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Katastrophenhilfe

Freiburger Caritas-Helfer:"Wir haben in Libyen leider keine Partner"

Caritas International mit Sitz in Freiburg ist weltweit nach Katastrophen im Einsatz. Nach Libyen schicken sie keine Helfer. Koordinator Gernot Ritthaler erklärt, wann wo geholfen wird – und in welchen Fällen nicht.  

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Menschen in der zerstörten Stadt Darna im Überschwemmungsgebiet in Libyen Foto: - (AFP)
BZ: Herr Ritthaler, Caritas International ist in Libyen nicht mit eigenen Hilfskräften im Einsatz. Warum nicht?
Ritthaler: Das liegt an unserem Anspruch, dort, wo wir arbeiten, hohe Qualität liefern zu können. Das sind wir unseren Spendern, aber in erster Linie den Betroffenen schuldig. Wir arbeiten stets eng mit lokalen Partnerorganisationen zusammen, die wir in mehr als 90 Ländern haben. Zu den wenigen Ländern, in denen wir keine Partner haben – und damit keinen Zugang zu unverzichtbarer lokaler Expertise – gehört leider Libyen. Deshalb sind wir zum Schluss gekommen, dass wir unseren Standard in Libyen nicht bieten können.

BZ: Sie hatten also auch in der Vergangenheit keine Partner in Libyen?
Ritthaler: Ja. Das liegt daran, dass wir bei den Ländern, auf die wir uns konzentrieren, Auswahlkriterien haben. Dazu zählen die Verwundbarkeit und Armut der Bevölkerung. Wir schauen, wo das Risiko einer humanitären Krise am größten ist. Und ob wir kompetente lokale Partner haben. Zudem haben wir es in Libyen seit langem mit einem sehr komplexen politischen Kontext zu tun. Wir können so unserem Anspruch nicht gerecht werden, so bedauerlich dies in dieser Krise für die Betroffenen ist. Wir leiten Spenden für Libyen aber an Partner des Aktionsbündnisses Katastrophenhilfe weiter, die dort jetzt aktiv sind.
"Wir können nicht akzeptieren, dass wir nur Menschen unterstützen, die einer Regierung genehm sind."

BZ: Immerhin hat die Regierung in Tripolis nun eine Millionenhilfe für die Katastrophengebiete zugesagt – obwohl das betroffene Gebiet unter der Kontrolle ihres Konkurrenten General Chalifa Haftar steht...
Ritthaler: Es ist ein ermutigendes Signal, wenn die Kontrahenten über alle Feindschaft hinweg in dieser Stunde der Not zusammenstehen würden. Das ist erst einmal zu begrüßen. Wie das letztlich umgesetzt wird, ist noch einmal eine ganz andere Frage.

BZ: Wie gehen Sie in einem Land mit schwierigen politischen Verhältnissen vor? Wie finden sie Ansprechpartner, denen Sie vertrauen können?
Ritthaler: Da möchte ich gerne unseren Einsatz in der Türkei und Syrien nach dem großen Erdbeben im Februar als Beispiel nehmen. Die Regierung der Türkei ist sehr kontrollierend in allen Lebensbereichen. Wir haben dort im Austausch mit unserer kleinen, aber sehr engagierten Partnerorganisation Caritas Türkei drei neue Partner vor Ort gefunden, die zu uns passen. Mit diesen haben wir Projekte gestartet. Menschen, die in Zelten leben müssen oder ihren Job verloren hatten, erhalten Nothilfe. Wir haben ein Übergangswohnungsprogramm gestartet und unterstützen Kleinunternehmen. Manchmal reicht es, einem Schuhmacher, dessen Werkstatt nicht mehr existiert, mit einer Starthilfe einen Unterstand und neues Werkzeug zu ermöglichen, dass er wieder arbeiten kann. Ich war selbst dort, habe die Buchhaltung der Partner geprüft und mich mit ihnen über ihren Arbeitsansatz unterhalten.

BZ: Hatten Sie den Eindruck, dass die Regierung von Recep Tayyip Erdogan, die mit dem Erdbeben phasenweise überfordert schien, froh über Ihren Einsatz war? Oder wurden Sie von dieser in Ihrer Arbeit behindert?
Ritthaler: Am Anfang war die türkische Regierung wirklich überfordert. Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass die Regierung sehr froh über unsere Unterstützung ist. Und mit den regionalen Institutionen gelingt die Zusammenarbeit gut.
"Wenn eine für uns rote Linie überschritten würde, wäre das das Ende unserer Arbeit."

BZ: Um kein Vertrauen zu verlieren, müssen Sie neutral sein. Welche Grenzen haben Sie hierbei?
Ritthaler: Natürlich können wir nur mit der Zustimmung der lokalen Behörden arbeiten. Aber wenn wir keinen ungehinderten Zugang zu den Betroffenen haben und die Empfänger unserer Hilfe nicht selbst auswählen können, verzichten wir. Wir können nicht akzeptieren, dass wir nur Menschen unterstützen, die einer Regierung genehm sind. In so einem Fall sind wir dann raus.

BZ: In Syrien hat in großen Teilen des Landes Baschar al-Assad das Sagen...
Ritthaler: Ein gutes Beispiel. Wir arbeiten auch dort, in Aleppo etwa, mit der lokalen Caritas zusammen. Diese haben mit der Regierung ausgehandelt, dass sie in der Auswahl der Hilfsempfänger frei sind. Natürlich wird ihre Arbeit von der Regierung beobachtet, sie können aber in einer Art und Weise arbeiten, die wir für vertretbar halten. Wenn eine für uns rote Linie überschritten würde, wäre das das Ende unserer Arbeit. Hier haben die Unabhängigkeit unserer Hilfen und die humanitären Prinzipien absoluten Vorrang, auch wenn das oft nicht einfach ist.
Zur Person

Gernot Ritthaler (62) ist Koordinator der Katastrophenhilfe von Caritas International in Freiburg. Er reist regelmäßig in die Projektländer und hat viele Jahre in der humanitären Hilfe im Ausland gearbeitet.

Mehr zum Thema:

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 14. September 2023: PDF-Version herunterladen

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