Glückliche Fahnenträger und ein Schock

Claudia Pechstein und Francesco Friedrich führen das deutsche Team bei der Eröffnungsfeier an, aber es gibt sechs Corona-Fälle.  

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Auch bei den Spielen in Peking präsent: das Coronavirus – hier eine elektronenmikroskopische Aufnahme des US National Institute of Health Foto: - (dpa)

(dpa/BZ). Nach dem bislang größten deutschen Corona-Schock in Peking werden Claudia Pechstein und Francesco Friedrich ein dezimiertes Olympia-Team bei der Eröffnung der Winterspiele an diesem Freitag (13 Uhr/MEZ/live im ZDF und auf Eurosport) als Fahnenträger anführen.

Gleich sechs Mitglieder der Auswahl des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) wurden nach ihrer Einreise am Donnerstag positiv getestet. Ob unter den Infizierten nach dem Eiskunstläufer Nolan Seegert erneut auch Athleten sind, teilte der DOSB zunächst nicht mit. Drei Teil-Mannschaften seien betroffen. Alle Infektionen seien bei der Einreise am Donnerstag festgestellt worden. Die Betroffenen seien symptomfrei und wurden vom Rest des Teams separiert.

Vor dem öffentlichen Bekanntwerden der nächsten schlechten Nachrichten für das deutsche Team hatten sich die Routiniers Pechstein und Friedrich noch überschwänglich über ihre große Ehre gefreut. Dass sie gemeinsam bei der Eröffnungsfeier an diesem Freitag die deutsche Fahne tragen werden, stellt für sie sogar die eigenen sportlichen Erfolge in den Schatten. "Das ist ein i-Punkt auf meiner Karriere. Das ist für mich mehr wert als alle meine olympischen Medaillen", sagte die 49 Jahre alte fünfmalige Olympiasiegerin im Eisschnelllauf einen Tag vor dem Einzug ins "Vogelnest"-Stadion völlig beseelt.

Knapp vor Snowboarderin

Ramona Hofmeister

Bei ihrer achten Olympia-Teilnahme die Auserwählte zu sein, macht Pechstein nicht nur sehr stolz: "Ich freue mich umso mehr, dass ich hierbei einen Sieg geholt habe." Sie gewann die Wahl mit 37,43 Prozent vor Snowboarderin Ramona Hofmeister (34,52) und Rodlerin Natalie Geisenberger (28,06). Gewählt wurden die Fahnenträger zur Hälfte von den Athleten des deutschen Teams und von Fans. Pechstein war bereits 2006 in Turin Fahnenträgerin des deutschen Teams – damals allerdings bei der Abschlussfeier. Olympia-Evergreen Pechstein wird erst ihre zweite Eröffnungsfeier live miterleben. Zuletzt war sie vor 30 Jahren bei ihrem Olympia-Debüt in Albertville beim Einmarsch dabei. "Ich werde es total genießen, mit der Mannschaft an den Start zu gehen", sagte Deutschlands erfolgreichste Sportlerin bei Winterspielen. Meistens musste sie auf diesen "Gänsehautmoment" verzichten, weil immer am anderen Tag die Wettkämpfe begannen.

Auch in Peking muss die Langstrecken-Spezialistin am Samstag ins Oval und hofft auf die Schubkraft der Eröffnungsfeier: "Das ist Emotion pur, das ist Motivation pur." Die Beine würden vielleicht nicht frisch sein, "aber der Kopf ist frisch". Erst am vorletzten Olympia-Tag startet Pechstein dann noch im Massenstart-Rennen – im Übrigen ohne Unterstützung eines Trainers. "Ich bin alt genug und weiß, was ich trainieren muss", sagte sie. Auch 2018 gehörte Pechstein zu den Kandidatinnen, kam damals aber nicht zum Zug, obwohl sie im Votum der deutschen Fans die Nummer eins war. Eine neunte Olympia-Teilnahme 2010 in Vancouver verpasste sie durch eine Dopingsperre, gegen die Pechstein mit allen Mitteln vorging, da sie zumindest nach Überzeugung einiger Experten eine vererbte Blutanomalie hat.

Bob-Dominator Friedrich reagierte nicht weniger überschwänglich auf seine Kür. "Das ist wie ein Ritterschlag in England", sagte er. Vor vier Jahren in Pyeongchang sei er hinter dem damaligen Fahnenträger und Nordischen Kombinierer Eric Frenzel einmarschiert, "was schon ein Gänsehautmoment" gewesen sei. Die schwarz-rot-goldene Flagge nun selbst tragen zu dürfen, "ist nicht in Wort zu fassen".

