Fahrzeugtechnik
Gewerbeschule in Breisach boomt: "Es wird immer mehr Köpfchen verlangt"
Immer mehr junge Menschen lernen Fahrzeugtechnik an der Gewerbeschule Breisach. Woran liegt das? Die BZ fragte Schulleiter Sven Steinlein und Stellvertreter Christof Schütter.
Sa, 8. Jul 2023, 10:00 Uhr
Breisach
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Schütter: Breisach ist ein Mekka der Fahrzeugtechnik. Alle Auszubildenden, die in Baden-Württemberg Mechatroniker für Zweiräder werden wollen, kommen zu uns. Das sind pro Jahr rund 130 Schülerinnen und Schüler. Dazu kommen derzeit vier Meisterklassen, die Auszubildenden für landwirtschaftliche Geräte, Berufskraftfahrer und mehr. Vor rund zehn Jahren wurde hier außerdem ein Technisches Gymnasium gegründet. Die Ausbildung wurde nach der Jahrtausendwende neu geordnet und gebündelt, was bei der Verdoppelung der Schülerzahlen in Breisach auch eine Rolle gespielt hat.
Steinlein: Der Bereich Zweiradmechatroniker für Fahrräder und Motorräder ist der Bereich, der bei uns aktuell am meisten nachgefragt wird. Auch die System- und Hochvolttechnik ist sehr gefragt. Bei uns können die Schüler unter Spannung am Elektro-Fahrzeug arbeiten – dafür muss man besonders qualifiziert und zertifiziert sein. Sie lernen hier nicht nur Signale auszulesen, sondern können tiefer in die Materie einsteigen.
BZ: Das Image des Autos hat seit dem Betrug bei Abgaswerten und wegen der Klimaerwärmung gelitten.
Schütter: Davon kriegen wir hier nicht viel mit. Bei uns klopfen zwei Herzen in der Brust: eines, das für die klassische Verbrennertechnik schlägt. Das andere begeistert sich für die neuen Antriebe. Ich habe mir privat auch ein E-Auto gekauft, weil ich bei der Technik dabei sein will und letztendlich den Kohlendioxidausstoß reduzieren will.
Steinlein: Unsere Schülerinnen und Schüler sind stolz auf ihre Fahrzeuge, da sieht man auch mal einen Schlepper auf dem Schülerparkplatz. Es gibt auch Schüler, die kommen mit Fahrrädern im Wert von ein paar Tausend Euro hierher und zeigen sie. Das gehört zum Berufsbild dazu.
BZ: Wie sieht die Zukunft des Autos aus?
Steinlein: Die Entwicklung im Kfz-Bereich wird so sein, dass in Zukunft die große Masse elektrisch mit Akkus unterwegs sein wird. Anders sieht es bei Nutzfahrzeugen und in der Landwirtschaft aus; ein Vollernter kann 400 Liter Diesel tanken, das ist elektrisch derzeit noch nicht zu lösen. Lkw im Fernverkehr dürften mit LNG, also verflüssigtes Erdgas, unterwegs sein und können damit 1000 Kilometer weit kommen. LNG könnte eine Übergangslösung ein. Auch die Brennstoffzellentechnik mit Wasserstoff ist interessant, wie sie zum Beispiel die Freiburger Abfallbeseitigung einsetzt. Für diese Anwendung ist das genau richtig. Wir werden in Zukunft auf mehrere Optionen setzen, um CO2 zu vermeiden.
BZ: Wenn man sich in der Gewerbeschule Breisach umschaut, sieht man sehr viel junge Männer, aber eher wenig Frauen. Wie groß ist der Anteil von Schülerinnen?
Schütter: Er liegt bei zirka fünf Prozent.
Steinlein: Bei den Land- und Baumaschinen-Mechatronikern sind es leider nur 2,7 Prozent.
BZ: Fühlen sich die Mädchen und jungen Frauen unter so vielen Männern wohl?
