Hitzewelle in Südbaden
Hoch Helmut heizt uns heftig ein
Der Sommer ist bislang auffällig ausdauernd, warm und trocken. Menschen, Tiere und Pflanzen leiden vor allem unter dem Wassermangel. Und Regen ist vorerst noch nicht in Sicht. Einige Schlaglichter auf die Folgen der Trockenheit in Südbaden.
Sonja Seidel, Sarah Beha, Juliet Merz, Franz Schmider, Manuel Fritsch & dpa
Do, 26. Jul 2018, 7:50 Uhr
Südwest
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Gefühlt hat der Sommer 2018 bereits im April begonnen und im Mai nur eine kurze Pause eingelegt. Die Beobachter des Deutschen Wetterdienstes können den Eindruck unterfüttern. "Die Monate April bis Juli waren überdurchschnittlich, teils außergewöhnlich warm und zu trocken. Lediglich im Mai lag der Niederschlag über dem Durchschnitt", ist die Auskunft des DWD. An der Station Freiburg wurde demnach im Juni und Juli kein nennenswerter Niederschlag gemessen, abgesehen von lokal begrenzten Gewitterschauern. Damit fielen dort im Juni lediglich 15,6 Prozent, im Juli bisher 12,4 Prozent des Normalwerts des Niederschlags. Auch die mittlere Lufttemperatur lag in Freiburg im Juni mit 16,4 Grad Celsius 2,8 Grad über dem Normalwert. Im Juli betrug die mittlere Temperatur bislang 18,8 Grad, 2,1 Grad über dem Normalwert.
Die derzeit starke Sonneneinstrahlung bringt es mit sich, dass die Konzentration des Gases Ozon in der Luft zunimmt. Ozon ist ein Sekundärschadstoff, eine Art Abfallprodukt, wenn andere Schadstoffe in Folge der Sonneneinstrahlung zerfallen. Ozon reizt die Atemwege. Am Dienstag und Mittwoch wurden an einigen Messstationen die Grenzwerte überschritten, am deutlichsten am Bereich Belchen, aber auch in Freiburg und Weil am Rhein. Und zwar sowohl der maximale Stundenwert (180 Mikrogramm) wie auch der 8-Stunden-Mittelwert (120 Mikrogramm). Der lag am Belchen bei 187 Mikrogramm. Vor allem Kinder und Asthmapatienten reagieren besonders empfindlich auf Ozon, sagte eine Sprecherin der Landesanstalt für Umwelt in Baden-Württemberg (LUBW). Betroffene sollten ab dem Nachmittag auf Sport im Freien und ungewohnte körperliche Anstrengung verzichten. Die aktuellen Daten können bei der LUBW (Internethinweis) abgerufen werden.
Für die Fische ist vor allem die Kombination aus hohen Temperaturen und fehlendem Niederschlag gefährlich: "Wenn das Wetter so bleibt, hat das drastische und schlimme Folgen für die Fische", sagt Ingo Kramer, Geschäftsführer des Landesfischereiverbands, Außenstelle Freiburg. Durch die hohen Temperaturen heizen sich Bäche und Teiche stetig auf, sodass der Sauerstoffgehalt des Wassers sinkt. Die Fische laufen Gefahr zu ersticken, auch durch das wegen der Verdunstung fehlende Wasser. "Dagegen sind wir machtlos", sagt Kramer. Die einzige Möglichkeit sei es, tiefe Senken in die Gewässer zu graben und die Fische umzusetzen.
"Bei manchen Gewässern wissen wir schon aus Erfahrung, dass sie regelmäßig austrocknen", so Kramer. Manchmal jedoch nicht. So wie am 18. Juli, als Kramer und seine Kollegen vom Angelverein Umkirch zum Mühlenbach aufbrechen mussten. "Es war eine Katastrophe", so Kramer. "Das Wasser stand schon, und einzelne Pfützen waren randvoll mit Fischen." Sie wurden abgefischt und flussabwärts wieder ausgesetzt. Kramer vermutet, dass er und seine Mitangler bald häufiger ausrücken müssen. "Die Lage spitzt sich immer weiter zu." Auch für Amphibien sei das Wetter problematisch, meint Vorsitzender Alexander Milles vom Naturschutzbund Freiburg. Die Tiere benötigen Wasserstellen, um abzulaichen. "Dafür müssten Gräben verlässlich bewässert werden, das klappt aber nicht immer so gut", so Milles.
Für Insekten hingegen sei es ein gutes Jahr. Nur die Mücke, die für ihre Larven stehende Gewässer braucht, habe das Nachsehen. "Natürlich kommt es auf die Art an, aber die Hitze lässt viele Insekten erst richtig aktiv werden", erklärt Milles. "Zum Beispiel die Honigbiene." Im Umkehrschluss würden viele Reptilien und Vögel vom Wetter profitieren, da sie Insekten als Nahrungsquelle nutzen. Vielen in Erdhöhlen lebenden Säugetieren komme die Hitze zugute, da der Bau trocken bleibt und sich die Krankheitskeime schlechter vermehren. Anhaltende Trockenheit führe dazu, dass sich neue Arten ansiedeln, wie kürzlich die Tigermücke oder der Spinnenläufer. "Neue Arten müssen nicht zwangsweise ein Problem sein – es kommt immer darauf an, wie sie sich einbringen."