Der gebürtige Sachse Friedrich hat noch gut eine Woche Zeit, bis er im Zweier- und Viererbob auf Medaillenjagd geht. Dennoch zögerte der perfektionistische Pilot, ob er an der Eröffnungsfeier teilnehmen soll. Ein zusätzlich durch die Organisatoren angeordneter Extra-PCR-Test ist mit einer früheren Anfahrt ins Stadion verbunden. "Es geht nur ein paar Minuten eher los, aber wir müssen sichergehen, dass alles seinen Gang geht", erklärte Friedrich. "Wir haben aber eine perfekte Lösung gefunden." Die Bobfahrer sind in dem rund 75 Kilometer vom Pekinger Stadtzentrum entfernten Yanqing einquartiert. Der Doppel-Olympiasieger setzte sich mit 43,39 Prozent gegen den deutschen Eishockey-Kapitän Moritz Müller (39,02) und Rodel-Ass Tobias Wendl (17,6) durch. Insgesamt wurden bei der Wahl der Öffentlichkeit mehr als 120 000 Stimmen abgegeben.

Durch die Mitteilung keine 24 Stunden vor der Zeremonie rückte aber erneut die Corona-Lage in den Mittelpunkt. Am Mittwoch musste Eiskunstläufer Seegert als erster deutscher Corona-Fall in Peking ins Isolationshotel und wollte auch einen Tag danach mit seiner Verzweiflung ganz allein bleiben. Wie eine Sprecherin des Deutschen Olympischen Sportbundes mitteilte, mochte der 29-jährige Berliner der Öffentlichkeit zunächst keine Auskunft über seine Lage geben. Der Kontakt mit einer DOSB-Psychologin sei hergestellt worden.

Mit Verspätung wurde auch noch Paarlauf-Partnerin Minerva Hase offiziell als Kontaktperson eingestuft. Sie wurde im olympischen Dorf vom deutschen Team separiert, darf jedoch mit diesem Status individuell trainieren. Auch ein weiteres Mitglied des Eiskunstlauf-Teams gilt als sogenannter Close Contact. "Wir hoffen, dass sie am 18. Februar im Paarlauf antreten können", sagte die deutsche Eistänzerin Katharina Müller. "Wir haben versucht, sie aufzumuntern. Natürlich sind sie enttäuscht. Wir stehen in telefonischem Kontakt mit ihnen. Sie sind sehr aufgeregt." Ihr Tanzpartner Tim Dieck konnte gar nicht fassen, dass Seegert nach einem negativen Corona-Test am Dienstag am Flughafen, nach der zweiten PCR-Kontrolle doch noch positiv gewesen war: "Der Test am Flughafen sagte, es gäbe kein Ergebnis."

Wer sich bei den Olympischen Spielen in Peking mit dem Virus angesteckt hat, wird in einem eigens dafür vorgesehenen Hotel isoliert. Nur nach zwei negativen PCR-Tests im Abstand von mindestens 24 Stunden können die Betroffenen dieses vor Ablauf von zehn Tagen wieder verlassen. Nach dieser Frist ist nur noch ein negativer PCR-Test nötig.

Die Gesamtzahl der positiven Tests gaben die Olympia-Macher am Donnerstag mit 287 an. Davon wurden 185 Infektionen bei den Kontrollen am Flughafen festgestellt, 102 innerhalb des sogenannten geschlossenen Kreislaufs für alle Olympia-Beteiligten. Die chinesischen Organisatoren haben eine Olympia-Blase eingerichtet, die noch deutlich strikter kontrolliert wird als zuletzt bei den Sommerspielen in Tokio. Ein Kontakt von Olympia-Beteiligten mit der chinesischen Bevölkerung außerhalb dieses sogenannten "geschlossenen Kreislaufs" soll verhindert werden.

Die US-amerikanische Bobpilotin und Medaillenkandidatin Elana Meyers Taylor hat den ersten Schritt aus ihrer Corona-Isolation geschafft. In einem von der Zeitung USA Today verbreiteten Video teilte die 37-Jährige am Donnerstag mit, dass ein PCR-Test vom Vortag negativ ausgefallen sei. Nun muss noch ein zweiter PCR-Test negativ ausfallen, dann kann sie in die Wettkämpfe auf der olympischen Bobbahn starten.
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