Geräuschkulisse der Unwissenheit
In den Schulen bleibt alles beim Alten, während sich vor den Schultoren die Welt rasant verändert. Eine Polemik.
Thomas Oeftering
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Eines wird auch den diesjährigen Schulabgängern mit Sicherheit im Gedächtnis bleiben: Das laute Stöhnen vieler Mitschüler in den Klausuren. Diese Geräuschkulisse der Unwissenheit kommt nicht von ungefähr. Da mag mangelnde Lernbereitschaft seitens der Schüler mitwirken. Schwerer aber wiegt eine andere Ursache: die mangelhafte Vorbereitung der Schüler aufgrund eines in die Jahre gekommenen Schulsystems - mit dem entsprechenden Unterricht. Die Idee, das veraltete Schulsystem, ja, die gesamte Bildungspolitik zu erneuern liegt nahe, - neu ist sie allerdings nicht.
Wohin also muss sich Schule entwickeln? Die Schule sollte ein Basiswissen vermitteln, um der in Zukunft arbeitenden Bevölkerung die Grundlagen für neue Ideen zu geben. Denn alles was unser Leben heute bestimmt - nicht zuletzt die Computer - beruht auf alten Lehren und Erfahrungswerten. Sie sind auch heute noch der Grundstock für unsere Kultur. Außerdem muss die Schule Offenheit gegenüber über aktuellen Dingen des täglichen Lebens zeigen und diese in den Lehrplan integrieren.
So wäre zum Beispiel die Diskussion über die Verletzung von Menschenwürde in Reality-Soaps wie "Big Brother" einen sinnvolle Sache gewesen. Über Basiswissen und Alltagswissen hinaus muss die Schule aber auch die Eigeninitiative der Schüler fördern. Die müssten in Zukunft verstärkt lernen, sich Wissen anzueignen, indem sie Referate recherchieren - in Bibliotheken und im Internet. Das heißt, der Lehrer sollte nicht mehr der einzige sein der das Wissen vermittelt, schon gar nicht, indem er von vorne nach hinten durch das Klassenzimmer redet. Die Schüler sollten mit ihren Referaten das Klassenzimmer lebendiger werden lassen, der Lehrer würde im Idealfall "assistieren" und kontrollieren ob alles korrekt und möglichst komplett ist. Diesem interaktiven Unterricht gehört die Zukunft.
Und nicht nur klug ausgewähltes Basiswissen müssen die Schulen vermitteln, sondern auch "Schlüsselqualifikationen", also Fähigkeiten, die es erlauben sich später höchst unterschiedlichen Aufgaben und Arbeitsbedingungen anzupassen. Denn: in Zukunft wird der Arbeitnehmer, der sein ganzes Leben lang stur einen einzigen Beruf ausübt, Seltenheitswert besitzen. Der Arbeitsmarkt wird stetigem Wandel unterliegen - und mit ihm notgedrungen auch die Arbeitnehmer. Die werden, um diesen Anforderungen gerecht werden zu können, am neuerdings viel zitierten "lebenslangen Lernen" nicht vorbei kommen. Aber um wirklich auf lebenslanges Lernen vorbereitet zu sein, müssten alle schon in der Schule taugliche Lernmethoden kennen gelernt haben. Gelegenheit dafür gibt es an unseren Schulen bislang noch äußerst selten.
Um die zusätzlichen Aufgaben zu meistern, würden vermutlich mehr Unterrichtstunden nötig werden. Dem steht allerdings die oft bemängelte Konzentrationsfähigkeit der Schüler entgegen. Bei häufig nur zwei Schulstunden Sport pro Woche ist das eigentlich gar nicht verwunderlich: den Schülern fehlt Bewegung als Ausgleich zum stundenlangen Sitzen. Mehr musische Fächer und mehr Sport würde sich lohnen: vielleicht ließe sich so auch das deutsche Sporttief beheben. Die Schule sollte ein breites Spektrum an Sportarten anbieten, für die Abwechslung und hoffentlich auch, um manches unentdeckte Sporttalent zu Tage zu bringen.
"Eine Riesenbürokratie verwaltet den trägen Schulapparat."
Bewegung wirkt außerdem Haltungsschäden entgegen und fördert zudem noch die Intelligenz, das gleiche gilt für die musischen Fächer: Sie fordern die Schüler heraus, sich mit sich selbst auseinander zu setzen, die Koordinationsfähigkeit wird gefördert. Und wenn das dann Erfolge zeigt, kann an Wettbewerbsteilnahmen gedacht werden, möglichst gleich europaweit.
Die Wirklichkeit sieht anders aus: Vor welchen Problemen die Schule auch im Jahr 2001 noch steht, ist klar und nicht wirklich überraschend. Eine Riesenbürokratie verwaltet den alten, trägen Schulapparat und der bürokratische Druck auf die Lehrer erhöht sich weiter. Nicht zu erkennen ist bislang, an welcher Stelle Schule in dieser Notlage vorwärts gedacht und auch zügig dahin gebracht wird, um dem Wehklagen der Schüler endlich ein Ende zu bereiten.
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