Zischup-Interview
"Heute kann man den Beruf nicht mehr erlernen"
Johann Gebert ist Drehorgelbauer. Zischup-Reporterin Hannah Gebert hat sich mit ihm über seinen seltenen Beruf unterhalten.
Hannah Gebert, Klasse 8b, Deutsch-Französisches Gymnasium & Freiburg
Mi, 23. Apr 2014, 10:16 Uhr
Schülertexte
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Zischup: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Drehorgelbauer zu werden?
Gebert: Mit ungefähr acht Jahren war ich zum ersten Mal in der Werkstatt von Frédéric Keller. Seine Miniaturkarusselle mit Orgelwerk faszinierten mich, und so fing ich mit zwölf Jahren an, ihm in den Ferien zu helfen. Mit 15 Jahren, als ich aus der Schule flog, war für mich dann klar, dass ich bei Frédéric Keller Drehorgel und Schaustellorgelbau erlernen würde.
Zischup: Was macht man alles in diesem Beruf?
Gebert: Man arbeitet viel mit Holz, Metall und Farben. Bei einer neuen Drehorgel stelle ich alle Einzelteile selbst her und baue sie komplett. Die meiste Zeit aber restauriere ich alte Drehorgeln und baue fehlende Teile nach.
Zischup: Was macht Ihnen an Ihrem Beruf am meisten Spaß?
Gebert: An der Arbeit, an einem Instrument, machen nach oft vielen Monaten die letzten Wochen oder Tage am meisten Spaß, wenn ich die fertigen Einzelteile zusammenfügen kann und am Ende die fertige Drehorgel in meiner Werkstatt Probe laufen lassen kann.
Zischup: Was für eine Ausbildung muss man als Drehorgelbauer haben?
Gebert: Heutzutage kann man den Beruf eigentlich gar nicht mehr erlernen, damals war es Drehorgelbau, der aber auch schon zu meiner Zeit in der Berufsschule nicht mehr berücksichtigt wurde.
Zischup: Wie genau ist eine Drehorgel aufgebaut?
Gebert: Eine Drehorgel besteht erstmals aus einem Gehäuse, in dem alle Teile Platz finden. Im Inneren ist eine Balkanlage, die aus mehreren Luftschöpfern oder Blasebälgen besteht, die die ganze Luft bereitstellen. Es gibt Pfeifen, die zum Teil unter dem Boden und zum Teil auf der Windlade sind. Die Windlade ist eine Holzkonstruktion mit lauter Windgängen und Ventilen, die die Pfeifen mit Wind versorgen, wenn sie spielen sollen. Dann gibt es noch einen selbst spielenden Teil, der das Instrument zum Spielen bringt. Das können entweder eine beschriftete Walze oder zum Beispiel gefaltete Kartonbänder sein, in die Musikstücke eingestanzt sind.
Zischup: Braucht man als Drehorgelbauer eine besondere musikalische oder handwerkliche Begabung?
Gebert: Auf jedem Fall beides! Man braucht eine gute Klangvorstellung und ein gutes Gehör sonst klingt das nie gut. Im Handwerklichen sollte man geschickt sein.
Zischup: Welche unterschiedlichen Drehorgeltypen gibt es?
Gebert: Es gibt die kleineren Drehorgeln, zum Beispiel Straßenorgeln. Dann gibt es Schaustellorgeln, Konzertorgeln und Tanzorgeln. Diese sind dann viel größere Werke und können bis zu 2000 Kilogramm wiegen. Dann gibt es noch die selbstspielenden Klaviere und Orchestrien, die man früher oft in Wirtschaften hatte. Insgesamt gibt es so viele verschiedene Sachen, dass man auch nach 30 Jahren nicht zweimal dasselbe machen muss.
Zischup: Wie lange dauert es, eine Drehorgel fertig zustellen?
Gebert: Wenn ich eine neue Drehorgel baue, brauche ich je nach Größe ungefähr zwei bis drei Monate. Es kann aber manchmal auch noch länger dauern.
Zischup: Welches Material braucht man, um eine Drehorgel zu restaurieren oder zu bauen?
Gebert: Die Hauptbestandteile sind verschiedene Holzarten, Schafs- und Ziegenleder, Filz und Metall.
Zischup: Welches Holz ist am besten für eine Drehorgel?
Gebert: Für das Innere verwende ich sehr viel Erle, da sie sehr weich, gleichmäßig und dicht ist. Für den Kasten sind Nussbaum oder Kirsche am besten. Trotzdem besitze ich ungefähr 50 verschiedene Holzarten an Furnier und kleinen Hölzern.
Zischup: Wer sind Ihre Kunden?
Gebert: Ich habe einen Zirkusclown und eine belgische Zigeunerfamilie, die mit der Drehorgel noch wirklich auf der Straße arbeitet als Kunden. Sonst arbeite ich hauptsächlich für Museen.
Zischup: Wie viele Drehorgelbauer gibt es noch?
Gebert: In Deutschland gibt es ungefähr noch sechs bis sieben Betriebe, in Frankreich vier bis fünf und weltweit vielleicht gerade mal 30.
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