"Ich lehne jede Gewalt ab"
Im Anti-Terror-Prozess um die Gruppe "Prinz Reuß" hat am Dienstag eine Angeklagte aus dem Bodenseekreis ausgesagt. Sie distanzierte sich von jeder Form der Gewalt.
Die Angeklagte, die gerade stundenlang über sich und ihr Leben erzählt hat, eine Terroristin? "Die ist so lieb, ich könnte sie umarmen", sagt die Ex-Frau von Prinz Reuß über Johanna F. Tatsächlich ist das Bild, das F. aus Frickingen am Bodensee an diesem Tag im Prozess von sich zeichnet, das einer friedliebenden, unpolitischen, sozial und ehrenamtlich engagierten Frau, leicht flatterhaft, eher unbedarft, aber völlig harmlos. Es ist ein Bild, das nur schwer mit Plänen zu einem gewaltsamen Umsturz der staatlichen Ordnung unter Einsatz von Waffengewalt in Einklang zu bringen ist. Und die Frage aufwirft, welche gemeinsame Basis die Angeklagte mit den mutmaßlichen Mitverschwörern – Ex-Elitesoldaten, Bundeswehroffizieren, Waffennarren, Reichsbürgern und dem mutmaßlichen Rädelsführer Prinz Reuß – haben mag.
Der Generalbundesanwalt klagt auch die 53-jährige Johanna F. der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens an mit dem Ziel, die Bundesregierung zu stürzen. F. aber sagt: "Es gibt ja sehr viele Arten von Gewalt. Ich lehne Gewalt in jeglicher Form ab, das ist für mich ein Zeichen von Schwäche." Sie berichtet von ihrer glücklichen Kindheit mit Geschwistern und Eltern am Bodensee, vom Aufwachsen im Einklang mit der Natur und Tieren, geprägt von der Tätigkeit des Vaters in einer heilpädagogischen Einrichtung nach der Lehre Rudolf Steiners und der Waldorfpädagogik. Auch ihre eigenen drei Kinder habe sie in diesem Geist aufgezogen – ohne Fernseher und digitale Medien, aber mit Respekt vor allem Leben, der Umwelt und allen Lebewesen.
Zu ihrem Engagement bei der Partei "Die Basis", bei der sie Landesvorsitzende wurde, 2021 für Landtag und Bundestag kandidierte, kam sie mehr zufällig, bestärkt durch die Corona-Maßnahmen. Das Kontaktverbot im März 2020 habe ihr "den Boden weggezogen", sagt sie. Als der "Basis"-Ortsverein Überlingen sie anfragte, habe sie in dem Programm ihre Werte wiedergefunden, ihren Kampf für die "Freiheit von Geist, Körper und Seele", wie sie sagt.
Die 53-Jährige, die sich laut ihrem Wahlverteidiger Martin Schwab vorerst nur zur Person, aber nicht zum Tatvorwurf äußert, sticht an jedem Prozesstag aus den Reihen ihrer Mitangeklagten und deren Verteidigerschar heraus. Das liegt daran, dass sie fast immer ein Lächeln auf dem Gesicht hat oder mit ihrem Verteidigerteam während der Verhandlung vergnügt lautlos auflacht. Als der Vorsitzende Richter Jürgen Bonk versucht, sie auf vermintes Gelände zu führen und ihr eine politische Bewertung ihres Engagements gegen die Corona-Maßnahmen zu entlocken – was Richtung Staatsfeindlichkeit führen könnte –, entspinnt sich folgender Dialog: "Netter Versuch" beklagt Johanna F. durchaus charmant. Richter Bonk: "Das räume ich ein." F.: "Ich verzeihe Ihnen". Und beide lachen.
Um den Inhalt der Anklage gegen Johanna F. geht es nicht an diesem Dienstag und auch nicht um den ganzen Komplex der QAnon-Verschwörungstheorie um den Missbrauch und die Entführung von Kindern, aus deren Blut sich angebliche Machteliten Verjüngungselixiere brauen. F. hängt dieser Theorie, die im angeklagten Verschwörerkreis eine große Rolle spielte, laut Anklageschrift ebenfalls an. Auch soll sie bei der Kontaktanbahnung zur russischen Föderation geholfen haben, die man um Hilfe beim Umsturz bitten wollte. Doch von alldem war am Dienstag nicht die Rede. Und Johanna F. scheint das auch während ihrer Aussage auszublenden. "Mein Ansatz ist immer, einen konstruktiven, positiven Weg zu finden. Es gibt immer einen Weg nach draußen", sagt sie.
Der Prozess in Frankfurt wird am Donnerstag fortgesetzt.
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