"Es gibt Bezirke, die gerade noch ausreichend mit Wasser versorgt werden, aber auch solche, in denen es sehr knapp ist, beispielsweise rund um Breisach", sagt Padraig Elsner, Pressesprecher des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV). "Beim Getreide sind die Landwirte mit einem blauen Auge davon gekommen." Allerdings sei vielerorts ein Mangel an Heu zu beobachten, der zweite Schnitt fehlt, weshalb viele Bauern Grünfutter dazu kaufen müssten – eine finanzielle Belastung. Generelle Aussagen zu den Schäden seien schwierig, da sich die Niederschlagsmenge oft schon innerhalb kurzer Distanzen unterscheiden könne. Zudem könnten humusreiche Böden Wasser besser halten als sandige. "Ein Regen, der 14 Tage anhält, wäre momentan Gold wert", sagt BLHV-Vizepräsident Bernhard Bolkart. Der Landwirt aus Schonach bezieht sein Wasser aus einer eigenen Quelle – und die liefert momentan immer weniger Wasser. Ähnlich gehe es anderen Bauern im Hochschwarzwald. "Bisher hält sich die Lage im Vergleich zu dem Sommer 2003 und dem vor zwei Jahren in Grenzen." Als Konsequenz hätten viele Bauern mit eigener Wasserversorgung neue Quellen erschlossen.
Trotzdem könnten die ausbleibenden Niederschläge noch zu Engpässen führen, fürchtet Bolkart. "Die Böden im Schwarzwald sind sehr durchlässig, deshalb macht sich eine mehrwöchige Trockenheit schnell bemerkbar." Vor allem wenn die Milchkühe nach dem Sommer von der Weide zurück in den Stall kämen, steige der Wasserverbrauch auf einem Hof deutlich. "Das Schlimmste für uns wäre, wenn wir so trocken in den Winter gingen", sagt Bernhard Bolkart, "aber bis dahin ist ja noch etwas Zeit."
Seit Dienstag und voraussichtlich bis Sonntag gilt auf einigen Abschnitten der Autobahnen 81 und 7 tagsüber ein Tempolimit von 80 Kilometern pro Stunde. Um die gefährlichen "Blow-ups" zu vermeiden, würden die Autobahnabschnitte erneuert oder mit sogenannten Entlastungsstreifen versehen, teilte das Regierungspräsidium Stuttgart mit. Elastisches Material, das in die Betonsegmente eingebaut wird, soll dafür sorgen, dass sich die Fahrbahn ohne zu zerbersten ausdehnen kann.
Das Forstministerium hat erneut auf das massiv gestiegene Waldbrandrisiko hingewiesen. Schon eine achtlos weggeworfene Zigarettenkippe oder ein aus dem Ruder gelaufenes Grillfeuer könne verheerende Folgen haben, warnt Forstminister Peter Hauk (CDU).
Kaum Regen sorgt auch für niedrige Wasserstände der Flüsse. In Freiburg beispielsweise hat die Dreisam nur noch knapp 18 Zentimeter Wasser. Die Wiese bei Zell ist unter zehn Zentimeter gefallen, die Abflussmenge ist unter die seit 1985 registrierten Minimalwerte gesunken. Nach LUBW-Angaben sind die Tiefstwerte von 2003 aber vielfach noch nicht erreicht. Mit weiterem Absinken der Wasserstände sei zu rechnen. Im Rheinhafen in Basel seien die Pegel zwar niedrig, allerdings sei das "nichts Außergewöhnliches", wie Pressesprecher Simon Oberbeck sagt. Was man allerdings merkt: Der Lastentransport verlegt sich zunehmend auf Schiene und Straße. Denn durch die niedrigen Pegelstände dürften die Schiffe nur rund zwei Drittel ihrer üblichen Ladung transportieren.
Im vergangenen Sommer sind in Baden-Württemberg 1352 Menschen als Folge der hohen Temperaturen gestorben. Das seien rund fünf Prozent der Sterbefälle im Juni, Juli und August 2017 gewesen, teilte das Statistische Landesamt am Dienstag mit. Besonders alte Menschen seien durch Herz- und Kreislauferkrankungen und krankheitsbedingte Störungen des Durstempfindens bei Hitze gefährdet. Die meisten Hitzetoten im Südwesten gab es nach Amtsangaben im besonders heißen Sommer 2003 mit knapp 2700. In den kommenden Jahren könnte die Zahl aufgrund der demografischen Entwicklung und des Klimawandels steigen.
Überblick: Die aktuellen Ozonwerte im Südwesten
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
leider können Artikel, die älter als sechs Monate sind, nicht mehr kommentiert werden.
Die Kommentarfunktion dieses Artikels ist geschlossen.
Viele Grüße von Ihrer BZ