Steinlein: Wir erhalten hier keine negativen Rückmeldungen. Im Gegenteil, wir haben den Eindruck, dass sich unsere Schülerinnen sehr sehr wohl fühlen. Ich kenne keine Unterrichtssituation, in der eine Schülerin nicht mit Respekt behandelt worden wäre. Schülerinnen sind häufig ehrgeizig und tun dem Klima in den Klassen gut.
Schütter: Der Anteil weiblicher Gewerbeschüler steigt sehr schwach, aber stetig. Es kommt auch auf den Fachbereich an: Bei den Zweiradmechatronikern liegt er bei rund acht Prozent. Auch die Betriebe sind sehr offen für Bewerberinnen. Sie würden gerne mehr junge Frauen einstellen, weil sie häufig Qualifikationen mitbringen, die für Betriebe von Vorteil sind.
Steinlein: Es kommt nicht so sehr auf Muskelkraft an. Es wird immer mehr Köpfchen verlangt. Auch Männer können am Schlepper oder Lkw mit Muskelkraft alleine kein Rad mehr wechseln.
BZ: Wo steht die Gewerbeschule Breisach in zehn Jahren?
Steinlein: Wir streben an, in der Fahrzeugtechnik der Ansprechpartner für unsere Betriebe, also unsere dualen Partner, zu sein. Wir wollen aber auch in der Raumschaft ein starker Partner in der Allgemeinbildung sein, zum Beispiel für berufsschulpflichtige Jugendliche ohne Schulabschluss. Für sie wird es hier ab 2025 das Angebot "AV Dual" geben, die Ausbildungsvorbereitung dual. Diese Jugendlichen müssen an die Hand genommen werden, um sie in einen Beruf zu vermitteln und ihnen eine Chance auf einen höherwertigen Abschluss zu bieten. Im Technischen Gymnasium wollen wir unter anderem mit einem zweiten Profil noch attraktiver werden.
"Wir möchten die Schülerinnen und Schüler dazu befähigen, Dinge differenziert zu bewerten" Sven Steinlein
BZ: Geht es der Gewerbeschule Breisach in erster Linie um berufliche Qualifikation?
Steinlein: Wir möchten die Schülerinnen und Schüler neben der beruflichen Qualifikation dazu befähigen, als kritische Bürger nicht allem hinterherzurennen, was gerade behauptet wird, sondern Dinge differenziert zu bewerten. Ein Beispiel: Die Diskussion um Stickoxide in den Städten. Das ist mit Technik beherrschbar und wird heute entspannter gesehen. Für Kohlendioxid hingegen gibt es keine Filter, das ist in meinen Augen das eigentliche Problem. Wir wünschen uns, dass sich die Schüler die technischen Fakten anschauen und sich den technischen Herausforderungen verantwortungsbewusst stellen.
Schütter: Ich möchte ein Beispiel dafür nennen, wie berufliche Qualifikation über den Beruf hinaus nützlich und notwendig ist: Die Schülerinnen und Schüler sollen zwischen Energie und Leistung unterscheiden können. Kilowattstunden und Kilowatt sind nicht nur wichtig in der Fahrzeugtechnik, der Unterschied gehört heute zur Allgemeinbildung dazu, etwa wenn es ums Heizen geht oder um die Photovoltaikanlage auf dem eigenen Dach und natürlich auch um die eigene Mobilität. Heute müssen Bürger mehr Entscheidungen selbst treffen als früher.
Christof Schütter, Jahrgang 1963, studierte Maschinenbau, seit 1995 im Schuldienst, zuerst in Waldshut und Müllheim, seit 2020 stellvertretender Schulleiter der Gewerbeschule Breisach. Wohnt in Münstertal.
Gewerbeschule Breisach: Technisches Gymnasium Mechatronik, Berufsschule für Mechatroniker und Meisterschule (Kfz, Land- und Baumaschinen, Zweirad) sowie für Berufskraftfahrer, Berufsfachschule (ein- und zweijährig), Vabo-Klassen (Vorbereitung auf Arbeit und Beruf ohne Deutschkenntnisse)
Internet: gewerbeschule-breisach.de
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