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Gebt Quereinsteigern ein paar Chancen mehr

Schüler, die lange krank waren, haben es schwer, einen Abschluss nachzuholen - eine Kritik unseres Bildungssystems.  

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Die Pisa-Studie hat in Deutschland Entsetzen über die Misere der Schulen ausgelöst. Aber die wirklichen Strukturreformen bleiben aus. Beispiele dafür sind die Möglichkeiten für Quereinsteiger und der Zweite Bildungsweg.

Nicht alle Schüler schaffen es, die Schule bis zu einem Abschluss reibungslos zu durchlaufen. Ist ein Schüler für mehrere Monate oder sogar Jahre krank, hat er es schwer, wieder in die Schule einzusteigen. Oft kommt eine Vollzeitschule nicht mehr in Frage, etwa wegen des Altersunterschieds oder weil die zuletzt besuchte Klasse noch nicht abgeschlossen wurde. Hatte er das neunte Schuljahr nicht abgeschlossen, muss selbst ein Gymnasiast erst einmal den Hauptschulabschluss nachholen und kann nicht einfach in die zehnte Klasse einer Realschule oder Werkrealschule wechseln - obwohl das Wissen, das der Hauptschulabschluss voraussetzt, bereits im achten und neunten Schuljahr des Gymnasiums vermittelt wird.

Der 18-jährige Enriko musste mit 14 die Schule wegen eines Tumors verlassen. Aufgrund häufiger Krankenhausaufenthalte kam er auf eine Vielzahl von Fehltagen und erreichte deshalb nicht das Klassenziel der achten Klasse des Gymnasiums. Er musste das Schuljahr wiederholen. Damit wollte er sich natürlich nicht abfinden, zumal er von seinem Wissensstand her problemlos die Klasse neun hätte besuchen können. Der Einstieg in eine Realschule war aufgrund seiner Fremdsprachenfolge unmöglich.

Jugendliche sind bei der Weiterbildung im Nachteil

Ungerecht sind auch die Weiterbildungsmöglichkeiten: Hat man bereits einen Beruf erlernt, kann man innerhalb eines Jahres die Mittlere Reife erlangen. Heranwachsende, die keine Berufsausbildung absolviert haben, können lediglich eine zweijährige Abendrealschule oder einer Berufsfachschule besuchen, die ebenfalls zwei Jahre dauert. Nur wenn man jünger als 18 ist, besteht die Chance, auf einer der beiden Freiburger Werkrealschulen aufgenommen zu werden.

Der 28-jährige Christian musste einen Abendkurs absolvieren, um seinen Hauptschulabschluss nachzuholen - obwohl er bereits einen Beruf erlernt hatte. An einer Gewerbeschule kann er nun in einem Jahr die Mittlere Reife erlangen, um eventuell später das Fachabitur nachzumachen. Anscheinend wird Erwachsenenbildung dadurch definiert, ob man bereits eine Berufsausbildung vorweisen kann. Das Oberschulamt nennt das so: "Den verschiedenen Möglichkeiten des Zweiten Bildungsweges ist gemeinsam, dass sie auf einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder auf einer mehrjährigen Berufstätigkeit aufbauen und auf der Grundlage des erworbenen Fachwissens den Zugang zu anderen Bildungseinrichtungen erschließen."

Dabei werden in einer typischen Berufsausbildung kaum Kenntnisse vermittelt, die für eine allgemeine Schulausbildung von Belang sind. Jemand, der gerade erst seine Mittlere Reife oder den Hauptschulabschluss erworben hat, scheint geeigneter, weiterführenden Unterrichtsstoff zu verfolgen. Für Jugendliche mit Mittlerer Reife gibt es in Freiburg nur über die sechs beruflichen Gymnasien die Möglichkeit, das Abitur zu erlangen. In dieser Schulform herrscht aber großer Andrang, während das Abendgymnasium oder Kolleg in Freiburg den oben genannten "Erwachsenen" vorbehalten bleibt.

Hoffnung auf die neuen Bildungspläne

Ich vermisse eine Möglichkeit, ohne wirtschaftliches oder technisches Profil, die allgemeine Hochschulreife zu erlangen. Genauso fehlt die Chance, das Fachabitur zu machen, ohne zuvor eine Berufsausbildung absolviert zu haben. Ganz allgemein mangelt es an Möglichkeiten für Quereinsteiger und der nötigen Flexibilität, um deren individuelle Voraussetzungen zu berücksichtigen. Die Bildungsplanreform des Landes Baden-Württemberg hat das Ziel, den Schulen mehr Verantwortung zu übertragen. Sie soll auch Freiraum für die Profilierung von Schulen und damit mehr Fördermöglichkeiten für einzelne Schülerinnen und Schüler schaffen. Ich hoffe sehr, dass jemand auch auf den Gedanken kommt, die Chancen für Quereinsteiger zu verbessern.

David Meyer

Ressort: Zisch

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