Fußballkunst im Kleinformat
Schöner sammeln zur WM mit dem Schweizer Tschuttiheftli.
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Das Tschuttiheftli ist keine Massenware, das Tschuttiheftli ist Kunst. "Der Fußball hat ja auch eine kulturelle Seite – und die wollten wir betonen", sagt Projektleiter Silvan Glanzmann. "Wir haben früher zwar selbst Panini-Bildchen gesammelt, dann aber das Gefühl bekommen, dass sie immer liebloser werden." Zu der Weltmeisterschaft in Brasilien geben der Luzerner und sein Team schon die vierte Sammelbild-Auflage heraus. Drei Millionen Sticker haben sie diesmal produziert, einmal mussten sie schon nachdrucken. Der Absatz steigt, auch wenn das Tschuttiheftli kein kommerzielles Projekt ist. "Wir haben da keine Eile. Wir wollen lieber organisch wachsen, statt wie Panini über die verschiedenen Länder herzufallen."
Rund 500 Künstler wollten eine der Mannschaften für das Tschuttiheftli umsetzen. Die Bewerbungsaufgabe: ein Porträt von Pelé. Am Ende saß der Weltfußballer selbst in der Jury und half, 32 Künstler auszuwählen, für jede Mannschaft einen. Sie kommen aus der Schweiz, aus Deutschland, aus China oder Brasilien – aus der ganzen Welt eben. Damit bringt jeder seinen eigenen Stil ein. Glanzmann freut das. "Bei uns weiß man eben nie, wie Künstler das umgesetzt haben. Das ist noch mal ein zusätzlicher Spannungsfaktor, wenn man die Stickertüten öffnet." Groß ist dann die Vielfalt: Ghanas Stammelf besteht aus einem Bälle-Mosaik, Uruguays Spieler wurden detailgetreu mit dem Bleistift gezeichnet und die Engländer kommen im rotzigen Comic-Look daher.
Und die Schweizer? "Wir haben unsere Spieler gebeten, jeweils einen Stapel ihrer Sticker zu unterschreiben. Von Shaqiri haben wir sie nicht zurückbekommen – der wollte sie unbedingt behalten. Und die Spieler, die nicht porträtiert wurden, waren sehr enttäuscht." Zu denen haben auch die Schweizer Spieler des SC Freiburg gehört: Admir Mehmedi zum Beispiel hat es nicht in den Kader des Tschuttiheftlis geschafft. Aber vielleicht lässt Glanzmann ihn ja noch nachnominieren. "Falls Mehmedi jetzt im ersten Spiel drei Tore schießt, werden wir den Künstler sehr schnell anweisen, noch mal einen Sondersticker anzufertigen." Zuständig für die Schweizer war der Zürcher Illustrator Patrick Graf. Wie Mehmedi aussehen könnte? Er überlegt. "Der hat meistens ja schon so eine gewisse Coolness, wie man ihn von Interviews kennt." So genau kann er die Frage aber nicht beantworten, da müsste er ihn sich erst noch mal anschauen, wie groß die Nase ist und so weiter. "Vielleicht würde ich Mehmedi aber so ähnlich malen wie schon Ricardo Rodríguez."
Die Deutschen sind, wie man das im Ausland kennt, bierernst. Gemalt hat sie der Berliner Künstler Hendrik Jonas, und das ziemlich schnörkellos auf türkisfarbenem Hintergrund. Jogis Fön-Frisur sitzt wie angeklebt, Klose schaut verschreckt, Lahm besteht aus zwei riesigen Augenbrauen, und auch Manuel Neuer versteht beim WM-Titel keinen Spaß. Glanzmann findet die Darstellung interessant. "Durch die Technik und diesen Gesichtsausdruck bekommen die Fußballer vielleicht eine Tiefe, die man ihnen sonst gar nicht so zutrauen würde, weil sie oft den Ruf haben, etwas oberflächlich zu sein."
Das Tschuttiheftli will eben nicht nur Kunst sein, sondern auch anspruchsvoll. Dazu gehört auch, beim Gesellschaftsphänomen Fußball auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam zu machen. Deshalb gibt es zur Heftmitte eine Doppelseite namens "The Dark Side". Der brasilianische Illustrator Renato Moll macht auf die Verschwendung öffentlicher Gelder für die Weltmeisterschaft oder das Verbot von Straßenhändlern durch die Fifa aufmerksam. 10 Rappen pro verkauftem Stickerpäckchen gehen an die Organisation Terre des hommes Schweiz. Sie unterstützt soziale Projekte in Brasilien.
Während sich das Panini-Album an Kinder richtet, zielt das Tschuttiheftli eher auf Erwachsene ab, Glanzmann will sowohl Fußball- als auch Kulturinteressierte begeistern. "Es gibt einen Kern von Leuten, die von Anfang an dabei sind. Aber es kommen auch jedes Mal neue dazu", sagt Glanzmann. Die treffen sich dann auf Börsen, trinken Bier, reden über Fußball und die Welt – und tauschen dabei Ronaldos gegen Özils. "Wir wollen soziale Medien am Kneipentisch fördern, ein bisschen als Alternative zu dem, was online so abgeht." Die Bemühungen fruchten: Vor drei Jahren kam das erste Tschuttiheftli-Baby zur Welt, erzählt Glanzmann. Das Paar hatte sich auf einer Börse kennengelernt.
Trotzdem hat mittlerweile auch das Tschuttiheftli mitgezogen. Es gibt jetzt eine App, über die man sich zum Tauschen verabreden kann. Für Glanzmann ist das kein Widerspruch: "Man muss sich dann ja immer noch persönlich treffen."
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