfektion als Kind sein Gehör verlor, gewann es als Erwachsener mittels eines Cochlea-Implantats zurück. "Ich bin ein Cyborg", sagt er seitdem. Denn bei dem Implantat handelt es sich nicht um eine bloße Hörhilfe, sondern um einen Apparat, der Schwingungen in elektrische Impulse übersetzt und der mittels feiner Elektroden diese durch eine Öffnung im Schädel ins Gehirn weiterleitet. Und damit möchte Park es nicht belassen. Warum den Frequenzbereich nicht erweitern, fragt er, und auch Ultraschallfrequenzen wahrnehmen?

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