Account/Login

Unfallstatistik

Immer mehr Menschen sterben bei Haushaltsunfällen

Patrik Müller
  • & dpa

  • Di, 14. März 2017, 09:43 Uhr
    Haus & Garten

     

Der Fall von der Leiter, der Ausrutscher im Bad: Die Zahl der tödlichen Unfälle in den eigenen vier Wänden steigt - das hat auch mit dem demographischen Wandel zu tun.

1/2
Es gibt Tage, da bleibt es ruhig. Und es gibt Tage, da weiß Thorsten Hammer schon am frühen Morgen, dass seine Notaufnahme heute wieder etwas voller sein wird. Wenn die Straßen zum ersten Mal glatt sind im Herbst, wenn im Winter der erste Schnee fällt, wenn es endlich wieder warm wird und der Frühjahrsputz ansteht. "Unfälle haben saisonale Häufungen", sagt Hammer, Chirurg und Ärztlicher Leiter im Notfallzentrum der Freiburger Uniklinik.

Drei Millionen Haushaltsunfälle im Jahr

Es gibt viele Arten von Haushaltsunfällen. Menschen rutschen mit dem Messer aus, quetschen sich die Finger, verbrennen sich beim Kochen, rutschen im Bad aus, fallen von Leitern. Sie bluten, bekommen blaue Flecke, ziehen sich Brandblasen zu, verstauchen sich die Füße, brechen sich Knochen. Experten des Berliner Robert-Koch-Institutes schätzen, dass in Deutschland mehr als drei Millionen Haushaltsunfälle im Jahr passieren. Die wenigsten davon enden in der Notaufnahme, viele gehen relativ glimpflich aus. "Manchmal gibt es aber auch richtig schwere Verletzungen", sagt Chirurg Hammer.

Haushaltsunfälle sind eine unterschätzte Gefahr. Im Jahr 2015 – neuere Zahlen liegen nicht vor – starben bei ihnen in Deutschland insgesamt 9800 Menschen. Im Jahr 2014 waren es noch 9000. Die Zahl der Opfer steigt seit Jahren. Zum Vergleich: Bei Verkehrsunfällen kamen im Jahr 2015 nach Polizeiangaben 3459 Menschen ums Leben, etwas mehr als ein Drittel. Nicht nur Führerscheinneulinge kennen den Satz "Fahr vorsichtig" – aber kaum jemand hat je die flehende Bitte gehört: "Pass beim Putzen und beim Bügel auf dich auf!"

Haushaltsunfälle verursachen Behandlungskosten in Milliardenhöhe: Die Versorgung eines einzigen Oberschenkelhalsbruches kostet die gesetzlichen Krankenkassen im Regelfall mehr als 7000 Euro. Diese Verletzung ist typisch: Sie passiert sehr oft dann, wenn ältere Menschen aus niedriger Höhe stürzen und dabei auf die Hüfte oder den Hintern fallen. Laut Statistik passieren vier von fünf tödlichen Unfällen im Haushalt bei Stürzen – und sehr oft trifft es ältere Menschen. Diese seien wegen nachlassender Sehkraft und abnehmender Muskelmasse besonders gefährdet, sagt Susanne Woelk.

Sie ist Geschäftsführerin der Aktion "Das Sichere Haus". Der Verein in Hamburg engagiert sich deutschlandweit in Sachen Unfallprävention, gibt Sicherheitstipps und veröffentlicht Broschüren über verletzungsfreies Heimwerken, sicheres Arbeiten mit elektrischen Geräten und die Benutzung von Leitern.

Oft kommt die Hilfe zu spät, weil die Verunfallten alleine leben

Die Zahl der tödlichen Haushaltsunfälle, sagt Woelk, steige auch wegen des demographischen Wandels: in Deutschland leben immer mehr ältere Menschen. Gleichzeitig zerfallen klassische Familienstrukturen: Kinder, die am anderen Ende Deutschlands leben, können nicht mal schnell vorbeikommen, wenn ihre Eltern Hilfe brauchen. Gleichzeitig fehlt manchen älteren Menschen die Einsicht, dass sie Dinge nicht mehr wie früher alleine bewältigen können – und wenn dann wirklich etwas passiert, kann es auch noch sehr lange dauern, bis die Verletzten gefunden werden.

"Es sind häufiger ältere Herren und Damen", sagt Thorsten Hammer, der ´Freiburger Chirurg. Diese, erklärt er, verletzen sich nicht nur im Haushalt, wenn sie beispielsweise auf die Leiter steigen, um die Gardinen abhängen – sondern auch bei der Arbeit im Garten, beim Baumschnitt, bei der Ernte. "Die Jüngeren", sagt Hammer, "machen so etwas oft ja gar nicht."

Er sagt, dass es noch zwei Tage gibt, an denen mehr Haushaltsunfälle passieren als an anderen Tagen im Jahr: den 23. und den 31. Dezember. "Die sind auch gefährlich", sagt Hammer, der Chirurg. "Man will ganz schnell was in Ordnung bringen – und zwar vor Weihnachten, noch im neuen Jahr."

Etwas ganz schnell erledigen zu wollen ist im Haushalt eine riskante Sache: Eile ist ein schlechter Ratgeber, findet Susanne Woelk, die Sicherheitsexpertin: Sie rät dazu, es ruhig anzugehen – und sich etwa das eineinhalbfache der ursprünglich angesetzten Zeit für die Hausarbeit einzuplanen. Leidige Hausarbeiten wie Putzen solle man als Projekt betrachten – und nicht als etwas, das man schnell durchzieht. "Die größte Gefahr ist Routine."

Ressort: Haus & Garten

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel