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Höhlendrama ist gut zu vermarkten

Vor etwas mehr als einem Jahr wurden in Thailand zwölf Jungen gerettet / Viele Menschen pilgern heute zum Ort des Geschehens.  

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Ein paar der  Fußballer kurz nach ihrer Rettung vor einem Jahr  | Foto: Handout (dpa)
Ein paar der Fußballer kurz nach ihrer Rettung vor einem Jahr Foto: Handout (dpa)

MAE SAI. Ein Jahr ist es her, dass das Höhlendrama von Thailand die Welt bewegt hat. Die zwölf Jungen sind zurück in der Schule. Die Höhle ist nun ein Wallfahrtsort. Manche hoffen auf das große Geld – und auf ein besseres Image.

Für einen Jungen aus der thailändischen Provinz ist Dom Promthep letztes Jahr ganz schön herumgekommen. Der 14-Jährige aus Mae Sai, einer Kleinstadt an der Grenze zu Myanmar, war in England, in Japan, in Argentinien und in den USA. In Bangkok gab der König ihm zu Ehren eine Gala. Bald kommt ein Film ("The Cave") über sein Schicksal ins Kino. Netflix dreht eine Serie, Disney einen Dokumentarfilm. Und sie haben ihm sogar ein Denkmal gebaut.

Die Berühmtheit rührt daher, dass Dom U-16-Kapitän der Moo Pah war, der "Wildschweine", des Fußballvereins von Mae Sai. Am 23. Juni vergangenen Jahres, einem Samstag, stieg er mit elf anderen Jungen – alle zwischen elf und sechszehn Jahre alt – und dem Betreuer (25) nach dem Training aufs Rad. Sie fuhren zu einer Höhle und kletterten hinein. Weil der Monsunregen alles überschwemmte, kamen sie nicht mehr heraus. 17 Tage lang saßen sie in der Höhle fest.

Als sie nach einer beispiellosen internationalen Hilfsaktion gerettet waren, jubelte die halbe Welt. Es war damals schon die nahezu perfekte Heldengeschichte. Heute wird sie so groß wie möglich vermarktet, wobei die Akzente anders gesetzt werden als vor zwölf Monaten. Thailand, das ohne Hilfe aus dem Ausland damals verloren gewesen wäre, hat sich der Story bemächtigt. Es geht nicht nur ums Geld – auch ums Image. Kein Wunder: So gute Nachrichten gab es aus dem Königreich, wo seit einem Putsch 2014 das Militär regiert, schon lange nicht mehr. Und seither nicht wieder, auch wenn zwischenzeitlich gewählt worden ist.

Im Mittelpunkt stehen die Kinder. Die ersten Wochen nach der Rettung aus der Tham-Luang-Höhle waren die Moo Pah noch zusammen. Anfangs in Quarantäne im Krankenhaus, dann für zwei Wochen im Tempel, wo sie sich nach buddhistischem Ritus die Köpfe rasieren ließen. Und schließlich zusammen auf Tour: bei der Fifa, bei Manchester United, zu Talkshows in den USA. Drei der Jungen und der Betreuer, die bisher staatenlos waren, bekamen einen thailändischen Pass. Im größten Tempel ihrer Heimatstadt gibt es ihnen zu Ehren jetzt ein Museum. Dort sind ihre Fußballschuhe ausgestellt, die Rucksäcke, mit denen sie unterwegs waren, und eines der Räder. Am Ausgang stehen dann alle fast lebensgroß in Stein, mit orangenen Mönchsgewändern und merkwürdigerweise mit blauen Haaren.

Doms Mutter, Noi Promthep, weiß nicht so recht, was sie von der Verehrung halten soll. "Ich bin sehr stolz", sagt die 42-Jährige, die auf dem Markt einen Wäschestand betreibt. "Ihm geht es gut. Aber er kommt nicht mehr so oft nach Hause." Dom geht in Chiang Mai aufs Internat, 250 Kilometer entfernt. An der Schule von Mae Sai sind von den "Wildschweinen" nur noch fünf. Der Sportplatz in der Nähe, wo sie früher gekickt haben, ist an diesem Abend leer.

Ein Denkmal für den

verstorbenen Marinetaucher

Schuldirektor Kanet Pongsuwan sagt: "Einige sind jetzt in dem Alter, wo sie rebellischer werden. Sie gehen häufiger aus und spielen nicht mehr so viel Fußball." Die Jungen würden aber behandelt wie alle anderen Schüler. Doch natürlich gibt es Neid. Zwei von ihnen haben auf Instagram jeweils fast 150 000 Follower. Man würde die "Wildschweine" zu all dem auch gern selber befragen. Doch alle Bitten um ein Treffen werden abgeblockt.

Die Fußballer und ihre Eltern haben Exklusivverträge geschlossen. Wer sie interviewen darf, wird in Bangkok entschieden. Es ist wohl auch eine Frage des Geldes. Allein für die Netflix-Serie soll jede Familie nach einem Bericht der Lokalzeitung drei Millionen Baht (86 000 Euro) bekommen. Bisher, so heißt es, hätten sie davon nichts gesehen. Doms Mutter sagt nur: "Ich mag nicht über Geld reden."

Die Höhle selbst ist zu einem Wallfahrtsort geworden. Vor einer Weile waren an einem einzigen Wochenende 10 000 Leute da, obwohl es nicht viel zu sehen gibt. Das schwarze Loch, über das man früher hineinkam, ist abgesperrt. Am Zaun hängt ein Foto der zwölf Jungen und des Trainers. In der Nähe soll bald ein weiteres Museum eröffnen. Davor steht ein Denkmal für den Mann, der für die Thais der größte Held ist: der ehemalige Marinetaucher Saman Kunan, einziges Todesopfer des Dramas. Dem 37-Jährigen ging, noch bevor die Rettung begann, in der Höhle der Sauerstoff aus. Eine Gruppe von Touristinnen legt Blumen nieder.

Eine von ihnen, Siri Meeratsamee, sagt: "Ich bin so stolz auf ihn. Und auf mein Land. Keiner hat geglaubt, dass wir es schaffen. Aber wir haben es geschafft." Dann kauft sich die Frau an einem der vielen Stände noch ein T-Shirt mit dem Porträt des Tauchers und ein Los für die Lotterie.



Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 18. Juni 2019: PDF-Version herunterladen

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