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"Ich habe schon mit drei den Kassierer korrigiert"

  • Fr, 12. Oktober 2012
    Südwest

     

BZ-INTERVIEW mit Gert Mittring, der am heutigen Freitag bei den Science Days einen Weltrekord im Kopfrechnen aufstellen will.

Rechen-Weltmeister Mittring   | Foto: Widmann
Rechen-Weltmeister Mittring Foto: Widmann

RUST. Er ist neunfacher Weltmeister im Kopfrechnen und kann sich in vier Sekunden 22 Dezimalstellen merken. An diesem Freitag wagt Gert Mittring, 46, bei den Science Days im Europa Park einen neuen Rekordversuch: Er will eine hundertstellige Zahl im Kopf in ihre Primfaktoren zerlegen. Veronika Widmann rechnete und sprach mit dem zweifachen Doktor.

BZ: Herr Mittring, was ist die dreizehnte Wurzel aus 751 392?
Mittring (nach etwas mehr als 30 Sekunden): Das müsste ungefähr 2,83 sein.
BZ
: Richtig, 2,8313... Noch eine Frage: Albert Einstein wurde am 14. März 1879 geboren. Welcher Wochentag war das?
Mittring: Das wäre dann bei mir ein Freitag.
BZ: Stimmt! Wie können Sie das so schnell wissen?
Mittring: Die Idee ist ganz einfach. Man muss fünf Zahlen addieren, unter anderem den Tag und eine sogenannte Monatskennziffer. Die Summe dieser Zahlen teilt man durch sieben und schaut, welcher Rest bleibt. Der Rest gibt dann den Tag an. Und fürs 19. Jahrhundert muss ich noch eine Jahrhundertkorrektur machen. Das ist das System, was ich mir mit zwölf Jahren auf der Schulbank ausgedacht habe.
BZ: Mit zwölf Jahren?
Mittring: Ja, ich habe versucht, mir selbst ein bisschen Unterhaltung zu schaffen. Ich bin aber nicht der erste, der ein System entwickelt hat, sondern habe das nur für mich nachempfunden.
BZ: Wann haben Sie gemerkt, dass Sie besser rechnen können als andere?
Mittring: Ich habe zwar schon mit drei, vier Jahren die Kassierer gegebenenfalls korrigiert, aber das war für mich sehr lange selbstverständlich. Erst in der Grundschule ist mir aufgefallen, dass das nicht sehr verbreitet ist und dass ich besser mit Zahlen umgehen konnte als der Durchschnitt.
BZ: Trotzdem waren Sie in der Schule nicht besonders gut. Warum?
Mittring: Ich war kein Musterschüler, weil ich oft anders gedacht habe, als die Lehrer das wollten. Mir war zum Beispiel nicht klar, warum ich bei Matheaufgaben noch Zwischenschritte notieren soll.
BZ: Mathe ist in der Schule wohl das größte Angstfach. Wie könnte man das ändern?
Mittring: Also, meines Erachtens kommt die Angst daher, dass die Schüler nicht wissen, welchen Nutzen das Fach eigentlich hat. Ich vermisse, dass der Nutzen einer bestimmten Rechentechnik im Vorfeld dargestellt wird. Was habe ich davon, wenn ich das kann? Gäbe es zum Beispiel die Infinitesimalrechnung nicht, könnte man keine Wettervorhersagen machen und keine Brücken bauen.
BZ: Können die Science Days da helfen?
Mittring: Ganz bestimmt. Ich bin ein Fan von solchen Veranstaltungen, denn wir haben das Problem, dass wir zu wenig Begeisterung wecken. Die Science Days könnten ein Schlüsselerlebnis sein, bei dem Schüler feststellen: Das ist faszinierend, da könnte ich mich länger mit beschäftigen!
BZ: Sie haben unter anderem Psychologie studiert und beschäftigen sich mit Intelligenzforschung. Braucht man einen extrem hohen IQ, um Leistungen wie Sie zu erbringen?
Mittring: Ich glaube, dass man sehr, sehr weit kommen kann, ohne dass man einen extremen IQ vorweisen muss. Ab einem gewissen Niveau ist aber sicher Begabung vorteilhaft.
BZ: Im August sind Sie zum neunten Mal Weltmeister im Kopfrechnen bei Denksport-Olympia in London geworden. Wie läuft so ein Wettbewerb ab?
Mittring: Ich habe drei Stunden Zeit, um aus einem Katalog von Aufgaben zu wählen. Alle kann man nicht schaffen, das ist unmöglich. Es gibt leichtere Aufgaben mit weniger Punkten und schwerere mit mehr. Besonders bei den ganz schweren ist es wichtig, eine gute Auswahl zu treffen. Denn wenn bei einer fünfzehnstelligen Antwort auch nur eine Ziffer falsch ist, gibt es gar keine Punkte.
BZ: Morgen wollen Sie eine hundertstellige Zahl in ihre Primfaktoren zerlegen. Sie wissen nur, dass es 20 aufeinander folgende Primzahlen sind. Ihr einziges Hilfsmittel ist eine Liste der Primzahlen. Was ist Ihr erster Gedanke, wenn Sie die Zahl zu Gesicht bekommen?
Mittring: Ich versuche natürlich, die Größenordnung der Primzahlen festzustellen. Dafür schaue ich verstärkt auf die ersten Ziffern. Dann muss ich herausfinden, wie die Primzahlen beschaffen sind und dafür schaue ich auf die Endziffern.
BZ: Mit welcher Zeit rechnen Sie?
Mittring: Die Lösung habe ich relativ schnell raus, aber die meiste Arbeit besteht darin, die 20 Primzahlen aufzuschreiben und sie dann noch einmal zu überprüfen. Das kann schon im Bereich von ein paar Minuten liegen.
BZ: Wie viel Schokolade werden Sie morgen essen?
Mittring: Schon so zwei bis drei Tafeln.

Die Science Days im Europa-Park finden am 11. und 12. Oktober für Schulklassen statt, am13. für alle Besucher.

Buchtipp: Gert Mittring "Rechnen mit dem Weltmeister". Tipps und Tricks für den Alltag. Nicht nur für Mathegenies, sondern für alle ab 10 Jahren. Fischer-Verlag, 8,99 Euro.

Ressort: Südwest

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