Ich kann was, was du nicht kannst!

Dank Facebook-Gruppen wird geliehen und getauscht – doch die sogenannte Sharing Economy funktioniert nur bedingt.  

Zu den Kommentaren
Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
1/2
fudder, Haare schneiden, Friseur Foto: Jo.Sephine / photocase.de

In Facebook-Gruppen wie "Ich kann was, was du nicht kannst" oder "Skill Sharing Freiburg" proben Freiburger den Aufstand gegen den Konsumwahn. Statt neu zu kaufen wird geteilt, getauscht und verliehen. Damit liegen sie im Trend – weltweit haben sich Start-Ups und Projekte der Sharing Economy verschrieben. Ob die funktioniert? Eine lokale Spurensuche.

Julian de Kieviet hatte ein Problem. Sein Router war kaputt, das Internet in seiner WG tot. Normalerweise hätte er nun in ein Fachgeschäft gehen und einen neuen kaufen müssen. Der 24-Jährige hatte aber seineFacebookgruppe "Ich kann was, was du nicht kannst". In die schrieb er: "Moin, hat jemand zufällig eine FritzBox übrig oder zu viel? Ich könnte euch im Gegenzug Inception auf DVD schenken." 40 Minuten vergingen, da antwortete User Wolfram: "Ich habe eine, die ich schon die ganze Zeit los werden will!" Julian fuhr los, holte den Router ab und übergab die DVD.

Perfekt für Julian, perfekt für Wolfram, schlecht für den Einzelhandel. Und doch ein weltweiter Trend, den Experten Sharing Economy nennen. Gemeinsamer Nenner: Wir kaufen nicht – wir teilen und tauschen, egal ob Dinge oder Dienstleistungen.
Die Idee:
Ressourcenschonung

Drei Jahre ist es her, da hatte Julians Freund Jannis Kaiser die Idee zu "Ich kann was, was du nicht kannst". Jannis kannte Julian aus dem Psychologie-Studium, Julian war bei der Gruppe von Anfang an dabei. Als Jannis ins Ausland ging, übernahm Julian die Leitung der Gruppe. Die Intention von Anfang an: Jeder hat Fähigkeiten und Gegenstände, die ein anderer braucht. Tauscht man sich aus, entsteht eine Win-Win-Situation. Anfangs fanden die Tauschgeschäfte vor allem unter Freunden statt: eine Handschleifmaschine gegen Bananenbrot, ein Kaffeeservice gegen Schwarzwälder Kirschtorte, ein Mischpult gegen Eintrittskarten zu einer Zaubershow.

Dann wurde die Gruppe größer, inzwischen tauschen knapp 900 Freiburger. Julian findet das super – aus zwei Gründen: "Erstens können Studenten so einiges an Geld sparen. Zweitens schonen wir Ressourcen. Denn all die Dinge, die wir brauchen, liegen irgendwo bereits ungenutzt bereit. Durch das Internet ist die Kommunikation so einfach geworden, dass der Tausch auch stattfinden kann."

Ressourcenschonung – ein Thema, dem sich neben der kleinen Freiburger Facebook-Gruppe weltweit tausende Start-Ups und Projekte verschrieben haben. Beim Carsharing nutzen fremde Menschen Autos gemeinschaftlich, Uber und BlaBlaCar organisieren Mitfahrgelegenheiten, bei Airbnb kann man die eigene Wohnung Reisenden "leihen". Doch die neuen Angebote verdrängen alte, die wiederum protestieren: das Hotelgewerbe gegen Airbnb, das Taxigewerbe gegen Uber, die Bahn gegen BlablaCar.

Der Stein des Anstoßes: Oft sind die neuen Anbieter deutlich billiger, Facebook-Gruppen wie "Ich kann was, was du nicht kannst" vermitteln einst kostspielige Dienstleistungen sogar kostenlos. Die Befürchtung: Wer geht noch zum Friseur, wenn man bei Facebook innerhalb kürzester Zeit jemanden findet, der einem die Haare kostenlos schneidet? Wer beschäftigt die Umzugsfirma, wenn User gegen Almosen helfen?

Hagen Krohn, Gründer des Freiburger Co-Working-Spaces Grünhof, findet das nicht schlimm. "Ich habe keine Angst um den Einzelhandel. Kompetenz setzt sich bei Dienstleistungen durch, den Leuten ist die Frisur dann doch zu wichtig. Bei Konsumgütern hingegen ist die Idee doch perfekt. Nicht jeder braucht einen Billigbohrer – wenn sich ein ganzes Haus einen hochwertigen teilt, ist viel gewonnen." In seinem Co-Working-Space Grünhof hat Hagen Krohn diese Idee aus den sozialen Netzwerken ins Arbeitsleben übertragen. Dort teilen sich Kreative einen Raum, in dem sie gemeinsam an Projekten arbeiten. "Wir teilen nicht Konsumgüter oder Dienstleistungen, sondern Fähigkeiten." Einer kann Statistik, einer hat Ideen, einer ist ein guter Werber – gemeinsam sind sie stärker.

Egal ob Tauschhandel, Co-Working oder Carsharing – all diese Projekte verfolgen das Ziel einer besseren Welt. Kann das klappen? Es gibt Bedenken. Die Wochenzeitung "Die Zeit" veröffentlichte vor einem Jahr bereits einen Abgesang. Einer der Hauptvorwürfe: Die Sharing Economy ermutige uns, das ganze Leben als Kapital zu betrachten. Das Haus? Kann man zwischenvermieten. Das Auto? Mit Mitfahrern vollstopfen und Geld damit verdienen. Den Umzug? Kostenlos machen lassen.
Am Anfang geben,
später nehmen

Deshalb will Andreas Ostermann die Sache anders angehen. Auch der 33-jährige Mathematiker hat eine Facebook-Gruppe gegründet. Deren Name: "Skill Sharing Freiburg". Sein wichtigstes Anliegen hat er in die Gruppenbeschreibung geschrieben: "Es soll hier keine Marktplatzmentalität entstehen." Sein Ziel sei es, anderen eine Fähigkeit zu schenken, um gemeinsam eine gute Zeit zu haben – und nicht das Feilschen und Verhandeln um Tauschgeschäfte. Das klappt leider nicht immer: Manchmal bleiben Anfragen und Angebote unbeantwortet, wie bei einer Frau, die Ukulele lernen wollte.

Auch Julian de Kieviet von "Ich kann was, was du nicht kannst" ist etwas aufgefallen: "Am Anfang hatten wir viele Personen, die ihre Fähigkeiten angeboten haben. Inzwischen wollen die Leute immer öfter etwas haben. Das wollten wir so eigentlich nicht!"

Links zu den Facebook-Gruppen und gibt’s auf fudr.fr/skillsharing

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel