Gerechtigkeit kennt keine Grenzen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden ab 11. März von 18 Richtern am Internationalen Strafgerichtshof verhandelt.
Madeleine Arens
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Verbrecher in einer unfassbaren Kategorie sind Menschen wie Hitler, Stalin, Milosevic - und die Liste ist damit noch lange nicht am Ende. Mit deren Namen verbindet man die grausamsten Verbrechen an der Menschheit: Massenmord, Zwangsvertreibung, Folter - schwerstes Unrecht, das bislang oft ungesühnt blieb. Das soll sich gravierend ändern. Seit dem 1. Juli 2002 ist das Statut von Rom für einen ständigen Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag in Kraft getreten. Am 11. März werden die 18 ständigen Richter vereidigt, unter ihnen auch Hans-Peter Kaul, ein Deutscher.
Schon nach den Torturen des Deutsch-Französischen Krieges 1870/ 71 hatte der Schweizer Gustave Moynier die Idee einer internationalen Strafverfolgung. Nach dem Ersten Weltkrieg sollte sich der ehemalige Deutsche Kaiser vor einem extra dafür gebildeten Gerichtshof verantworten. Das scheiterte allerdings daran, dass die Niederlande ihn nicht aus dem Exil ausliefern wollten. Erstmals sprachen dann die internationalen Militärtribunale von Nürnberg und Tokyo nach dem Zweiten Weltkrieg Recht über Kriegsverbrecher. Und schließlich errichteten die Vereinten Nationen 1993/94 so genannte "Ad-hoc-Tribunale", vor denen Verbrechen an der Menschlichkeit im zerfallenen Jugoslawien und die Massaker in Ruanda verhandelt werden.
Einen Meilenstein in der Geschichte des Völkerrechts stellt nun das Römer Statut dar. Es ergänzt die bisherigen Entwicklungen um einen wichtigen Punkt: Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) bestraft einzelne Personen, nicht Staaten. Denn: es stehen immer einzelne Menschen hinter solchen Verbrechen, auch wenn sie Helfer und Helfershelfer haben. Darüber hinaus ist der IStGH ein ständiges und unabhängiges Gericht. Und: er bedeutet für die einzelnen Staaten einen gewissen Souveränitätsverlust. Denn der IStGH greift ein Verfahren auf, wenn die für die Strafverfolgung zuständigen Staaten "nicht Willens oder nicht in der Lage" sind, ernsthafte Strafverfahren durchzuführen.
"Der Internationale Strafgerichtshof enthält ein Versprechen auf universelle Gerechtigkeit." Kofi Annan
Jeder Staat kann also die internationale Gerichtsbarkeit vermeiden, indem er Verbrechen, die vor dem IStGH angeklagt werden können, schon nach nationalem Recht unter Strafe stellt. Wie aber kommt ein Kriegsverbrecher, der sich in seinem Heimatland nicht verantworten muss vor den IStGH? Könnte man einen Kriegsverbrecher aus Serbien in Bayern festnehmen? Könnte man. Denn grundsätzlich gilt: Das Verbrechen muss in einem Staat, der den Gerichtshof anerkannt hat, begangen worden sein oder der Täter ist Staatsangehöriger eines solchen Staates. Schwieriger wird das mit Tätern aus Staaten, die das Römer Statut nicht ratifiziert haben. Und das sind nicht ganz unbedeutende. Zum Beispiel USA, Irak, China, Israel, Jemen, Libyen. Auch für Täter aus diesen Ländern gibt es die Möglichkeiten, einer Anklage vor dem IStGH. Wenn nämlich der Tatortstaat zustimmt oder wenn der UNO-Sicherheitsrat einen Fall an den Gerichtshof überweist. Übrigens: Nur Verbrechen, die nach dem In-Kraft-Treten des Statuts begangen wurden, können auch bestraft werden. Dabei ist die Todesstrafe natürlich ausgeschlossen.
Natürlich ist der IStGH auf die Mitarbeit der Mitgliedstaaten unbedingt angewiesen. Er hat keine eigene Polizeieinheit, was den Zugriff auf Täter und Beweismittel erschwert. Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression - der IStGH konzentriert sich nur auf die Ahndung schwerster Menschenrechtsverletzungen. Die Hoffnung: potenzielle Täter abzuschrecken. Attentäter allerdings werden nie auf der Anklagebank des IStGH sitzen. Denn Terrorismus und Drogenhandel verfolgt das Gericht nicht.
Kritiker weisen zu Recht darauf hin, dass es ein Internationaler Gerichtshof ohne die Beteilung der USA oder Chinas schwer haben könnte. Und nicht nur, dass die USA das Römer Statut nicht ratifizieren, sie haben auch ein Verfahren im UN-Sicherheitsrat durchgesetzt, das im Grunde durch Verschleppung verhindern soll, dass Amerikaner vor dem IStGH angeklagt werden können. Hinzu kommt der "American Servicemembers' Protection Act", ein Gesetz, das den US-Präsidenten ermächtigt, amerikanische Angeklagte vor dem IStGH auch mit militärischer Gewalt zu "befreien".
Der Deutsche Hans Peter Kaul ist einer der 18 ständigen Richter am IStGH und sieht gute Chancen für eine langfristige Zusammenarbeit mit den USA, denn auch die müssten eine gute nachbarschaftliche Beziehung zum IStGH anstreben. Und den nennt Kofi Annan, Generalsekretär der Vereinten Nationen "ein Geschenk der Hoffnung für zukünftige Generationen" und einen Riesenschritt vorwärts zu universell geltenden Menschenrechten: "Der Internationale Strafgerichtshof enthält ein Versprechen auf universelle Gerechtigkeit."
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