Monokulturen
Große Waldbrände sind auch in Südbaden möglich
Er hat meterhohe Flammen gesehen und gegen Savannenbrände in Südafrika gekämpft: Alexander Held aus Bollschweil erforscht Waldbrände und berichtet darüber im Interview.
Sa, 22. Jul 2017, 17:38 Uhr
Panorama
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BZ: Woran liegt das?
Held: Als Antwort wird oft das Wort Klimawandel genannt. Ganz falsch ist das nicht: Die Waldbrandsaison beginnt früher und endet später – trockenes Wetter und Wind, der das Feuer anheizt, begünstigen Brände. Klimawandel ist aber auch eine bequeme Antwort. Er ist etwas Großes, etwas Globales, das man lokal und im Moment nicht ändern kann – er ist eine Ausrede, nichts zu tun.
BZ: Was könnte man machen?
Held: Es gibt drei Faktoren: Wetter, Zündquelle – und Vegetation. Wir haben es geschafft, über unzählige Quadratkilometer Kiefernwald oder Eukalyptusplantagen zu erzeugen. Monokulturen brennen besser als Mischwald – das können wir beeinflussen. Manchmal ist es sogar sinnvoll, gezielt kleine Brände zu legen.
BZ: Wie bitte?
Held: In Australien gibt es jetzt schon Wetterbedingungen, wie sie in Südeuropa erwartet werden. Die Leute dort brennen präventiv kontrolliert ab. Sie werfen vom Hubschrauber aus kleine Kapseln ab, die sich nach 60 Sekunden selbst entzünden. So entstehen viele harmlose Punktfeuer. Die brennen 20 Zentimeter hoch und nach zwei Stunden, wenn es Abend wird und die Luftfeuchtigkeit steigt, gehen sie wieder aus. So findet das Feuer in der eigentlichen Saison kein Futter. Das ist psychologisch aber nur ganz schwierig zu vermitteln – wir sind da in Europa 20 Jahre hintendran.
BZ: Wie entzünden sich die Brände?
Held: Meistens ist es Unachtsamkeit: Das Grillfeuer an der Waldhütte, das am nächsten Morgen doch noch brennt. Das Auto, das mit heißem Katalysator im Wald steht. Der defekte Mähdrescher, von dem Funken fliegen. Brandstiftung kommt auch vor. Glasscherben und Zigaretten sind eher selten die Ursachen – da muss schon viel zusammenkommen.
BZ: In der öffentlichen Wahrnehmung sind Waldbrände etwas, das nicht in Deutschland passiert.
Held: Richtig große Brände sind tatsächlich selten. Hier gibt es eher mal Bodenfeuer oder es brennen Äcker. Das hat mehrere Gründe: In Ländern wie den USA sind die Bewirtschaftungseinheiten viel größer. In Deutschland gibt es alle 100 Meter einen Waldweg. Das behindert die Ausbreitung des Feuers – und sorgt dafür, dass die Feuerwehr schnell da ist. Aber auch hier gibt es Risikogebiete. Und weil alles so eng besiedelt ist, reichen schon kleine Brände, um große Schäden zu verursachen.
BZ: Wo sind diese Gebiete?
Held: Viele sind im Osten, wo es große, zusammenhängende Kiefernbestände gibt – Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt. Da gibt es gewaltige Truppenübungsplätze, in denen noch alte Munition liegt, Phosphorgranaten, die sich langsam zersetzen – Phosphor entzündet sich schnell, wenn die Sonne darauf scheint. In Niedersachsen gab es vor 40 Jahren große Feuer. Aber auch der Schwarzwald kann brennen – und die Kiefernwälder in der Rheinebene. Wir hatten bisher mehr Glück als Verstand.
BZ: Wäre die Feuerwehr hier gerüstet?
Held: Es fehlt an Ausrüstung und Ausbildung. Wenn man Einsätze beobachtet, sieht man Feuerwehrleute immer in voller Schutzkleidung, auch bei 30 Grad. Wenn es ihnen dann zu heiß wird – das ist das andere Extrem – ziehen sie die aus und stehen im T-Shirt da. Ich kritisiere aber auf hohem Niveau: Die deutsche Feuerwehr spielt weltweit oben mit. Nur bei Vegetationsbränden fehlt eine Strategie: Wenn es brennt, fährt man hin und spritzt Wasser drauf. Immerhin: Die Wehr in Freiburg kooperiert jetzt mit dem Global Fire Monitoring Center am Flugplatz. Sie haben Trainingseinheiten mit den Experten gemacht, sich Rucksackspritzen und Feuerpatschen beschafft.
BZ: Wie sähe die richtige Strategie aus?
Held: In klassischen Waldbrandländern wird nicht gelöscht, sondern eingedämmt. Das widerspricht unseren Instinkten. Es gab in Brandenburg einen Versuch, bei dem wir gesagt haben: Wir löschen erst, wenn die Flammen eine bestimmte Linie überschreiten. Der Feuerwehrkommandant hat erzählt, dass alles super funktioniert hat. Er hatte aber Probleme, seine Leute im Griff zu halten – die wollten eingreifen. Die sind es gewohnt, Leben retten zu müssen – bei Vegetationsbränden bringen sie sich aber oft nur selbst in Gefahr.
BZ: Man lässt es brennen und schaut zu?
Held: Es gibt Situationen, die Brände begünstigen. Feuer brennt bergauf zum Beispiel besser als bergab. Wenn man das weiß, kann man seine Ressourcen gezielt einsetzen und das Feuer da angreifen, wo es schwächer ist – das setzt tatsächlich voraus, dass man bestimmte Areale brennen lässt. Man darf nicht vergessen: Waldbrände sind eine natürliche Sache. Und schon 1925 hat ein Experte geschrieben: Das Bodenfeuer ist der Freund des Forstmannes. Es kann helfen, eine Bestandsstruktur zu schaffen – und es gibt Ökosysteme, die Feuer brauchen.
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