"Ich wollte dazugehören"
ZISCHUP-INTERVIEW mit einer ehemaligen Drogenabhängigen über ihren Weg von der Sucht zurück ins Leben.
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Dass Drogen gefährlich sind, weiß jeder. Der Drogenkonsum nimmt zwar ab, trotzdem geraten immer noch viele in die Drogenszene. Um zu erfahren, wie es so weit erst kommen kann und wie man wieder davon wegkommt, hat Zischup-Reporter Hannes Heckel aus der Klasse 9a der Staudinger Gesamtschule in Freiburg Silvia Müller*, eine ehemalige Drogenabhängige, interviewt. Die 57-Jährige hat über viele Jahre hinweg Heroin und andere harte Drogen konsumiert und viel erlebt.
Müller: Gearbeitet habe ich, ja, aber gelernt habe ich nichts, da mir da die Drogensucht zuvorkam.
Zischup: Wann sind Sie das erste Mal mit Drogen in Kontakt gekommen?
Müller: Mit 15 habe ich angefangen, Haschisch zu rauchen. Ich habe mitgekriegt, dass manche Mitschüler sich in dunklen Ecken rumdrücken und etwas rauchen. Ich war neugierig und wollte dazugehören. Abends sind wir in Diskotheken herumgezogen, damals, in den 70er-Jahren, der Hippiezeit, haben fast alle gekifft, Alkohol, Pilze und LSD ausprobiert. Mit 17 habe ich schließlich angefangen, Heroin zu konsumieren.
hat mich geläutert."
Müller: Ich lebte mit meinen fünf Geschwistern in einer Drei-Zimmer-Wohnung, eine Rückzugsmöglichkeit gab es nicht. Deshalb vermied ich es, daheim zu sein und habe bei Kollegen gepennt, unter anderem auch deshalb, damit meine Eltern nichts von meiner Drogensucht mitkriegen. Wegen der Drogen bin ich sitzengeblieben und letztendlich von der Schule geflogen. Auch das war mir egal. Nachts war ich unterwegs, tagsüber habe ich gepennt bis in die Puppen. Zwischendurch war ich damit beschäftigt, an Stoff ranzukommen. Mein ganzer Alltag wurde nur noch von den Drogen bestimmt.
Zischup: Drogen kosten. Wie konnten Sie Ihre Sucht finanzieren?
Müller: Mit Heroin stellte sich das Geldproblem ein. Ich dealte mit Haschisch, später auch mit Heroin. Als Drogensüchtige stehst du permanent unter dem Druck, an Geld ranzukommen. Normalerweise gehen Frauen anschaffen, aber das kam für mich nie infrage. Außerdem habe ich geklaut, zum Beispiel Autoradios, die damals neu auf den Markt gekommen waren, oder Pelzjacken – einfach alles.
Zischup: Woher haben Sie Ihre Drogen zum Dealen bekommen?
Müller: Den Stoff zum Dealen haben wir in Holland besorgt, weil er da günstiger und besser war.
Zischup: Das ist ja dann schon Drogenschmuggel. Hatten Sie deswegen nie Probleme mit der Polizei?
Müller: Ich wurde nie an der Grenze erwischt. Dennoch landete ich viermal, zwischen 1976 und 1979, im Knast wegen Drogenbesitzes und Diebstahls.
Zischup: Haben Sie deswegen beschlossen, mit den Drogen aufzuhören?
Müller: Als ich in Frankfurt wieder einmal in den Knast musste, natürlich wegen Drogen, hatte ich die Schnauze voll von diesem Leben, der Szene und den Leuten und wollte unbedingt eine Therapie machen. Die Richterin hat eingewilligt und mir die Gefängnisstrafe erlassen. Ich habe mich selbst um einen Therapieplatz gekümmert. Aber danach wurde ich wieder rückfällig.
Zischup: Wieso hat der Entzug nicht geklappt?
Müller: Weil es mir körperlich immer dreckiger ging. Außerdem habe ich gefroren wie die Sau, so dass ich im Sommer mit Rollkragenpullover herumgelaufen bin. Hinzu kamen Depressionen – je länger der Entzug dauerte, desto stärker wurden sie. Also habe ich geguckt, wie ich an Geld kommen könnte, um mir Drogen zu kaufen und mein Leiden zu beenden.
Zischup: Nun sind Sie Substitutionspatientin, ersetzen also Drogen durch andere Mittel oder Medikamente und sollen so langsam loskommen von Ihrer Sucht. Wie sind Sie auf diese Art der Behandlung gekommen?
Müller: Durch meinen Freund Rainer, der bei einer Arztpraxis ganz normaler Patient war und wusste, dass sie sowas anbieten. Also bin ich halt mal hin.
Zischup: Und seitdem sind Sie clean?
Müller: Nein, als ich in das Substitutionsprogramm eingestiegen bin, konnte ich trotzdem nicht komplett auf die Drogen verzichten, also kokste ich ab und zu. Kokain kann man sniffen, rauchen oder drücken. Als alter Junkie habe ich es mir gedrückt. Dadurch erlitt ich einen Schlaganfall, seitdem ist meine komplette linke Körperhälfte gelähmt. Und das war ausschlaggebend dafür, dass ich komplett auf die Drogen verzichtete. So scheiße so ein Schlaganfall auch ist, hatte er auch sein Gutes. Er hat mich sozusagen geläutert.
* Nachname von der Redaktion geändert
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